Unterwegs im MAN Lion’s City 10 E

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Wolfgang Gomoll
Wolfgang Gomoll
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Ein funktionierender Öffentlicher Nahverkehr ist unabdingbar, soll die Mobilitätswende gelingen. Der MAN Lion’s City 10 E soll für die Anbindung schwer erreichbarer Gegenden sorgen. Wir haben den Elektro-Bus auf die Probe gestellt.

Bei der Mobilitätswende treibt eine Frage die Menschen um. Was mache ich, wenn ich kein Elektroauto habe und außerhalb der Stadt wohne? Zwar wird das Netz des Öffentlichen Nahverkehrs immer weiter geknüpft. Die Gefahr, durch die Maschen zu fallen, bleibt aber. Vor allem, wenn man in schwer zugänglichen Gegenden wie etwa einem Bergdorf wohnt. Passstraßen mit engen Kehren und schmalen Fahrbahnen sind nicht für jeden Bus geeignet und verursachen bei den Lenkern der großen Fahrzeuge sowie entgegenkommenden Autofahrern nicht selten Schweißausbrüche.

Aus gutem Grund: Oft liegen zwischen einer sorgenfreien Fahrt und einem Fremdkontakt nur wenige Zentimeter. Sich mit einem 18 Meter langen Gelenkbus am Gegenverkehr vorbeizuquetschen, würde vom Fahrer ein Höchstmaß an Konzentration erfordern und wäre an manchen Stellen ohnehin unmöglich. Außerdem ist die Anzahl der Fahrgäste nicht so groß, dass sich der Einsatz eines solchen Gefährts rechnen würde. Schließlich kalkulieren die Busunternehmen und die Kommunen mit spitzem Stift und versuchen zu sparen, wo es nur geht.

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Klar ist aber auch, dass der Wechsel hin zur Elektromobilität auch bei den Öffentlichen Verkehrsmitteln Fahrt aufnimmt. Also muss auch eine Lösung her. Der MAN Lion’s City 10 E ist 10,5 Meter lang und genau für diese Einsätze konzipiert. Das bedeutet aber nicht, dass der Elektro-Bus nicht auch im regulären Stadtverkehr nützlich ist. Schließlich wird auch in den Ballungsräumen der Platz immer weniger und die Verkehrsdichte nimmt zu.

Also haben die MAN-Ingenieure einfach einen MAN Lion’s City 12 E genommen, der schon in den Städten unterwegs sind und ein Modul herausgeschnitten. Das reduziert nicht nur das Gewicht um rund 350 Kilogramm, sondern verringert auch den Wendekreis drastisch: von 21,40 auf 17,23 Meter. Wichtig, wenn es um verwinkelte Ecken gehen soll. Damit das möglich ist, befindet sich die Achse vor der dritten Tür und der Elektromotor (in Fahrtrichtung) hinten links ist mit einer Gelenkwelle verbunden. „Im Prinzip können wir die Achse auch in einem Dieselbus verwenden“, erklärt Heinz Kiess, Leiter Produktmarketing Bus bei MAN. Das spart Kosten, trotzdem muss man für den Lion’s City 10 E rund 490.000 Euro auf den Tisch legen.

In dem MAN Lion’s City 10 E finden bis zu 80 Personen Platz. Bei unserer Bus-Konfiguration sind es 25 Sitzplätze ohne Fahrer, plus 42 Stehplätze. Damit ist der MAN-Mid-Bus ein klassischer Vertreter der Niederflurgattung, wie man sie tagtäglich im urbanen Personentransport vorfindet: Der Boden des Gefährts ist sehr niedrig und daher das Einsteigen für ältere Menschen oder solche mit eingeschränkter Mobilität recht einfach möglich. Diese Bauweise bedingt aber, dass die Batterien und die Klimaanlage auf dem Dach untergebracht sind. Alleine die fünf Akku-Pakete des Lion’s City 10 E wiegen drei Tonnen. Alles andere als ideal für den Schwerpunkt, aber je mehr Fahrgäste an Bord sind, desto effektiver neutralisieren diese den Nachteil.

Die Kapazität von 400 Kilowattstunden soll den MAN-Bus bis zu 300 Kilometer weit bringen. Der Antrieb besteht aus einem permanenterregten Synchronelektromotor (PSM) mit 160 kW / 217 PS beziehungsweise 240 kW / 326 PS Spitzenleistung und einem elektronisch begrenzten (!) Drehmoment von 2100 Newtonmetern. Der Elektrobus erreicht aus dem Stand seine Höchstgeschwindigkeit von 83 km/h nach etwa 35 Sekunden.

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Wir wollen wissen, ob das Konzept auch im Alltag aufgeht und sind mit dem Lion’s City 10 E in den Dolomiten unterwegs, genauer gesagt soll sich das 13,5-Tonnen-Gefährt zum Grödener Joch auf 2136 Meter nach oben schlängeln. Hier finden vor der Kulisse der malerischen Landschaft berühmte Ski-Weltcuprennen wie die Abfahrt auf der Saslong-Piste mit den berühmten Kamelbuckeln und der Riesenslalom von Alta Badia statt. Passend für den anspruchsvollen Härtetest für die Batterien und das Fahrzeugkonzept mit dem kurzen Radstand von 4,40 Metern.

Schon nach wenigen Kilometern wird klar, dass die Kletterpartie keine alltägliche wird. Auf den Straßen wimmelt es von Motorrad- und Fahrradfahren, die von Einheimischen, die jeden Zentimeter des Asphalts kennen, kompromisslos überholt werden. Wir konzentrieren uns auf den Leistungsmonitor und stellen fest, dass der Verbrauch bergauf teilweise bis zu 223,1 kWh/100 Kilometer beträgt. Gut das Zehnfache eines gewöhnlichen Elektroautos.

Die Kletterei stellt auch den Busfahrer vor neuen Herausforderungen. Da jede kleine Bewegung des Gaspedals sofort in einer Aktion resultiert, ist ein feinmotorischer rechter Fuß gefragt, sollen die Passagiere nicht ständig unfreiwillig nicken. „Wir haben die Kennlinie des Gaspedals so eingestellt wie bei einem Diesel-Bus“, erklärt Produktexperte Stephan Rudnitzky. Wir freuen uns, dass die Fahrt sehr geschmeidig vonstattengeht. Ganz ohne ist der Lion’s City 10 E nicht. Aufgrund des kurzen Radstandes ist der hintere Überhang sehr lang und man muss beim Rangieren aufpassen.

Der Vorteil dieses Konzepts zeigt sich in den engen Windungen des Asphaltbandes, das sich den berühmten Berg hoch windet. Der E-Bus schafft jede Kehre problemlos und man muss nicht ein Mal zurücksetzen. Auch der hohe Schwerpunkt stellt kein großes Problem dar. Sobald sich Fahrgäste im Bus befinden, gleichen die das Manko zu einem guten Teil wieder aus. Das zusätzliche Gewicht der Menschen spielt auch bei der Leistung keine Rolle. Die ist im Überfluss vorhanden und das System passt einfach die Power auf die neuen Parameter an.

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Jetzt sind wir auf der höchsten Stelle der Tour, dem Rifugio „Passo Valparpla auf 2168 Metern angekommen. Der Verbrauch beläuft sich auf 176,1 kWh / 100 km und der Ladezustand der Batterie beträgt noch 54,8 Prozent. Zum Vergleich: Je nach Fahrer braucht ein Dieselbus auf dieser Strecke rund 35 l/100 km. Ab jetzt geht es fast nur noch bergab, Zeit für die zweite Königsdisziplin des Personentransporters – das Rekuperieren. Maximal schaufelt die Technik bis zu 240 kWh / 100 km in die Energiespeicher zurück – genau die Maximalleistung des Motors. Erfahrene Fahrer nutzen das und kommen auf dem Weg ins Tal fast ohne den Einsatz der klassischen analogen Bremse aus. Das klappt auch bei unserer Fahrt.

Auf dem Weg ins Tal fließen teilweise genau diese 240 Kilowatt zurück in die Batterie. Durch diese effektive „Motorbremse“ gehört auch das gefährliche Überhitzen des lebenswichtigen Bauteils Bremse der Vergangenheit an und aus einer Schwäche ist eine Stärke geworden. Wir kommen nach 165,6 km Kilometern am Ziel unserer Reise an, der Verbrauch hat sich auf 77,2 kWh / 100 km verringert. Das entspricht dem einer Dienstfahrt durch die Stadt. Die Batterie ist noch zu 47,6 Prozent gefüllt und die Rekuperationsrate beträgt 50 Prozent. Beachtlich.

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Wolfgang Gomoll

Wolfgang Gomoll

Wolfgang Gomoll beschäftigt sich mit dem Thema Elektromobilität und Elektroautos und verfasst für press:inform spannende Einblicke aus der E-Szene. Auf Elektroauto-News.net teilt er diese mit uns. Teils exklusiv!

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MMM:

Ich muss mich übrigens selbst korrigieren (sonst glaubt ihr das noch):

 Also: bei 200 km/h ist die mögliche Rekuperationsleistung achtmal so hoch wie bei 50 km/h.

Das stimmt natürlich nicht. Wenn die Geschwindigkeit (200/50) 4x so hoch ist und mit ihrem Quadrat in die kinetische Energie eingeht, muss es natürlich 4² = 16 heißen – nicht 8.

Mea culpa!

MMM:

Du redest leider auch Unsinn.
240 kW ist die Maximalleistung des Motors, damit ist es auch die Maximalleistung für die Rekuperation. Die wird außerdem noch von der Fähigkeit des Inverters begrenzt, Energie in die Batterie einzuspeisen – und schließlich noch von der Fähigkeit der Batterie, die Energie dann auch aufzunehmen.
Wenige Autos können in der Spitze so viel rekuperieren wie dieser Bus. Bei vergleichbaren Geschwindigkeiten kann das kein einziges Auto auch nur annähernd. Dass so ein Taycan noch mehr rekuperieren kann, liegt (neben der grundsätzlichen Auslegung auf die Leistung) vor allem an den deutlich höheren Geschwindigkeiten, weil die kinetische Energie mit dem Quadrat der Geschwindigkeit wächst. Also: bei 200 km/h ist die mögliche Rekuperationsleistung achtmal so hoch wie bei 50 km/h. Für die vollen 270 kW muss der Taycan beinahe 250 km/h fahren (und dann bremsen/rekuperieren), und rekuperiert mit der maximalen Leistung dann… wenige Sekunden, denn: nach einigen Sekunden ist so viel Geschwindigkeit abgebaut, dass die Rep-Leistung schon bald in den zwei-stelligen Bereich gefallen ist.
Das Auto wiegt auch deutlich über 2 Tonnen, und das Gewicht geht nur proportional in die Gleichung ein… klingelt da was?
Du kannst dir – mich wundert, dass DU das nicht kennst – auch mal ein Video mit Bloch ansehen. Der hat das mit einem Taycan und einem Fiat 500 mal in den Alpen gemacht, begleitet von Porsche (von dem Porsche-Ing. ist auch die Aussage oben, bei welchen Geschwindigkeiten mit welcher Leistung rekuperiert werden kann). Da sieht man auch: selbst mit „270 kW“ braucht man beim Bremsen aus 30 oder 40 km/h manchmal die hydraulische Bremse. Offensichtlich ist das gar nicht so einfach mit 1/2 mv² zu lösen.

Kann man übrigens auch nachrechnen, was so ein Bus bei der Abfahrt an Energie zurückgewinnen könnte. Physik Mittelstufe.

Habe ich überschlägig gemacht und schätze, dass 2/3 der Leistung in die Bremse gegangen sind.

Teile deine Rechnung doch mal mit uns. Ich bin gespannt (was alles fehlt).
Es passt ja auch nicht zur Aussage:

Erfahrene Fahrer nutzen das und kommen auf dem Weg ins Tal fast ohne den Einsatz der klassischen analogen Bremse aus. Das klappt auch bei unserer Fahrt.

Die Rekuperationsrate lag bei 50% – also sind 50% der Antriebsenergie wieder zurück in die Batterie geflossen. Neben den unvermeidlichen Verlusten durch Luftwiderstand, Rollreibung und Walkarbeit in den Reifen – und dem Wirkungsgrad des kompletten Antriebsstranges (u.a. Batterie, Inverter, Motor, Getriebe) – der gleich 2x. Wo sollen denn da die „2/3“ herkommen, von denen du redest? 50% ist auch kaum schlechter als das, was der Taycan im Test abgeliefert hat – und der hat ein doch deutlich besseres Leistungsgewicht…
Und welchen (auch finanziellen) Aufwand soll man jetzt betreiben, um ein paar wenige % noch zusätzlich zu gewinnen?

Du schreibst durchaus auch mal gute Beiträge, aber manchmal greifst du auch daneben.

Roman L.:

Wo bist du eig anzutreffen bzw. kann dich persönlich kennen lernen? Das Verfassen der Kommentare muss ich mir echt mal live geben :-D

Marc:

Leute, was ist das für ein Niveau? Nein, die Technik „schaufelt“ nicht „bis zu 240 kWh / 100 km“ in die Energiespeicher zurück. Entweder du gibst die Leistung an, das wären bis zu 240 kW oder gibst an, wieviele kWh so während der Talfahrt zurückgewonnen wurden, das wären vermutlich etwa 25 kWh gewesen.

Damit ist auch klar, es klappte nicht, ohne „analoge Bremse“ auszukommen. Denn 240 kW ist eine für so ein spezialisiertes Fahrzeug miserable Rekuperationsleistung und reicht nicht für eine vollständige Verzögerung. Nur um das einzuordnen: Es gibt so einige PKW, die mehr Rekuperationsleistung haben. PKW mit 2,5t wohlgemerkt statt dieses Busses mit 13,5t Gewicht. Kann man übrigens auch nachrechnen, was so ein Bus bei der Abfahrt an Energie zurückgewinnen könnte. Physik Mittelstufe.

Habe ich überschlägig gemacht und schätze, dass 2/3 der Leistung in die Bremse gegangen sind.

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