Deutschland steht nicht gut da. Nicht, wenn man sich die Klimabilanz im Verkehrssektor genauer anschaut. Seit rund zwei Jahrzehnten bleiben die bedrohlichen CO2-Ausstöße dieses Bereiches am gleichen Niveau. Zwar ist vorauszuschicken, dass der Fokus auf den Verkehrssektor zu kritisieren ist: Es gibt auch andere Bereiche, die genauso zur Klimabilanz beitragen. Über diese wird aber vergleichsweise wenig gesprochen. Der aufmerksame Beobachter stellt sich schon längst die Frage nach dem Grund und wird auch profunde Thesen liefern können. Das ändert aber nichts an der Notwendigkeit, sich den Lösungsansatz der THG-Quote genauer ansehen zu müssen.
Zur Wiederholung: Warum sind wir gefordert?
Ja, es gibt natürliche CO2-Ausstöße, die nicht menschgemacht sind. Und zwar überwiegend. Diese CO2-Mengen bauen unsere Wälder und Pflanzen auch ab. Es ist ein Austausch, die Photosynthese. Einer klare, ausgewogene Bilanz. In Anteilen ist der hausgemachte Überschuss vergleichsweise gering. Trotzdem sammelt und summiert er sich in der Sphäre und kann nicht abgebaut werden.
Klar ist, dass beim Straßenverkehr Treibhausgas eingespart werden muss. Die Politik entscheidet, wie. Die Treibhausgasminderungsquote ist ein Produkt der Ideensammlung und nicht zuletzt Konsequenz des Wählerwillens. Der Straßenverkehr setzt sich aus allen Wählerschichten zusammen. Es trifft kaum eine Partei mehr oder weniger als eine andere. Zumindest oberflächlich betrachtet: Der Straßenverkehr ist nicht nur für den Halter eines Fahrzeugs wichtig. Er ist auch Basis für viele Industriezweige. Wir müssen daher aufpassen, dass die Entscheidungen tatsächlich im Gemeinwohl liegen und nicht den einen oder anderen mehr benachteiligen als einen anderen. Und Mobilität muss leistbar bleiben. Der Individualmobilität hingegen scheint es an den Kragen zu gehen, immerhin zieht jede mit Öffis gesparte Fahrt zu 100% in die Bilanz ein – wobei freilich die öffentlichen Verkehrsmittel selber ebenfalls betrachtet und umgerechnet werden können. Aber nichts spart so viel wie ein Auto, das ganz herausfällt.
Die Strategie hat der THG-Quote trifft jeden gleichermaßen und hat es nicht zum Ziel, einzelne Personen oder Unternehmen übermäßig weh zu tun. Also eine runde Sache.
Der Bundestag hat also 2021 ein Gesetz geschaffen. Eigentlich schon im Jahr 2015 und dieses hatte auch ihre Vorläufer. Sinn und Zweck dieser marktbasierten Idee war es, die Verwendung von mehr Erneuerbaren Energien im Straßenverkehr einzubringen. Eine ähnliche Stoßrichtung hatte der Quasi-Vorgänger: die Biokraftstoffquote. Das Problem an ihr war die relative Sinnlosigkeit des Unterfangens – warum das so war, wird unten aufgezeigt.
Die aktuelle Gesetzesneuerung sollte höhere Effektivität erwirken. Das Ergebnis lässt sich nun ganz einfach an der konkreten Einsparung pro Unternehmen anhand der eigenen Emissionen abmessen und überprüfbar machen. Das Gesetz richtet sich an die Mineralölunternehmen. Es schreibt ihnen vor, welchen Anteil die Erneuerbaren haben müssen.
Die Unternehmer haben mehrere Möglichkeiten zur Erfüllung ihrer Quote – inwieweit betriebswirtschaftliche Ziele dem Ziel vorgehen dürfen, bietet ihnen die Politik – noch – „Luft“. Noch. Faktisch werden sie auf zwei Optionen reduziert: Das ist einerseits der direkte Verkauf emissionsärmerer Quellen. Dazu kommen Biodiesel und Bioethanol in Frage. Sehen wir uns also diese beiden Produkte genauer an:
- Biodiesel (B7)
Zunächst handelt es sich dabei um keinen anderer Diesel als auch sonst. Den Unterschied macht die Beimischung bis zu einem Anteil von 7 %. Der Diesel wird praktisch „gestreckt“. Die Beimengung wird durch eine besondere chemische Reaktion erzeugt und stammt aus anderen Quellen. Der wichtigste Punkt erscheint die biologische Abbaubarkeit zu sein, welche diesem Anteil zugutekommt. Das war aber auch alles: Bereits um die Jahrtausendwende setzte deshalb ein Hype ein, der allerdings aufgrund der konkreten Produktion zu vermehrten Waldrodungen und sohin die Sache ad absurdum führte. Die Verwendung von Alligatorenfett und Hühnerteilen waren auch nicht jedermann bewusst.
Seinen Höhepunkt in Deutschland hatte der „Biodiesel“ im Jahr 2007, als 7 % erreicht wurde. Die Landnutzungsänderungen schlugen bei der Klimabilanz besonders negativ zu Buche. Warum also der Anteil erhöht werden solle, ohne dass eine entsprechende Regulierung zur Gewinnung damit einhergeht, ist an dieser Stelle einmal nicht nachvollziehbar.
Das hat der Gesetzgeber in seiner neuesten Novellierung berücksichtigt und Landnutzungsänderungen stark eingeschränkt.
- Bioethanol
Eine Bezeichnung, die tatsächlich Wellen schlägt – zu Recht? Kaum ein Mineralölkonzern rühmt sich nicht des Einsatzes von Bioethanol wegen. Auch dieser Stoff wird den Kraftstoffen zum Betrieb der Fahrzeuge beigemengt, und zwar bis zu einem Ausmaß von 5 %. Es wird deshalb E5 genannt.
Tatsächlich handelt es weltweit sich um das einzige, was Benzin beigemengt werden kann und darf. Beim Superplus Benzin in Deutschland ist die Beigabe bis zu 10 % Ethanol erlaubt. Deutsche kennen das Gemisch als „Super E10“. Dabei handelt es sich um eine wirklich bedeutsam gewordene Alternative, die Sinn macht. Es sind jedoch in quantitativer Hinsicht eben nur Anteile und diese helfen nur in ebendiesem Ausmaß.
THG-Quote oder was bleibt den Firmen sonst noch übrig?
Der Klassiker: Zukauf von THG-Quoten anderer. Zunächst schwingt bei dieser Vorstellung der Hauch von Sinnlosigkeit mit. Allerdings: Auch hier muss man sich die Sache bis ins letzte Detail ansehen, damit man sich ein Urteil bilden kann. Für diesen Zukauf kommen Erwerbe von Ladesäulenbetreiber und eben Bioethantankstellenbetreiber in Frage. Man muss weder Statistiker, noch besonders intelligent sein um zu sehen, dass diese Handlungsschiene auch nicht zum gewünschten Erfolg führen kann. Nur das Ziel, keine Strafen bezahlen zu müssen, klappt fürs Erste.
Die Quotenregelung bietet trotzdem mehr, als es an dieser Stelle den Anschein hat: Die Firmenbosse tüfteln, wie es weitergeht und wie das auf Dauer zu lösen sein wird. So wird die Forschung interessant, es werden schlaue Köpfe bezahlt. Die Politik und der Konsument blicken ihnen über die Schulter. Der Zukauf von Quoten kostet und erhöht die Preise, die Konsumernten sparen mehr. Der Umstieg selber wird für die Unternehmen plötzlich interessant, folglich auch für die Aktionäre. Auch sie wollen auf die sichere Seite. Ein neues System hat sich dazu etabliert:
Der Quotenmarkt
Das Angebot an sinnvollen Quoten im „Treibhausgas-Sektor“ ist logischerweise beschränkt. Das bedeutet zugleich eine gewisse Marktmacht. Wer mitmischt, bestimmt den Preis – andere sind draußen. Wer will das also nicht? Helfer-Unternehmen für kleinere Anbieter haben sich längst gegründet und bündeln ihr Know-How für solche, die plötzlich Großhandelspreise erzielen können. Quotenerhöhungen bewirken ihrerseits einen Preisschub – nach oben. Die Erkenntnis, dass Biodiesel & Co nichts anderes als ein Bio-Schmäh waren, der nicht mehr zieht, wirkt sich aktuell noch immer aus und befeuert das Wachstum der letzten Option. Erhöhungen der Pönale und einiges mehr lassen den Anbietern und Aktionären den Kopf rauchen, wie auch ihr „Produkt“ noch weiter wachsen könne.
2021 war es wieder einmal so weit und der „Quotenmarkt“ erhielt seinen Booster. Im Mai wurde die Gesetzesreform auf ihre Beine gestellt. Als wirklich sinnvoll ist die zwingende Reduktion der Futter- und Nahrungsmittelproduktionen zu beurteilen, die nur mehr bis zu einem gewissen Grad angerechnet werden. Auch interessant ist die Entwicklung, demnach nicht mehr der Stromlieferant, sondern der Betreiber der Ladestationen bedeutsamer wird. Damit ergeht eine Machtverschiebung einher, die nachhaltig wirkt.
Booster der anderen Art: Was sagt die Bundesverfassung?
Die Bundesverfassung sagt hier dasselbe, wie bei allen anderen Lebensbereichen auch: Schmäh-Gesetze gehen nicht. Man kann keine Ziele per Gesetz verfolgen, wenn das Gesamtkonzept nicht aufgeht und nicht einmal aufgehen kann. Zumindest dann nicht, wenn verfassungsrechtlich geschützte Werte am Spiel stehen: Grundrechte. Und hier hat der Gesetzgeber eine Schutzpflicht zu erfüllen. Dazu bedarf es einiger Ausführungen:
Nehmen wir das Recht auf Leben, welches u.a. in der Europäischen Menschenrechtskonvention aber auch in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschützt wird, als Beispiel: Ein Staat, der keine Strafgesetze und Strafgerichte schafft und erhält, handelt menschenrechts- bzw. unionrechtswidrig. So weit, so bekannt. „The Purge“ und ähnliche Events können bei uns also erst gar nicht angedacht werden. So werden ganz nebenbei auch die künftigen Generationen sozialisiert, derartiges erst gar nicht anzudenken. Auch indirekt geht das nicht. Ein Gesetz, das zu sehr verwässert wurde um sein Ziel zu erreichen, entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Der Klimawandel stellt zurzeit die größte Gefahr dar und längst haben sich Widersacher zu sinnvollen Gegenstrategien organisiert und haben ihre Fürsprecher in Gesellschaft und Politik verankert.
Am 29.04.2021 hat der Verfassungsgerichtshof für Deutschland eine strenge Grenze gezogen: Wer sein Gesetzesvorhaben nicht zu Ende denkt, wie in der teilweise aufgehobene Novelle, handelt nicht verfassungskonform. Die Politik muss also weiter denken als bis 2030, wenn das wissenschaftlich nachweisbar erforderlich ist. Wie weit die Treibhausgas-Quote dazu beitragen kann, bleibt ohnehin offen. Klar ist, dass sie sinnvolle Ansätze beinhaltet. Klar ist auch, dass derjenige, der sinnvolle Maßnahmen findet, ein praktikables Beispiel für allen andere wird. Genauso klar ist, dass derartige Entscheidungen einen Booster der besonderen Art darstellen werden.