BMW: Car2Car soll Recycling von Altfahrzeugen optimieren

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BMW hat das Thema Kreislaufwirtschaft bereits fest in seiner Entwicklung verankert / Bild: BMW

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
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Der Autohersteller BMW übernimmt die Leitung in einem neuen Förderprojekt auf dem Gebiet der Kreislaufwirtschaft im Automobilbau. Gemeinsam mit Vertretern der Verwertungsindustrie, Rohstoffverarbeitern und der Wissenschaft arbeiten die Münchner daran, die Qualität von Sekundärrohstoffen zu steigern, die beim Recycling von Altfahrzeugen gewonnen werden.

Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen der Förderrichtlinie „Neue Fahrzeug- und Systemtechnologien“ mit 6,4 Millionen Euro geförderte Projekt trägt den Namen Car2Car und konzentriert sich auf die Materialien Aluminium, Stahl, Glas, Kupfer und Kunststoff. Durch innovative Demontage- und automatisierte Sortierverfahren soll es in Zukunft möglich werden, die bei der Altfahrzeug-Verwertung anfallenden Wertstoffe in deutlich höherem Umfang als bisher für den Einsatz in der Produktion neuer Automobile nutzbar zu machen. Bestandteil des Förderprojekts ist zudem eine durchgängige Bewertung sowohl der ökologischen als auch der ökonomischen Auswirkungen eines Closed-Loop-Recyclings der untersuchten Materialien.

Die erfolgreiche Transformation der Fahrzeughersteller und Zulieferer ist zentral für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Eine stärkere Kreislaufwirtschaft, die Ressourcen schont und wiederverwertet, ist ein wichtiger Schritt hin zur Klimaneutralität und sichert gleichzeitig Lieferketten ab. Innovationsvorhaben in diesem Bereich sind daher von großer Bedeutung“, hebt der parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Michael Kellner hervor. Die Förderung durch das Bundeswirtschaftsministerium soll dazu beitragen, „die Abhängigkeit der Automobilindustrie von Rohstoffimporten zu reduzieren und die Versorgung der Wirtschaft mit Rohstoffen langfristig sicherzustellen, um die industrielle Wertschöpfung zu stärken.

„Völlig neue Lösungen für die Gewinnung von wertvollen Sekundärrohstoffen“

Das in diesem Förderprojekt gebündelte Knowhow der verschiedenen Partner hat das Potenzial, völlig neue Lösungen für die Gewinnung von wertvollen Sekundärrohstoffen zu erschließen“, sagt Uwe Köhler, Leiter Entwicklung Karosserie, Exterieur und Interieur, BMW Group. Dadurch soll es möglich sein, bereits in der Produktion der Fahrzeuge natürliche Ressourcen zu schonen und CO2-Emissionen zu reduzieren.

Die BMW Group hat sich das Ziel gesetzt, den Anteil an Sekundärmaterialien in den Neufahrzeugen ihrer Marken von derzeit rund 30 auf 50 Prozent zu erhöhen. Um diesen Fortschritt zu ermöglichen, werde bereits beim Design neuer Modelle die Recyclingfähigkeit der verwendeten Materialien berücksichtigt. Darüber hinaus sei es von zentraler Bedeutung, die Verwertung von Fahrzeugen am Ende ihres Produktlebenszyklus‘ neu zu gestalten. Die beim Recycling wiedergewonnenen Rohstoffe können nur dann im Sinne einer Kreislaufwirtschaft genutzt werden, wenn auch hohen Qualitätsstandards entsprechen.

BMW-Kreislaufwirtschaft-Recycling-Car2Car
BMW

Die BMW Group stellt im Rahmen des Förderprojekts 500 Altfahrzeuge zur Verfügung. Um ein repräsentatives Spektrum abzudecken, werden verschiedene Modelle aus dem eigenen Bestand verwertet – von Mini bis Rolls-Royce, mit Verbrennungsmotoren, Plug-in-Hybrid-Systemen und vollelektrischem Antrieb. Dabei liege das Augenmerk der Verbundpartner auf der Untersuchung von Aufwertungspotenzialen in geschlossenen Fahrzeugmaterialströmen. Es soll evaluiert werden, inwiefern eine Begrenzung der Stoffströme auf Fahrzeuge die Qualität und Reinheit von Sekundärrohstoffen beeinflusst.

Künstliche Intelligenz als Enabler für effiziente Kreislaufwirtschaft

Um möglichst viel der initial für die Erzeugung eines Automobils aufgewendeten Wertschöpfung zu erhalten, erarbeite das Car2Car-Konsortium einen qualitativ, wirtschaftlich und ökologisch optimalen Break-Even zwischen Demontage und Post-Shredder-Technologie. Derzeit seien Verwertungsprozesse mit einem hohen manuellen Arbeitsaufwand sowie mit Einbußen bei der Materialreinheit verbunden und daher nur für die wenigsten Fahrzeugkomponenten wirtschaftlich attraktiv. Car2Car soll fundierte Empfehlungen für innovative Rahmenbedingungen liefern, damit effiziente Kreislaufwirtschaft in Zukunft höhere Wertschöpfung verspricht als das Festhalten an konventionellen, linearen Prozessketten.

Der Einsatz digitaler Technologie und Künstlicher Intelligenz kann bisher manuell ausgeführte Verwertungsabläufe in zunehmendem Maße automatisieren und beschleunigen. So lässt sich der Demontageprozess etwa durch Roboter-Technologie teil- oder sogar hochautomatisieren. Die Integration von Systemen zur optischen sowie KI-unterstützten Erkennung und Sortierung von Wertstoffen im Post-Shredder-Prozess ermögliche es, die Qualität und Reinheit der Materialien Aluminium, Stahl, Glas, Kupfer und Kunststoff signifikant zu steigern.

Um dies zu erreichen, soll unter anderem eine Sensortechnik mit KI-basierter Wertstofferkennung sowie weiteren spektroskopischen Verfahren (zum Beispiel laserinduzierte Plasmaspektroskopie) entwickelt werden, die unterschiedliche Stahl- und Aluminiumlegierungen identifiziert. Auf diese Weise könne eine deutlich höhere Sortenreinheit der gewonnenen Rohstoffe erzielt werden. Für alle Materialien gelte, dass dadurch nicht nur die Menge der für die Produktion neuer Automobile geeigneten Sekundärrohstoffe steige, sondern zugleich der Aufbereitungsaufwand, der erforderlich ist, um aus Schrott wiederverwendbare Rohstoffe zu machen, deutlich geringer ausfalle.

Die BMW Group ist darüber hinaus auch federführend bei einem weiteren Konsortialprojekt, genannt „Future Sustainable Car Materials“ (FSCM). Unter ihrer Leitung arbeiten Forschungsinstitutionen und Unternehmen gemeinsam an innovativen Prozessrouten und Materialkonzepten zur nachhaltigen Nutzung von Sekundärmaterialien und zur Senkung des CO2-Fußabdrucks von Rohstoffen wie Stahl oder Aluminium. Der Einsatz von Sekundär-Aluminium sei ein Paradebeispiel dafür, wie die konsequente Verwendung von Recyclingmaterial den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren kann.

Wertvolle Grundlagenarbeit leistet die BMW Group zudem beim konkreten Recycling von Fahrzeugen am Ende ihrer Nutzungsdauer. Das Unternehmen verfügt bereits seit dem Jahr 1994 über ein eigenes Recyclingcenter. Im Recycling- und Demontagezentrum (RDZ) in Unterschleißheim bei München werden jährlich bis zu 10.000 Fahrzeuge verwertet. Die dabei entwickelten Erkenntnisse und Lösungen werden nicht nur intern genutzt, sondern allen Akteuren der Verwertungsbranche zugänglich gemacht.

Das Förderprojekt Car2Car setzt sich aus den folgenden Verbundpartnern zusammen:

BMW AG
TU Bergakademie Freiberg, Institut MVTAT / Institut IEST / Institut IGT
Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie am HZDR
Technische Universität München, Professur Circular Economy / Lehrstuhl fml / Institut iwb
Scholz Recycling GmbH
Steinert UniSort GmbH
ThyssenKrupp Steel Europe AG
Salzgitter Mannesmann Forschung GmbH
Aurubis AG
Novelis Deutschland GmbH
Oetinger Aluminium GmbH
Pilkington Automotive Deutschland GmbH

Quelle: BMW – Pressemitteilung vom 18.04.2023

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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MMM:

Ich selbst kann diese Frage nicht beantworten. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, vielleicht nicht.
Aber das ist doch genau der Sinn dieses Projektes: die einfachen und die schwierigen Fälle zu finden, dort wo es aktuell schon möglich ist, ein Recycling zu etablieren und für die Problemfälle Lösungen zu finden.
Falls man für aufgeschäumte Kunststoffe keine Recyclinglösung findet, wird man davon vielleicht Abstand nehmen müssen – oder es gibt eine andere Möglichkeit, ähnliche Oberflächen zu bekommen – ich weiß es nicht.

Aber ich maße mir nicht an, das Projektergebnis vorweg zu nehmen und jetzt schon Forderungen zu definieren. :-)

Philipp:

Frage: Wie kann man aufgeschäumten Kunststoff wieder für die Verwendung im Auto recyclen? Zumindest eine Idee dabei?
Tipp: Wir sprechen von 50-100kg Materialanteil im Durchschnittsauto.

Solange die Kunden, Tester und Kommentatoren immer nach weichem Innenraumoberflächen schreien und das Ende des Abendlandes verschreien wenn Hartplastik verbaut wird, ist die Behauptung man konstruiere recyclingfreundliche Autos ein Greenwashinglippenbekenntnis.

Also müßten wir gesetzlich verankern, dass im Auto nur noch sortenreines Kunstsstoff verwendet, das jeweils markiert und dokumentiert wird damit man es nach Ende des Autolebens wiederverwenden kann. Na, interesse das zu fordern?

MMM:

Das wird vor allem deshalb besser funktionieren, da E-Autos weniger Material verbrauchen – und es nur gebrauchen. Das kann man hinterher zurückgewinnen, das ist mit Öl schwierig.
Dafür müssen zukünftige Autos – und andere Konsumprodukte auch – besser auf ihre Recyclingfähigkeit hin entwickelt werden. Dabei wird dieses Projekt sicher Erkenntnisse hervorbringen, wo das heute schon funktioniert und wo noch nicht.

Wie gesagt muss man das auch auf andere Produkte übertragen, aber dort geht es noch ein Stück weiter: wir müssen weg von der Wegwerfmentalität. Jedes Jahr ein neues Smartphone. Das ist dann noch mal 10% toller als das letzte – ok. Aber wozu? Was machen wir damit?
Wir werfen diese Dinger weg, weil der Akku durch ist. Früher konnte man die Akkus tauschen.
Und wenn sie dann tatsächlich defekt oder veraltet sind, müssen wir die entsorgen und verwerten. Das müssen wir notfalls gesetzlich verankern. Schwierig bei Importartikeln wie (besonders) TV oder Smartphones (aber auch Autos), aber auf EU-Ebene nur noch solche Produkte zulassen, die nach einem gewissen Standard hergestellt werden, müsste machbar sein.

Natürlich werden dann Apple, Samsung & Co. ihre Lobbyisten nach Brüssel schicken. Das ist immer so. Da müssen wir durch.

casimir374:

Apple hat auch schon solche Anlagen für IPhones vorgestellt, der Umwelteffekt mag für Hersteller nur vordergründig als Motivation herausgehoben werden. Letztendlich ist es ja auch eine wirtschaftliche Entscheidung. Wiederverwendung spart neue Rohstoffe und somit auf Dauer Kosten für die Hersteller. Somit kann ich damit dann auch gut leben. Wir müssen da auch in anderen Bereichen hin, dafür muss aber auch die Herstellung schon zu besserer Reparatur- und Recyclingfähigkeit führen. Siehe Smart-TVs und sonstige Elektronikgeräte.

Ich bin auch der Überzeugung, dass das mit e-Autos besser funktionieren wird als mit Verbrennern.

MMM:

Ist natürlich eine Pressemeldung.
Trotzdem wichtig, dass das Thema endlich vertieft wird. Das alte Modell, wonach einfach komplette Autos samt Scheiben, Teppich, Scheinwerfern, Reifen und Sitzen in einen Shredder geworfen werden, taugt nicht für die Zukunft.

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