Eine Zeitlang sah es so aus, als führe am E-Auto kein mehr Weg vorbei. Landauf, landab rollen meist dicke und noch dickere Batterie-Brummer von den Bändern, und in der Politik herrscht der Wunsch vor, dem Verbrenner so bald wie irgend möglich den Zylinderkopf abzuschlagen. Mittlerweile jedoch gerät der Wandel ins Stocken. Es gebricht an Ladesäulen, Halbleitern – und seit dem russischen Überfall auf die Ukraine wird Strom teurer und teurer. Nur schön ist eben auch die neue Elektro-Welt nicht. Wie also soll er aussehen, der ideale Antrieb der Zukunft?
Dieser Kampf der Konzepte hat längst auch den Rallyesport ergriffen. Kolben-Triebwerke gelten als verlässlich und vortriebsstark, sind aber aus Klimagründen schwer angezählt. E-Gefährte überraschen mit starker Perfomance, erfordern aber hohen Aufwand in Sachen Sicherheit und Kabelanschluss. Womöglich deshalb hat man in der WM für 2022 erst einmal den Mittelweg gewählt: Hybrid-Technik plus ein nachhaltiger Mix aus E-Fuel und Bio-Sprit.
Dem schon rund 380 PS starken Turbo-Aggregat verhelfen 100 kW zurückgewonnener Bremsenergie temporär zu einer Art Doppel-Wumms. Das knapp 90 Kilo schwere System hat die Abmessungen eines Benzintanks und sitzt, von einer Carbon-Hülle geschützt, tief unten vor der Hinterachse. Um die 15 Kilometer sind rein elektrisch drin. Genug, um Fahrten im Servicepark oder an sensiblen Punkten von Verbindungsstraßen rein elektrisch zu absolvieren.
Kleine Kröte für die aktuell drei in der WM vertretenen Hersteller: Die Einheit aus E-Motor und Generator kommt für alle identisch von der Starnberger Schaeffler-Tochter Compact Dynamics, die auch die Formel 1 beliefert. Deren Erkenntnisse wie Thermo-Management, Stromflüsse und maximale Power fließen eher früher als später auch in Alltags-Akkus ein. Ab 2025 dürfen die Teams dann auch auf eigene Komponenten setzen.
Leiden muss die Hybrid-Technik wie sonst in einem ganzen Autoleben. 13 Läufe auf vier Kontinenten umfasst die WM, auf Schotter, Asphalt, Eis und Schnee, bei minus 20 bis plus 40 Grad – ständig droht irgendwo Ungemach. Nicht ohne Grund besagt die älteste Weisheit des Motorsports, dass man erst im Ziel sein muss, um Erster im Ziel zu sein. „To finish first – first you have to finish.“
Beim Toyota-Werksteam von Gazoo Racing haben sie all das am besten im Griff. Zwei Läufe vor Schluss bereits stand Kalle Rovanperä mit 22 Jahren als jüngster Weltmeister aller Zeiten fest, am vergangenen Wochenende fuhr die Truppe um Teamchef Jari-Matti Latvala bei der Rallye Spanien auch noch den begehrten Hersteller-Titel ein. Dieser Doppelsieg hat ganz sicher mit den Könnern am Lenkrad zu tun, mit der richtigen Strategie – womöglich aber auch sehr viel damit, dass ungeachtet des weltweiten Elektro-Rummels der Hybrid bei Toyota seit seligen Prius-Zeiten stets seine Heimstatt behielt.
Auch in der Langstrecken-WM setzen die Japaner als einziges Team der laufenden Saison auf Stromes Stütze. Höchst erfolgreich auch hier. Gazoo Racing gewann überlegen die 24 Stunden von Le Mans und liegt vor dem letzten WEC-Lauf in Bahrain auf Titel-Kurs. Rund um Firmen-Boss Akio Toyoda glauben sie eben im Sport wie in der Serie an das steckerlose Doppelherz. Der Grund: Bis es in Indien, Afrika oder Südamerika ausreichend Ladesäulen gibt, dürften wohl noch Jahrzehnte vergehen.
Apropos Serie: Selbstverständlich sieht der R1-Yaris allenfalls so ähnlich aus wie sein ziviles Pendant. Für die breiteren Räder braucht es wuchtigere Kotflügel, für mehr Luft größere Einlässe, für schnelleres Schalten ein sequenzielles Getriebe und für beste Straßenlage einstellbare Dämpfer zum Preis eines Kleinwagens. Die Fahrgast-Zelle ist eine im Wortsinn. Mehr als Überrollkäfig, Schalensitze, Feuerlöscher und Sechspunkt-Gurte sind nicht zu finden. Performance rangiert eindeutig vor Gemütlichkeit.
Die Verluste auf Wertungsprüfungen sind hoch. Die Zahl der geplatzten Träume auch. Zwischen Start und Ziel spielen sich bei jedem Team kleinere und größere Dramen ab. Mal verabschiedet sich ein Reifen, mal der Öldruck, mal der Strom. Manchmal auch das ganze Auto. Und also hat Toyota – wie auch die anderen – seine eigene Welt aufgebaut. Ausgepackt aus diversen Sattelzügen. In weniger als einem Tag wächst aus dem Nichts eine Werkstatt. Genauso schnell wird sie später wieder verladen sein.
Mittendrin: eine Spezialisten-Truppe, die blind jedes Teil am Auto kennt. Die in weniger als zehn Minuten ein Getriebe wechselt und, wenn’s sein muss, einen Haufen Schrott fahrfertig dengelt, noch bevor den Zuschauern im Service-Park der Kaffee kalt wird.
Natürlich haben sie bei Gazoo Racing in Köln und Jyväskylä lange davor lange überlegt. Wo welche Leitungen laufen müssen, damit hinterher nichts im Weg ist. Wie man mit möglichst wenig Schrauben auskommt und mit möglichst wenig Werkzeug. Und wie man es macht, dass jeder Handgriff sitzt. Reparatur nach Choreographie. Hunderte Male geübt. Dieses Jahr neu: gelbe Gummihandschuhe. Bei 750 Volt hört der Spaß nämlich auf.