Kommentar: Warum der VDA-Plan mehr blockiert als bewegt

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Sebastian Henßler
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Ein Kommentar von Sebastian Henßler


Mit seinem neuen 10-Punkte-Plan für eine klimaneutrale Mobilität gibt sich der Verband der Automobilindustrie (VDA) aufgeschlossen, zukunftsorientiert und engagiert – zumindest auf dem Papier. Man bekenne sich zu den Pariser Klimazielen, betont die eigene Investitionsbereitschaft und ruft nach besseren politischen Rahmenbedingungen. Doch hinter der Fassade des Fortschrittswillens steckt vor allem eines: der Wunsch nach mehr Spielraum – in der Hoffnung, aus ambitionierten Zielen flexible Optionen zu machen.

Schon der Einstieg in das Papier lässt aufhorchen: Die CO₂-Flottenregulierungen seien laut VDA „nicht mit hinreichenden politischen Maßnahmen unterlegt und so nicht zu erfüllen“. Statt Verantwortung zu übernehmen, wird die Schuld auf das Umfeld verteilt. Es wirkt wie ein altbekanntes Muster: Die Industrie hat geliefert – jetzt ist die Politik dran.

Doch der Blick auf die Realität zeigt, dass auch die Hersteller eine Mitverantwortung dafür tragen, dass Elektromobilität trotz massiver Subventionen und öffentlichem Interesse noch nicht flächendeckend angenommen wird. Wer etwa beklagt, dass die Nachfrage nach E-Autos hinter den Erwartungen zurückbleibt, sollte auch offen über die eigenen Versäumnisse sprechen: hohe Preise, oft undurchsichtige Tarifmodelle, zögerliche Kommunikation, fehlende Transparenz bei der Wirtschaftlichkeit.

Dass der VDA nun fordert, die EU solle die Review-Prozesse der Flottenregulierung „auf das Jahr 2025 vorziehen“, ist deshalb weniger Ausdruck von Weitblick als vielmehr Versuch, Zeit zu gewinnen. Die geforderte Einführung eines zweijährigen „Phase-In“ bei Zielwerten ab 2030 sowie die Absenkung von Strafzahlungen für Nutzfahrzeuge passen in dieses Bild. Es geht nicht um Transformation im Sinne des Klimaschutzes, sondern um die Möglichkeit, bei Gegenwind wieder einen Gang zurückzuschalten.

Besonders deutlich wird das auch bei der Diskussion rund um die Ladeinfrastruktur. Diese müsse, so der VDA, „vorauslaufend“ ausgebaut werden – eine Forderung, die im ersten Moment nachvollziehbar klingt. Doch der zweite Blick offenbart: In vielen Regionen ist die Ladeinfrastruktur ihrer Zeit bereits voraus. Das Problem ist nicht ihr Fehlen, sondern ihre geringe Auslastung. Die vorhandenen Ladesäulen könnten deutlich mehr E-Autos bedienen – wenn denn mehr unterwegs wären. Warum aber sind sie es nicht? Weil das Laden oft zu teuer, zu kompliziert und zu intransparent ist.

Auch das ist ein hausgemachtes Problem, bei dem die Industrie mit besseren, konsumentenfreundlichen Angeboten längst hätte vorangehen können – etwa durch attraktivere eigene Ladetarife oder durch eine aktivere Gestaltung des Ladepreisniveaus bei Initiativen wie Ionity. Gerade dort zeigt sich der Widerspruch besonders deutlich: Hersteller, die sich über hohe Strompreise beklagen, sind teils selbst Anteilseigner – und tragen damit Mitverantwortung für genau jene Preismodelle, die sie öffentlich kritisieren. Statt Verantwortung zu übernehmen, wird erneut in Richtung Brüssel gezeigt.

Gleiches gilt für die Rohstoffversorgung. Der VDA fordert, dass die EU „das Netzwerk der Abkommen und Partnerschaften zügig ausbauen“ müsse, um die Versorgung mit Vorprodukten und Materialien sicherzustellen. Doch es wäre zu einfach, hier nur die Politik in die Pflicht zu nehmen. Globale Abhängigkeiten entstehen nicht über Nacht – und sie entstehen nicht ohne Zutun der Industrie. Wer ernsthaft widerstandsfähige Lieferketten aufbauen will, muss eigene Strategien entwickeln, Risiken frühzeitig erkennen und Beschaffungsprozesse diversifizieren.

Kritisch zu sehen ist auch der Vorschlag, Plug-in-Hybride mit großer elektrischer Reichweite (wie groß ist groß?) künftig als Zero Emission Vehicles (ZEV) einzuordnen. Plug-in-Hybride als emissionsfreie Autos zu deklarieren, obwohl sie im Alltag häufig wie klassische Verbrenner genutzt werden, ist ein logischer Widerspruch – und öffnet der Technologieoffenheit eine Hintertür, durch die sich der Verbrenner bequem ins nächste Jahrzehnt retten könnte. Eine klare Unterscheidung etwa zu Elektroautos mit Range Extender, bei denen der Verbrenner lediglich als Energiequelle fungiert, sucht man in dem Papier vergeblich. Wäre dann aber ein Ansatz, den man zumindest ein wenig mehr nachvollziehen könnte.

Nicht minder vage bleibt der VDA bei seiner Forderung, erneuerbare Kraftstoffe regulatorisch stärker zu berücksichtigen. Es wird zwar der Begriff „Carbon Neutral Fuels“ ins Spiel gebracht, doch konkrete Aussagen zu Produktionsvolumen, Marktreife oder Kosten fehlen. Stattdessen wird auf einen „technisch und am Markt umsetzbaren Rahmen“ verwiesen, den die EU-Kommission entwickeln soll. Das Problem: Solange diese Kraftstoffe teuer, ineffizient und nur in geringen Mengen verfügbar sind, helfen sie nicht beim Hochlauf klimaneutraler Mobilität – sie dienen bestenfalls als Argumentationshilfe.

Die Zukunft will gestaltet werden, nicht ausgesessen

Stattdessen könnte die Branche selbst Akzente setzen – etwa, indem sie endlich offensiv über die Gesamtbetriebskosten ihrer E-Autos aufklärt. Studien zeigen, dass Stromer über ihren Lebenszyklus meist günstiger sind als vergleichbare Verbrenner. Doch die Kommunikation dazu bleibt zurückhaltend – vielleicht, weil sie im Neuwagenvertrieb als hinderlich gilt. Dabei wäre Transparenz ein starkes Signal. Auch beim Strompreis zeigt der Finger reflexhaft auf die Politik. Dabei gibt es längst Hersteller-eigene Tarife – allerdings nicht immer attraktiv. Wer sich auf das Henne-Ei-Problem beruft, dass ohne Auslastung keine Preissenkung möglich ist, sollte den Mut haben, mit gutem Beispiel voranzugehen. Beim Thema Roaming könnte indessen durchaus der Finger in die Wunde gelegt und ein wenig mehr Transparenz gefordert werden.

Am Ende fordert der VDA, das Vertrauen in Elektromobilität durch „eine aktive Positivkommunikation“ zu stärken. Doch Vertrauen lässt sich nicht verordnen – es muss verdient werden. Die globalen Wettbewerber stehen längst bereit. Sie brauchen keinen Review-Prozess, keine Phase-In-Klausel und auch keinen Utility Factor. Sie liefern einfach – mit Tempo, Zielstrebigkeit und einer klaren Botschaft: Die Zukunft wird nicht ausgesessen, sondern gestaltet. Wer da nicht mithält, wird nicht abgehängt – er steigt freiwillig aus.


Quelle: VDA – 10-Punkte-Plan für eine klimaneutrale Mobilität

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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