Der Markt für Elektroautos in Indien befindet sich in einer Übergangsphase. Nach Jahren mit starken Wachstumsraten hat sich das Tempo im vergangenen Jahr spürbar verlangsamt. Der Grund liegt vor allem im Auslaufen staatlicher Kaufanreize, die zuvor große Teile des Marktes getragen hatten. Seit März 2024 ersetzt das neue Electric Mobility Promotion Scheme (EMPS) das bekannte FAME-II-Programm. Während FAME II auf breite Förderung setzte, liegt der Schwerpunkt des EMPS auf Zwei- und Dreirädern. Pkw profitieren kaum noch. Die Regierung verfolgt damit das Ziel, die Branche unabhängiger von Subventionen zu machen. Bis 2026 sollen direkte Zuschüsse schrittweise verschwinden. Hersteller sind damit gefordert, durch eigene Investitionen und Kostensenkungen wettbewerbsfähig zu bleiben.
Trotz der geringeren Unterstützung konnten die Verkäufe im Jahr 2024 um 18,8 Prozent auf 99.004 Einheiten steigen. Für 2025 wird ein weiterer Sprung auf rund 138.600 Autos erwartet. Das Wachstum verteilt sich allerdings ungleich. Der Süden und Westen Indiens treiben den Markt an, gestützt durch regionale Förderprogramme und Investitionen in Ladeinfrastruktur. Karnataka und Telangana erreichten zusammen mehr als die Hälfte der Verkäufe im Süden, während Maharashtra den Westen dominiert. Im Norden spielte Delhi eine zentrale Rolle, unterstützt von großzügigen Steuerbefreiungen.
Tata Motors führt E-Autoabsatz in Indien an
Bei den Herstellern bleibt Tata Motors mit über 61.000 verkauften Autos klar an der Spitze. Die Modelle Punch, Tiago und Nexon belegen die ersten Plätze der landesweiten Bestsellerliste. Dahinter folgt MG Motors, das dank der Kooperation mit JSW und dem neuen Windsor-Modell stark zulegen konnte. Mahindra rutschte dadurch auf Platz drei ab. Besonders bemerkenswert ist die Entwicklung von MG, das nicht nur mit neuen Autos punktet, sondern auch alternative Geschäftsmodelle wie Battery as a Service verfolgt. BYD und kleinere Anbieter wie Citroën (PCA India) spielen dagegen noch eine Nebenrolle, bleiben aber durch Investitionen im Markt präsent.
Neue Plattformen sollen den nächsten Wachstumsschub bringen. Mahindra setzt auf die Born-Electric-Reihe mit der INGLO-Architektur, die ab 2025 in Serie gehen soll. Tata Motors arbeitet parallel an Gen-2- und Gen-3-Plattformen für Reichweiten-starke SUVs. Maruti Suzuki entwickelt gemeinsam mit Toyota neue Modelle und prüft den Einsatz von Natrium-Ionen-Batterien. Auch MG und Hyundai experimentieren mit dieser Technologie. Der Einsatz solcher Batterien könnte die Abhängigkeit von importierten Rohstoffen verringern und die Kosten senken. Allerdings bleibt Indien in vielen Bereichen auf Importe angewiesen, insbesondere bei seltenen Erden und Schlüsselkomponenten.
Die Ladeinfrastruktur entwickelt sich, bleibt jedoch ein kritischer Punkt. Unternehmen wie Tata Power, Statiq und ChargeZone investieren in den Ausbau, doch ländliche Regionen hinken hinterher. Hier zeigt sich ein Spannungsfeld: Einerseits steigt die Nachfrage in urbanen Zentren, andererseits droht der Fortschritt auf dem Land zu stocken. Gleichzeitig nehmen hybride Antriebe zu, da sie den Kund:innen eine Alternative bieten, wenn das Ladenetz nicht zuverlässig funktioniert.
Politik setzt auf lokale Produktion und Wertschöpfung
Politisch verschiebt sich der Fokus von Kaufprämien hin zu lokaler Produktion und Wertschöpfung. Die Production-Linked-Incentive-Programme (PLI) sollen Unternehmen dazu bewegen, Batterien und Schlüsselkomponenten im Land herzustellen. Mehrere Bundesstaaten fördern zudem Produktionscluster, etwa in Tamil Nadu, Karnataka und Gujarat. Auch Importerleichterungen für wichtige Batteriebauteile sollen helfen, eine eigene Industrie aufzubauen. Für internationale Hersteller bietet dies Chancen, sich über lokale Fertigung zu etablieren.
Der Markt bleibt dadurch vielschichtig. Einerseits wächst die Zahl der Neuzulassungen weiter, getrieben von mehr Modellen und sinkenden Betriebskosten. Andererseits sorgt das Ende großzügiger Subventionen für Unsicherheit. Investoren halten sich zurück und richten ihr Kapital eher auf Zulieferer, Ladeinfrastruktur oder Finanzierungsmodelle. Indische Hersteller müssen also nicht nur mit internationalen Marken konkurrieren, sondern auch mit einer veränderten Finanzierungslandschaft umgehen.
Zentrale Trends prägen die Branche: vernetzte Funktionen, intelligente Batteriesteuerung, interoperable Ladepunkte und neue Kooperationen. Besonders die Digitalisierung wird zum Verkaufsargument. Viele Kundinnen und Kunden erwarten inzwischen smarte Funktionen im Auto, die in Indien zunehmend in den Massenmarkt einziehen.
Indien steht somit an einem Wendepunkt. Der Markt wächst, aber die Spielregeln verändern sich. Hersteller und Politik setzen verstärkt auf Eigenständigkeit, um die Basis für eine nachhaltige Entwicklung zu legen. Für Verbraucher:innen eröffnet sich eine größere Auswahl, auch wenn die Preisschere zwischen günstigen Rollern und elektrischen Autos für Familien groß bleibt.
Quelle: Gateway to Automotive – Ausblick auf den Electric Vehicle Markt in Indien 2024-2031