Der VW-Konzern will künftig auf Profitabilität statt auf Masse setzen und sein Modellangebot über alle Marken hinweg deutlich ausdünnen, vor allem im Bereich der Verbrenner-Fahrzeuge. „Das Kernziel ist nicht Wachstum“, sagte Volkswagens Finanzchef Arno Antlitz der Wirtschaftszeitung Financial Times. „Wir konzentrieren uns mehr auf Qualität und Margen statt auf Volumen und Marktanteile“. Der Volkswagenkonzern werde Antlitz zufolge sein Angebot an Benzin- und Dieselfahrzeugen in Europa – das aus mehr als 100 Modellen verschiedener Marken besteht – in den nächsten acht Jahren um 60 Prozent reduzieren. Zudem werde ein Fokus auf eine profitablere Produktion und Premium-Modelle gelegt.
VW steht vor allem wegen des stetig steigenden Erfolgs des US-amerikanischen Elektroautoprimus Tesla unter Druck, der eine deutlich kleinere Produktpalette und damit weniger komplexe Produktionsstrukturen aufweist. Tesla hat nur vier Modelle im Angebot, überflügelt den VW-Konzern bei den Verkaufszahlen aber um ein Vielfaches.
Die neue Strategie von VW ist ein Zeichen für tiefgreifende Veränderungen in der gesamten Automobilbranche, die seit Jahrzehnten versucht, ihre Gewinne zu steigern, indem sie Jahr für Jahr mehr Autos verkauft. Nun versucht es Volkswagen auf eine andere Art, und will mit weniger Fahrzeugen, aber einem Fokus auf Premium-Modelle, seine Margen steigern. Man habe mittlerweile eine deutlich niedrigere Fixkostenbasis und sei dadurch weniger abhängig von Volumen und Wachstum, sagte Antlitz. Dem Konzern sei es gelungen, die Fixkosten von 41 Milliarden Euro im Jahr 2019 früher als geplant um 10 Prozent zu senken und gleichzeitig massiv in die Entwicklung von Software und neue Produkte zu investieren.
Ein durch die Coronavirus-Pandemie verursachter schwerer Chip-Mangel zwang die Autohersteller zuletzt, die Produktion zu drosseln. Dies ermöglichte es Premiummarken wie Mercedes und BMW, mehr für ihre Modelle zu verlangen und 2021 Rekordgewinne zu erzielen, obwohl sie weit weniger Fahrzeuge verkauften. Eine ähnliche Strategie katapultierte VW an die Spitze der Gewinntabelle im deutschen Dax-Index. Das Unternehmen priorisierte teurere Fahrzeuge seiner Marken Audi und Porsche, die den Großteil der Gewinne des Konzerns ausmachen.
Führungskräfte aller drei Autohersteller haben betont, dass diese Praxis auch nach dem Abklingen der Engpässe in der Lieferkette bestehen bleiben wird. „Ich möchte ausdrücklich betonen, dass wir keine Volumenstrategie fahren“, sagte etwa BMW-Chef Oliver Zipse im vergangenen Jahr.
Selbst das mehr als 50 Milliarden Euro schwere Programm von VW in Elektroautos – das größte Investitionspaket seiner Art – würde kein unnötiges Produktionsvolumen mit sich bringen, fügte Antlitz hinzu. „Wir bauen keine Kapazitäten aus, wir überarbeiten Fabrik für Fabrik“, sagte er und verwies auf Werke in Zwickau und Emden, in denen Produktionslinien für Verbrennungsmotoren auf den Bau von Elektroautos umgestellt und Arbeiter umgeschult wurden.
Er verwies auch auf Berechnungen, dass Elektroautos für VW bald genauso profitabel sein würden wie Modelle mit Verbrennungsmotor, die durch die stark steigenden Rohstoffpreise für Batterien aufgrund des Angriffskriegs von Russland auf die Ukraine zuletzt in Frage gestellt worden sind. „50.000 Dollar pro Tonne Nickel wurden nicht grundsätzlich eingepreist, weil wir davon ausgehen, dass der Krieg hoffentlich bald zu Ende geht und dann die Rohstoffpreise wieder etwas mehr zurückgehen werden“, sagte Antlitz. Das Prinzip der über die Zeit sinkenden Kosten für Elektroautos bleibe deshalb „intakt“, zumal neue Batterietechnologien die Preise langfristig senken werden, so der VW-Manager.
Quelle: Financial Times – VW to scrap dozens of models to focus on profitability