Amelia Island 2023: Verbrenner, PHEV und E-Autos treffen aufeinander

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Stefan Grundhoff

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  —  Lesedauer 4 min

Für Autofans in den USA gibt es im Frühjahr nur einen festen Termin: Amelia Island – der kleine Bruder der Monterey Car Week in Pebble Beach. Aus der Klassikveranstaltung vergangener Jahrzehnte ist längst ein automobiler Laufsteg geworden. Jung trifft alt – neu begegnet Klassik und jeder hat einfach nur gute Laune. Elektroautos stehlen millionenschweren Oldies dabei zunehmend die Schau.

Das mehr als 500 PS starke V12-Triebwerk brüllt ohrenbetäubend, als sich die weiße Flunder in langsamer Fahrt ihren Weg zur Vorfahrt des Ritz Carlton Hotels bahnt. Woanders würde sich die Umgebung die Ohren zuhalten, verständnislos mit dem Kopf schütteln und vielleicht sogar Hotelmanager oder Ordnungskräfte herbeizitieren. Doch genau die glotzen sich nach dem Rennwagen ebenfalls die Augen aus. Amelia Island, der kleine Bruder von Pebble Beach an der Nordostküste Floridas, hat einmal mehr seine ganz eigenen Gesetze. Im Laufe der Jahrzehnte wurde der Saisonauftakt der amerikanischen Klassikszene zum Intreff der Autofans.

Wer etwas auf sich hält, der ist am ersten Märzwochenende auf der Halbinsel im Norden Floridas. Hier ist alles etwas kleiner, etwas familiärer als in Pebble Beach, wo der wichtigste Autoevent des Jahres jeweils in der dritten Augustwoche stattfindet. Der brüllende Zwölfzylinder verstummt – die Handykameras klicken dafür umso wilder. Die rechte Tür des Porsche 917 klappt nach oben auf und Langstreckenlegende Derek Bell klettert mit etwas Mühe aus seinem Rennboliden heraus und checkt im Hotel ein. Die Fans sind begeistert.

Nach Vorbild von Pebble Beach ist Amelia Island mittlerweile zu einer Automesse der Neuzeit geworden. Keine miefigen Messehallen, keine taghell ausgeleuchteten Messestände oder Giganto-Bildschirme, auf denen CEOs nach Motoroma-Vorbild ihre neuesten Produkte präsentieren. Amelia ist anders. Frank van Meel, Chef der BMW M GmbH, plaudert lässig auf der Bühne des Golfplatzes, während das Tuch von den aufgefrischten X5- und X6-Modellen gezogen wird. Ein paar kurze Infos zu Autos, Markt und Lage – man ist mehr als zufrieden, blickt auf ein Rekordjahr zurück und weiter geht es im Programm. Events wie in Amelia Island als Nachfolger klassischer Automessen sind groß im Kommen. Denn neben den zahllosen Klassikern von Ferrari, BMW, Porsche, Ford oder Alfa Romeo gibt es auf dem Golfkurs von Amelia 2023 immer mehr neue Autos zu bewundern – und die meisten sind elektrisch.

BMW zeigt seinen Luxus-SUV XM, General Motors setzt seinen Hummer EV sommerlich in Szene, lässt die Fans erstmals am Luxusmodell Celestiq schnuppern und Polestar gibt ebenfalls seinen neuesten Elektroautos eine große Bühne mit Show und Testfahrten in der Luxusenklave. Auch wenn sich die Elektromobilität im Sonnenstaat Florida bisher deutlich schwerer als in anderen Regionen der USA tut, geht ohne Stecker bei den neuen Modellen in Amelia Island wenig. Wenn schon nicht rein elektrisch, dann zumindest ein Plug-in-Hybrid wie der BMW XM mit mehr als 650 PS und 80 Kilometer Elektroreichweite.

Die tausende von Besucher des Autofestivals von Amelia Island sind offen, wie es wohl nur Amerikaner sein können. Klassik oder neu, brüllender Verbrenner oder Plug-in-Hybrid, historischer VW Bulli mit Kettenantrieb oder surrender VW ID.4 – unweit der Dünenlandschaft mit Blick auf den nicht immer blauen Himmel gibt es da keinerlei Berührungsängste. Am Tag zuvor der große Porsche-Treff und eine Horde von Tesla-Fans ist von der Golfküste nach Amelia gekommen. Abends wird gegrillt oder man trifft sich im Baxster‘s Steakhouse.

„Mein Sohn hat bald seinen 26. Geburtstag“, sagt der grauhaarige Mann mit Poloshirt, Kappe und Sneaker am Fußgängerüberweg, „wird Zeit, dass ich ihm seinen ersten Ferrari kaufe.“ Der ähnlich bekleidete Wegenachbar blickt verwundert: „Der hat noch keinen?“ Was klingt, wie eine schlecht inszenierte Konversation aus einer Nachmittags-Soap verwundert hier niemanden. Die floridianische Küstenlandschaft ist reich, senior und man kümmert sich fürsorglich um sich selbst und seine Lieben. Gerade noch eine Testfahrt im elektrischen Luxusmodell des Cadillac Lyriq und dann gleich weiter zur Versteigerung bei RM Auctions im Hotel – Berührungsängste aus vorgestern und übermorgen? Fehlanzeige und Schubladendenken ist zumindest in Sachen Auto ein Ding der Unmöglichkeit. Strahlende Klassiker wie Mercedes 300 SL, Porsche 356 oder ein unrestaurierter BMW 507 stehen dicht an dicht neben Neulingen wie McLaren Artura, Lucid Air, Bentley Bentayga PHEV oder Rolls-Royce Phantom.

Gerade wird bei RM Auctions ein blauer Aston Martin DB5 aus dem Jahr 1965 versteigert – für mehr als 1,3 Millionen Dollar. Hier ein Jaguar E-Type, da ein Saab 95 Station Wagon und sogar ein unspektakulärer Porsche Boxster von 2000 wechselt für knapp 40.000 Dollar Besitz und Eigentum. Danach ein entspannter Drink, bevor es ins Abendprogramm geht. Der Regen hat sich zum Glück verzogen und es geht zu Barbecue und Closed-Room-Party eines Luxusherstellers. Schließlich geht es auch darum, Fans als Kunden zu gewinnen und letztlich Aufträge zu schreiben – auch hier zunehmend nicht nur für die Klassiker, sondern eben für die neuen Modelle. Und die haben zumindest auf dem Küstenstreifen nördlich von Jacksonville zunehmend einen Stecker. Elektroantriebe kennen viele ja ohnehin schon länger – von den Golfcarts.

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Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff ist Firmeninhaber und Geschäftsführer von press-inform und press-inform consult. Er ist seit frühester Kindheit ausgemachter Autofan. Die Begeisterung für den Journalismus kam etwas später, ist mittlerweile aber genau so tief verwurzelt. Nach Jahren des freien Journalismus gründete der Jurist 1994 das Pressebüro press-inform und 1998 die Beratungsfirma press-inform consult.

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