Der Chemiker und Batterieforscher Tom Bötticher hat sich in den vergangenen Jahren nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch als YouTuber einen Namen gemacht. Im Gespräch mit Content-Creator Tim Gabel für dessen YouTube-Kanal sprach er ausführlich über seinen Werdegang, die Faszination für Chemie, zentrale Erkenntnisse aus seiner Forschung und seine Sicht auf die Elektromobilität.
Besonders prägend war für ihn die Forschungszeit in Kanada beim bekannten Batterieexperten Jeff Dahn. Das Team arbeitete unter anderem für Tesla und befasste sich mit Fragen, die für die Weiterentwicklung der Elektroautos entscheidend waren. „Wir haben nicht nur Grundlagenforschung betrieben, sondern direkt an Problemen gearbeitet, die Tesla lösen wollte“, erinnert sich Bötticher. Statt abstrakter Theorien standen die Haltbarkeit von Zellen, Ladezyklen und Schnellladefähigkeit im Vordergrund.
Internationale Aufmerksamkeit erlangte Bötticher durch eine Publikation im Fachjournal Nature, in der sein Team erklären konnte, warum sich Lithium-Ionen-Batterien auch im Ruhezustand selbst entladen. „Teilweise waren unsere Forschungszellen nach einem Monat fast komplett entladen“, berichtet er. Solche Erkenntnisse sind für die Industrie zentral, weil sie helfen, die Lebensdauer von Akkus zu verlängern und Effizienzverluste zu vermeiden.
Im Gespräch betont Bötticher immer wieder die Notwendigkeit, Forschung realistisch einzuordnen. „Wenn man nur auf die Anwendung schaut, läuft man Gefahr, die Ursachen von Problemen nicht zu verstehen. Konzentriert man sich nur auf die Grundlagen, dauert es zu lange, bis Ergebnisse in der Realität ankommen.“ Seine Position: Nur das Zusammenspiel beider Ansätze bringt Fortschritt.
Aufklärung der Mythen in der Elektromobilität im Fokus
Wichtig ist für ihn auch die Aufklärung über Mythen in der Elektromobilität. Auf seinem YouTube-Kanal versucht er, faktenbasiert zu erklären, warum extreme Positionen wenig hilfreich sind. „Ich versuche, mich freizumachen vom Schwarz-Weiß-Denken. Zu negativ oder zu positiv über E-Autos zu sprechen, kann Schaden anrichten.“ Überzogene Reichweitenversprechen mancher chinesischer Hersteller nennt er als Beispiel. Diese würden Erwartungen schüren, die am Ende nicht erfüllbar seien.
Für Bötticher liegt der eigentliche Kernvorteil von E-Autos in ihrer Effizienz. Während Verbrennungsmotoren nur rund 40 Prozent der eingesetzten Energie in Vortrieb umwandeln, erreichen Elektroautos Werte von bis zu 80 Prozent. „Wenn man sich das einmal bewusst macht, sieht man, warum Reichweiten von 400 bis 500 Kilometern längst Realität sind.“
Doch auch Herausforderungen benennt er klar. Zwischen 18 und 40 Prozent der Gesamtkosten eines Elektroautos entfallen auf die Batterie. Damit ist der Energiespeicher der größte Hebel, wenn es um den Preis geht. Alternative Technologien wie Natrium-Ionen-Batterien könnten in Zukunft eine Rolle spielen. „Lithium ist zwar nicht knapp, aber es ist geopolitisch konzentriert. Natrium dagegen ist nahezu unbegrenzt verfügbar und deutlich günstiger.“ Noch sei die Technologie nicht reif für den Massenmarkt, doch die Fortschritte in der Forschung stimmten zuversichtlich.
Sein Appell richtet sich an Politik und Industrie gleichermaßen. Festhalten am Status quo sei keine Option. „Das patriotischste, was man für unsere Autoindustrie tun kann, ist nicht am Verbrenner zu klammern, sondern diverser zu denken.“ Für ihn geht es darum, Innovation realistisch, faktenbasiert und ohne Übertreibung zu kommunizieren. Nur so könne Akzeptanz für neue Technologien entstehen. „Übertreibungen schaden am Ende allen. Was wir brauchen, ist Realismus – und den Mut, Dinge beim Namen zu nennen.“
Quelle: Youtube – Tim Gabel – EX-Tesla-Forscher: China vs Deutschland – Wer baut die besseren Autos?