Weshalb Unternehmen ihre Flotten elektrifizieren – und weshalb nicht

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Daniel Krenzer
Daniel Krenzer
  —  Lesedauer 5 min

Viele gute Gründe sprechen inzwischen dafür, die eigene Unternehmens-Nutzfahrzeugflotte zu elektrifizieren – vor allem wirtschaftliche. Dennoch scheuen viele Unternehmer aktuell noch diesen Schritt. Wir haben uns unter anderem bei Spediteuren umgehört, was die Gründe für die eine oder die andere Entscheidung sind und wo auf dem Weg zur vollständigen Elektrifizierung die größten Hürden lauern.

Die Elektromobilitätssparte des Energieversorgers Lichtblick hat kürzlich Spediteure zu einem Austausch am eigenen Standort in Würzburg geladen. Geschäftsführer der Lichtblick eMobility GmbH, Sebastian Ewert, sagte dabei: „Vor zehn Jahren war ich selbst noch davon überzeugt, dass der E-Lkw sich niemals durchsetzen wird. Aber irren ist menschlich.“ Er sei davon überzeugt, dass sich das Thema inzwischen weg von einem ideologischen hin zu einem wirtschaftlich lukrativen entwickelt habe. „Die Maut ist ein riesiger Hebel. Schon ab 2027 wird ein Diesel-Lkw in der Gesamtbetrachtung deutlich teurer sein als ein Elektro-Lkw“, sagte Ewert. Wer heute mit Weitsicht neue Fahrzeuge anschafft, der komme kaum um Elektrofahrzeuge drumherum. Außerdem ist sich Ewert sicher: „Sie müssen nicht auf die Brennstoffzelle im Lkw warten, das wird es auf dem Massenmarkt nicht geben.“

Um den Kostenvorteil voll auszuschöpfen, sei aber eine passende Skalierung der eigenen Ladeinfrastruktur zwingend erforderlich. Oft gingen Unternehmen von deutlich höheren Bedarfen aus, als tatsächlich bestehen, was zu jährlichen Mehrkosten in der Größenordnung von 500.000 Euro führen könnte. „Ziehen Sie für die Planungen des Depotladens bitte unbedingt Experten hinzu“, richtete Ewert sich an die Besucher. Oft reichen seiner Erfahrung nach Ladepunkte mit jeweils 50 bis 80 kW sowie gegebenenfalls einzelne mit höheren Ladeleistungen völlig aus.

Sogenanntes Megawattcharging mit Ladeleistungen von 1000 kW und mehr sei indes in Depots fast nie sinnvoll. Denn wer einen schwächeren Netzanschluss benötigt, spart eine Menge Geld. „Nutzen Sie die Überschüsse der Photovoltaik und laden Sie Ihre Fahrzeuge mitunter kostenlos übers Wochenende auf“, ermutigte Ewert seine Zuhörer und sagte zudem: „E-Lkw sind ohnehin meistens wirtschaftlich sinnvoller, wenn dann noch eigene Photovoltaik ins Spiel kommt, dann wird dieser Vorteil umso größer.“

Allgemeingültige Kostenrechnung kaum möglich

Das wissen offenbar auch die meisten der anwesenden Spediteure bereits. Dennoch hat noch nicht jeder von ihnen die Elektrifizierung in letzter Konsequenz vorangetrieben. Sorgen bereitet zum Beispiel das öffentliche Laden, wenn das Laden nicht vollständig an den eigenen Standorten umsetzbar ist. Hierzu gibt Ewert zu: „Ohne Depotladen ist es derzeit nicht trivial.“ Doch sowohl das Angebot als auch die Ladepreise werden sich seiner Einschätzung nach mittelfristig in einem annehmbaren Rahmen einpendeln. Für das öffentliche Laden rechnet Ewert mit einem mittelfristigen Preis von unter 0,40 Euro pro Kilowattstunde, mit Depotladen seien Durchschnittswerte von 0,25 Euro oder noch deutlich darunter möglich.

Das Nadelöhr und somit der Verhinderer ist bei vielen jedoch der Netzbetreiber. Selbst wenn der Bedarf des Netzanschlusses seriös kalkuliert wurde, stehen die Netzbetreiber den Unternehmen oft nur einen Teil des beantragten Anschlusses auch tatsächlich zu – mehr geben die Stromnetze oft nicht her.

Unternehmen, die sich nicht bereits intensiver mit der Materie beschäftigt haben, stehen zudem oft vor dem Problem, die zu erwartenden Kosten einer Elektrifizierung schwer mit denjenigen vergleichen zu können, die einen Verbleib bei Verbrennern mit sich bringen würde. Zwar lassen sich Maut, Steuern und Treibstoffkosten sparen, zudem bringt ein möglichst elektrifizierter Fuhrpark mitunter erhebliche Vorteile bei der Erfüllung von EU-Regularien, was indirekt ebenfalls wieder Geld einspart. Doch auf der anderen Seite stehen höhere Anschaffungskosten für die E-Lkw sowie die Investition in Ladeinfrastruktur und gegebenenfalls in Photovoltaik.

Rechnungen für die Total Cost of Ownership (TCO) zeigen, ab wann sich eine Elektrifizierung voraussichtlich lohnen wird. Doch Unternehmen, die dafür allgemeingültige Musterrechnungen suchen, werden diese schwerlich finden. „Die Faktoren sind dermaßen individuell, das lässt sich nicht mit Musterbeispielen abbilden“, sagt Markus Häp, Geschäftsführer der Hymes GmbH, die wie zahlreiche andere Experten Ladeinfrastrukturprojekte bei Unternehmen umsetzt. Für die Ermittlung individueller TCO-Berechnungen kooperiert Häp mit Volvo Trucks, die anhand konkreter Fahrprofile inklusive der Berücksichtigung unter anderem von Beladung und Topographie und den zu erwartenden Kosten für Depot- und öffentliches Laden ermitteln, ob und wann sich eine Elektrifizierung lohnt. „Früher oder später ist das bei den allermeisten Unternehmen der Fall“, stellt Häp fest.

Stromnetz ist oft die größte Hürde

Zumindest eine Größenordnung des Einsparungspotenzials liefern Berechnungen von Thomas Mertens, Energieexperte und Vorstandsmitglied im Bundesverband Beratung neue Mobilität e.V. (BBNM). „Pro Sattelzugmaschine mit einer durchschnittlichen Fahrleistung von 120.000 Kilometern im Jahr können jährlich mehrere Zehntausend Euro Betriebskosten eingespart werden, wenn auf Depot-Laden und vernetztes Laden gesetzt wird“, sagt Mertens. Denn wer auf längeren Strecken nicht an eigenen Standorten laden kann, der kann vielleicht in gemeinsamen Lade-Hubs oder an Standorten von Partnern günstig den Fahrzeugakku wieder auffüllen. Wer sich geschickt anstellt, hat die Mehrkosten für den Kauf sowie den Aufbau der Ladeinfrastruktur schnell refinanziert.

Allerdings agieren viele Unternehmen trotz der wirtschaftlichen Vorteile noch zurückhaltend – oft aus der Verunsicherung heraus, ob die heute absehbaren Rahmenbedingungen denn in wenigen Jahren immer noch Bestand haben werden. Oder anders formuliert: Selbst Unternehmen, die angesichts der finanziellen Chancen technologieoffen zur Elektromobilität tendieren, scheuen diesen Weg aktuell noch, weil die Politik vermeintliche „Technologieoffenheit“ propagiert und damit Technologieungewissheit verursacht. Was den Unternehmen auf ihrem Weg wirklich helfen würde, sind nicht Wunschträume von regenerativen Kraftstoffen, sondern vielmehr die Ertüchtigung der Stromnetze, um der Wirtschaft im eigenen Land die finanziellen Chancen einer Fuhrparkelektrifizierung auch flächendeckend zugänglich zu machen.

Transparenz-Hinweis: Unser Redakteur Daniel Krenzer unterstützt den BBNM sowie einige seiner Mitglieder – wie die Hymes GmbH – bei der Pressearbeit. Der fachliche Austausch im Zuge dieses Artikels ist jedoch nicht Teil dieser Zusammenarbeit, sondern erfolgte einzig redaktionell.

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Daniel Krenzer

Daniel Krenzer

Daniel Krenzer ist als studierter Verkehrsgeograf und gelernter Redakteur seit mehr als zehn Jahren auch als journalistischer Autotester mit Fokus auf alternative Antriebe aktiv und hat sich zudem 2022 zum IHK-zertifizierten Berater für E-Mobilität und alternative Antriebe ausbilden lassen.

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