„Corona hat die Konzentration auf Zukunftstechnologien wie die Elektromobilität zweifelsohne beschleunigt und damit auch den Wandel der Mobilität“, zitiert das Nachrichtenmagazin Spiegel den Autoexperten Stefan Bratzel in einem Artikel zur aktuellen Lage der Autoindustrie. Der ganzen Branche stehe eine schmerzhafte Schrumpfung bevor, so der Tenor der Analyse: Die Modellvielfalt soll abnehmen, Arbeitsplätze sowie Produktionskapazitäten in den Werken sollen abgebaut werden. Letztere um fünf bis zehn Prozent, schätzt Albert Waas von der Unternehmensberatung Boston Consulting. Mit Auswirkungen bis auf die Zulieferer-Ebene. „Ein Großteil der Unternehmen befindet sich unter einem enormen Anpassungs- und Innovationsdruck“, kommentierte Hildegard Müller, die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), die aktuelle Situation in einem Interview mit dem Handelsblatt.
Noch schlimmer soll es kommen, sollte das Infektionsgeschehen einen weiteren Lockdown erfordern. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sagte zuletzt, dass dann „rund 100.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen dürften“. Deutlich mehr als die bislang kolportierten 20.000 nach den ersten Corona-bedingten Einschränkungen.
Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management der Fachhochschule Bergisch Gladbach sieht allerdings nicht nur Corona als Auslöser der Krise in der Automobilindustrie: Die Branche habe es „in der Vergangenheit versäumt, wichtige Weichenstellungen vorzunehmen“, etwa die Entwicklung innovativer und klimafreundlicher Antriebstechnologien, der Aufbau von Entwicklungs- und Fertigungskompetenzen in der Batterietechnik sowie Konzepten, wie sich künftig mit Autos noch Geld verdienen lässt. „Tesla, Google und andere Internetgrößen geben schon erste Hinweise, wo die Reise hingehen könnte“, sagt Bratzel dem Spiegel zufolge. Die deutschen Hersteller laufen demnach Gefahr, zum reinen Produzenten degradiert zu werden. „Die Zögerlichkeit der Vergangenheit rächt sich jetzt“, so Bratzel.
Die Extremsituation habe aber auch gute Seiten, findet der Experte: Da den Herstellern inzwischen schlicht die Mittel fehlen, um noch weiter herumzulavieren, müssen sie sich den Herausforderungen der Zukunft stellen. Und das am besten so schnell wie möglich.
Quelle: Spiegel – Autoindustrie in der Corona-Krise: Zitternde Riesen