Cleverer Schichtbetrieb: Mercedes-Benz eActros 600 als Ausdauerläufer

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Daimler Truck

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 5 min

Was für Diesel-Lkw gilt, gilt bei Unternehmen wie Wessels Logistik auch für Elektro-Lkw: Ihr Einsatz muss so effizient wie möglich sein. Damit der Betrieb der E-Lkw nicht nur nachhaltig, sondern auch wirtschaftlich ist, setzt das Unternehmen aus Rhede im Münsterland zwei seiner bislang drei Mercedes-Benz eActros 600 im Schichtbetrieb ein.

„Der Zweischichtbetrieb muss sein“, betont Geschäftsführer Andre Wessels. „Er macht den Einsatz für uns wirtschaftlich, im Einschichtbetrieb wären in unserem Fall die Fixkosten zu hoch.“ Ende Februar nahm das Unternehmen seine ersten beiden eActros 600 als Sattelzugmaschinen in die Flotte auf. Ein weiterer eActros 600 werde als Tandem-Gliederzug in Kürze an den Start gehen und im Auftrag eines Logistikdienstleisters feste Linienverkehre fahren. Weitere Elektro-Lkw sind im Zulauf, darunter ein eActros 300 als 26 Tonner sowie eine weitere eActros 600 Sattelzugmaschine. Synchron mit dem Hochlauf der batterie-elektrisch angetriebenen Fahrzeugflotte erfolgt der Aufbau der Ladeinfrastruktur: Ende Juni soll sie stehen und effizientes Depotladen ermöglichen.

Ausschlaggebend für den Erwerb der Mercedes-Benz Elektro-Lkw war nach Angaben des 45-jährigen Spediteurs, der das Unternehmen in vierter Generation führt, das Gesamtpaket, so Daimler Truck in einer aktuellen Mitteilung. Ein Punkt habe ihn beim eActros 600 besonders überzeugt: die neue Batterie-Technologie, denn die Lithium-Eisenphosphat-Akkus ermöglichen höhere Ladeleistungen und Speicherkapazitäten. Der eActros 600 verfügt über drei Batteriepakete mit jeweils 207 kWh. Sie bieten eine installierte Gesamtkapazität von 621 kWh.

Seit vielen Jahren setzt das Logistikunternehmen aus Nordrhein-Westfalen, das dieses Jahr sein 140-jähriges Bestehen feiert, auf Lkw mit dem Stern. Etwa 70 der mehr als 100 eigenen Fahrzeuge stammen von Mercedes-Benz. Der Vertragshändler in Bocholt ist nur fünf Kilometer entfernt. „Der Service hat sich komplett auf uns eingestellt, die Kommunikation funktioniert tadellos“, berichtet der Firmenchef.

„Eine der großen Herausforderungen bei der Elektromobilität im Schwerverkehr ist die Verfügbarkeit von geeigneten Ladepunkten. Wir können uns gut vorstellen, auch anderen Flottenbetreibern Zugang zu unseren Ladesäulen zu gewähren, die aktuell noch im Aufbau sind. Ich bin überzeugt, dass sich die Logistikbranche beim Bewältigen der Energie- und Antriebswende gegenseitig helfen kann“, sagt Andre Wessels. Vor diesem Hintergrund begrüßt er auch die Pläne von Daimler Truck, ein halböffentliches Lade-Netzwerk in Europa aufzubauen, das neben Ladepunkten bei Händlern auch Ladepunkte bei Logistikunternehmen umfasst. „Der besondere Charme dabei: Logistikzentren liegen in der Regel sehr verkehrsgünstig an den Hauptverkehrsachsen, so dass sich die Anfahrtswege in Grenzen halten. Überdies verfügen Logistikzenten in der Regel auch über Parkflächen – auch hier könnte sich die Branche noch stärker gegenseitig unterstützen“, so der Unternehmer.

Daimler Truck treibt Aufbau eines europaweiten Ladenetzwerks für E-Lkw voran

Unter dem Markennamen TruckCharge bündelt Daimler Truck seine Angebote rund um die E-Infrastruktur und das Laden von Elektro-Lkw. Dies umfasst die Beratung, den Aufbau der Ladeinfrastruktur sowie deren Betrieb. Unter der Marke TruckCharge wird zudem der Aufbau eines europaweiten Ladenetzwerks für Elektro-Lkw angestrebt, das sowohl die mehr als 1000 Händler als auch interessierte Kunden von Mercedes-Benz Trucks einbindet, um ihre Ladeinfrastruktur auch für Dritte zu öffnen und dadurch eine bessere Auslastung zu erzielen.

Martin Hink, Head of eMobility / H2 Business Solutions Mercedes-Benz Trucks: „Wir freuen uns sehr darüber, dass Wessels Logistik als einer der ersten Kunden unseres eActros 600 seine Ladeinfrastruktur künftig in unser Lade-Netzwerk einbringen möchte.“ Das halböffentliche Lade-Netzwerk soll im Sommer starten und möglichst einfach in der Nutzung sein. Transportunternehmen beziehungsweise ihre Fahrer sollen ihre Ladevorgänge bequem im Voraus planen, reservieren und buchen können.

Bei Wessels Logistik läuft der Aufbau der Ladeinfrastruktur derzeit ebenfalls auf Hochtouren. Das Unternehmen stellt von Niederspannung auf Mittelspannung mit einer Netzleistung von 500 kW um. Geplant sind vier Ladesäulen mit jeweils 400 kW Leistung. Auf dem Hallendach wird eine Photovoltaik-Anlage mit 530 kW Peak installiert, zusätzlich nimmt das Logistikunternehmen einen Batteriespeicher mit einer Speicherkapazität von 1288 kWh in Betrieb. Darin kann es selbst erzeugten Solarstrom speichern und diesen also auch dann laden, wenn die Sonne nicht scheint.

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Daimler Truck

Schließlich sind die Elektro-Lkw – und das ist die Besonderheit bei Wessels Logistik – rund um die Uhr unterwegs. Das verringert die Stehzeit und erhöht die Effizienz. Mit jeweils einem Rundlauf am Tag und einem bei Nacht erreichen die beiden E-Trucks Kilometerleistungen, die denen von Diesel-Fernverkehrs-Lkw entsprechen. Das macht einen wirtschaftlichen Einsatz möglich. Denn je länger der Lkw unterwegs ist und je mehr Kilometer er fährt, desto größer ist der positive Effekt bei den Betriebskosten. Wessels Logistik spart sich die Lkw-Maut, da Null-Emissions-Lkw zunächst bis Jahresende von der Straßengebühr in Deutschland befreit sind. Nach dem Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung sollen Null-Emissions-Lkw bis über 2026 hinaus in Deutschland mautfrei fahren dürfen. Damit machen die Fahrzeuge nicht nur den Fahrern, sondern auch dem Firmenchef Freude.

Tagesfahrleistungen bis fast 800 Kilometer

Tagsüber befördern die Elektro-Lkw für die Baustoffbranche zum Beispiel Türblätter und Zargen, nachts auf festen Linien Sammelgut-Sendungen für eine Stückgutkooperation. Der eine eActros 600 hat eine längere Tages- und eine etwas kürzere Nachttour. Die Tagesleistung umfasst etwa 350 Kilometer. Weitere rund 220 Kilometer kommen in der Nacht zusammen, wenn das Fahrzeug das Düsseldorfer Regionalhub der Stückgutkooperation ansteuert.

Beim anderen eActros 600 verhält es sich umgekehrt: Er hat nachts stolze 560 Kilometer zu absolvieren, wenn er zum Zentralhub der Kooperation in Homberg/Efze aufbricht. Die Kooperation plant dort den Aufbau von Ladesäulen. Bis diese zur Verfügung stehen, muss der Elektro-Lkw unterwegs an öffentlicher Ladeinfrastruktur zwischenladen. Das geschieht aktuell im hessischen Knüllwald an öffentlicher Ladeinfrastruktur. Aus Ausgleich zu seiner langen Tour bei Nacht wird der Lkw am Tag etwas geschont und erledigt Touren mit Reichweiten von etwa 200 Kilometern. Addiert man die Distanzen bei Tag und Nacht, ergeben sich binnen 24 Stunden eine Summe von 570 beziehungsweise 760 Kilometern. Die Elektro-Lkw sind bei Wessels Logistik also echte Ausdauerläufer.

Obgleich die Disposition am Anfang etwas stärker gefordert war, stehe das gesamte Team hinter der Elektrifizierungsstrategie des Unternehmens. „Die Fahrer sind vom eActros 600 überzeugt, fahren gerne damit und wollen gar nicht mehr runter“, berichtet der Geschäftsführer. Er selbst hat auch Gefallen an den Fahrzeugen gefunden. Einziger Wermutstropfen noch: „Bei gewichtssensiblen Transporten kommt die E-Mobilität noch an ihre Grenzen, da die vom Gesetzgeber gewährte Kompensationen auf 42 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht nicht ausreicht, um das Mehrgewicht der Batterien auszugleichen.“

Und natürlich wollte der Technik-begeisterte Spediteur auch gleich eigene Erfahrungen sammeln: Die Jungfernfahrt mit dem Elektro-Flaggschiff absolvierte Andre Wessels selbst – eine voll ausgeladene Fernverkehrstour in Richtung Karlsruhe und zurück, alles in allem eine Strecke von rund 930 Kilometern.

Quelle: Daimler Truck – Pressemitteilung vom 19.05.2025

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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Philipp:

Mein Bruder hatte sich den Actros 600 angesehen, der war aber für seine Zwecke ungeeignet (24t mit Ladekran).
Der Actros 600 hat schon die maximale Achslast auf der Vorderachse ausgeschöpft. Wenn man eine Sattelzugmaschine, die nur die Hinterachse zusätzliche belastet, nutzt, dann ist das kein Problem.
Wenn man aber für einen normalen LKW z.B. einen Kranaufbau braucht und den wegen des Luftwiderstands nicht am Heck, sondern hinter der Fahrerkabine montieren will, dann drückt dieses zusätzliche Gewicht auf die Forderachse und das ist dann zu viel.
Nun wird es ein elektrischer MAN.

Philipp:

Wer Sonntag Abend den YouTube Kanal vom ElektroTrucker anmache, weiß, dass solche Laufleistungen sogar in einer Schicht gehen. Aber günstig ist das natürlich nur mit Depot-laden. Daher finde ich den Solar- und Speicher-Ansatz super!
Das Mehrgewicht von 3t wird durch die zusätzlichen 2t Gesamtgewicht für E-LKW nicht ganz ausgeglichen, der Rest sind aber nur 5% weniger Zuladung und nur relevant bei Gewichts-Transporten, nicht bei Volumen-Transporten

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