Studie: Europas Stromnetz verkraftet auch 130 Millionen E-Autos, muss aber intelligenter werden

Studie: Europas Stromnetz verkraftet auch 130 Millionen E-Autos, muss aber intelligenter werden
Copyright ©

shutterstock / 109772642

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 3 min

Zweifler der E-Mobilität nennen manchmal eine drohende Überlastung des Stromnetzes als Argument, warum sich ihrer Meinung nach Elektroautos nicht flächendeckend und in großer Zahl durchsetzen können. Eine neue Studie aber zeigt: Das Stromnetz wird trotz des exponentiellen Wachstums des E-Autos-Marktes und der hohen Elektrifizierungsambitionen stabil bleiben, so Eurelectric und das Beratungsunternehmen EY. Allerdings nur unter gewissen Voraussetzungen: Von größter Bedeutung für den Erfolg seien eine rechtzeitige Planung der Ladeinfrastruktur sowie eine umfassende Koordination zwischen Behörden, Stromversorgern, Netz- und Ladestellenbetreibern.

Gut 130 Millionen Elektrofahrzeuge, gegenüber aktuell gut 3,3 Millionen werden laut der gemeinsamen Eurelectric-EY-Studie bis 2035 auf die europäischen Straßen kommen. Bis dahin müssen 65 Millionen Ladepunkte installiert werden, um eine nahtlose Benutzererfahrung zu ermöglichen. Von diesen werden 85 Prozent in Wohngebäuden montiert sein, während gut 4 Prozent entlang der Autobahnen zu finden sein werden, so die Studie.

„Die Elektrifizierung ist zu einem irreversiblen Megatrend im Straßenverkehr geworden. Die vor uns liegende Herausforderung besteht darin, den Ausbau der Infrastruktur auf gut koordinierte Weise zu beschleunigen, um auf den wachsenden Ladebedarf zu reagieren und gleichzeitig die optimale Nutzung des Stromnetzes sicherzustellen.“ – Jean-Bernard Lévy, Präsident von Eurelectric

Um die Einführung von Elektrofahrzeugen zu beschleunigen, müssen wir dafür sorgen, dass E-Mobilität für den Kunden funktioniert“, sagt Serge Colle von EY und dort Leiter des Bereichs Global Energy & Resources. Dies bedeute, „ein nahtloses Erlebnis mit einer robusten Ladeinfrastruktur zu bieten, die es jedem ermöglicht, schnell und zuverlässig aufzuladen.“ Angesichts erheblicher Investitionen in das Netz sowie in wichtige digitale Lösungen seien Versorgungsunternehmen der Schlüssel, um dies auch zu erreichen.

Der Aufbau der Ladeinfrastruktur müsse mit dem Wachstum des E-Auto-Marktes Schritt halten, so die beiden Unternehmen. Es sei daher dringend notwendig, bestehende Hindernisse aus dem Weg zu schaffen, wie etwa Genehmigungs- und Netzanschlussverzögerungen von bis zu 36 Monaten, Einschränkungen bei der Finanzierung, Verfügbarkeit und Zugang zu Immobilien an strategisch guten Standorten und Interoperabilitätsbeschränkungen.

Wie das Stromnetz ertüchtigt werden sollte

Das bestehende Stromnetz wird der Studie zufolge in der Lage sein, den Übergang zu Elektroautos zu bewältigen. Aber es sind eine umfassende Vorplanung und Koordination erforderlich, um sicherzustellen, dass es den zukünftigen Spitzen des Energiebedarfs und erhöhten Lasten auch gerecht wird. Denn sobald eine E-Auto-Durchdringung von 50 Prozent in einem städtischen Verteilnetz erreicht ist, könnte unkontrolliertes Laden zu Spannungsabweichungen führen und die Qualität der Stromversorgung beeinträchtigen.

Die Studie untersucht mehrere Lösungen für diese Herausforderungen. Während sichergestellt wird, dass sich die Ladepunkte dort befinden, wo sie maximalen Kundenkomfort bieten und die richtigen Investitionsanreize bieten, empfehlen die Studienautoren zudem:

  • Eine Digitalisierung des Netzes, um das Kundenverhalten, die Auswirkungen auf das Netz und die Netzwerkanforderungen zu verstehen, zu antizipieren und zu optimieren.
  • Die Installation von intelligenten Ladegeräten, um die Leistungskapazitäten zu verwalten und zu verhindern, dass das Netz unter der Last von Millionen gleichzeitig angeschlossener Elektroautos zusammenbricht
  • Die Integration von Energiespeicherlösungen in die Ladeinfrastruktur für Situationen, in denen die Nachfrage nach schnellem und leistungsstarkem Laden erhöht ist

Quelle: Eurelectric – Pressemitteilung vom 08.02.2022 / Eurelectric – Exclusive report: Can utilities turn EVs into a grid asset?

worthy pixel img
Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

Artikel teilen:

Wird geladen...

Ähnliche Artikel

Chiles Lithiumplan: Mehr Mitsprache, weniger Wasser

Chiles Lithiumplan: Mehr Mitsprache, weniger Wasser

Sebastian Henßler  —  

Vom Vorwurf des grünen Kolonialismus zu Konsultation und Value Sharing: Der Salar de Atacama zeigt, wie Lithiumförderung Umwelt und Gemeinden verbindet.

Förderung gebrauchter E-Autos offenbar vom Tisch

Förderung gebrauchter E-Autos offenbar vom Tisch

Daniel Krenzer  —  

Wer in Deutschland darauf hoffte, nächstes Jahr ein gefördertes, gebrauchtes E-Auto anzuschaffen, dem sei gesagt: Pustekuchen.

Wie Mercedes-Benz Autos nachhaltiger machen will

Wie Mercedes-Benz Autos nachhaltiger machen will

Michael Neißendorfer  —  

Mercedes-Benz hat zur Unterstützung der eigenen Nachhaltigkeitsziele das Technologieprogramm Tomorrow XX gestartet – manches gibt es schon in Serie.

USA: Teslas Absatz fällt im November auf Vierjahrestief

USA: Teslas Absatz fällt im November auf Vierjahrestief

Tobias Stahl  —  

Trotz der Einführung günstigerer Basisvarianten sind die US-Verkäufe von Tesla im November auf den niedrigsten Wert seit fast vier Jahren gefallen.

Porsche in der Krise: Betriebsrat befürchtet massiven Job-Kahlschlag

Porsche in der Krise: Betriebsrat befürchtet massiven Job-Kahlschlag

Daniel Krenzer  —  

Der Betriebsrat warnt vor massivem Jobabbau bei Porsche, während der Automobilhersteller sein Sparprogramm verschärft und die Strategie wankt.

Reparaturkosten belasten Kunden und Werkstätten zunehmend

Reparaturkosten belasten Kunden und Werkstätten zunehmend

Tobias Stahl  —  

Der Werkstattbesuch wird immer teurer – und Kunden sowie Werkstätten reagieren darauf. Inzwischen setzen die meisten Verbraucher auf Ersatzteile von Fremdmarken.