Jannes Bojert ist Teamleiter bei der IG Metall Berlin-Brandenburg und setzt sich schon seit längerer Zeit für bessere Arbeitsbedingungen im Tesla-Werk in Grünheide ein. In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau spricht der Gewerkschafter über den Arbeitsdruck, den hohen Krankenstand sowie fehlende Mitbestimmung und die Einschüchterung von IG-Metall-Mitgliedern in der deutschen Autofabrik des US-Konzerns, die Anfang 2022 ihren Betrieb aufnahm.
Die Gigafactory in Grünheide sei mit etwa 12.000 Beschäftigten „der mit Abstand größte Industriestandort in Brandenburg und ein ganz wichtiger Arbeitgeber für die Region“, ordnet Bojert zu Beginn des Gesprächs ein. Im Vergleich zu anderen Unternehmen seien die Gehälter dort „zwischen zehn und 20 Prozent unter dem Tarifniveau“, wenn man die tariflichen Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld berücksichtige. Im Vergleich zu anderen Autoherstellern sei „der Abstand noch erheblich größer“. Gehälter bei Tesla in Grünheide starten demnach bei etwa 3200 Euro Bruttoverdienst.
Hinzu komme, dass Tesla 38 Stunden Arbeitszeit verlange, „fast alle“ anderen Autohersteller seien „bei der 35-Stundenwoche angekommen oder auf dem Weg dahin“. Auch zusätzliche freie Tage oder zusätzliche bezahlte Pausen für Schichtarbeiter und „viele andere Regelungen zur Entlastung der Beschäftigten“ gebe es bei Tesla noch nicht, so Bojert. Zudem sei Tesla „noch nicht bereit, sich auf echte Mitbestimmung einzulassen“, kritisiert der Gewerkschafter: „Die Geschäftsführung schürt ein antigewerkschaftliches Klima und versucht immer wieder, IG-Metallerinnen und -Metaller im Werk einzuschüchtern“, sagt er in dem Interview.
Im vergangenen Jahr habe eine Umfrage der IG Metall bei den Mitarbeitern im Werk ergeben, dass sich „mehr als 80 Prozent der Beschäftigten“ überlastet fühlten, 91 Prozent der Befragten leiden demnach „unter körperlichen Beschwerden wie Kopf-, Nacken-, Gelenk- oder Rückenschmerzen“. Nur jeder Zehnte gehe davon aus, „die aktuelle Arbeitssituation bis zur Rente aushalten zu können“, so Bojert.
Entsprechend hoch seien auch der Krankenstand und die Fluktuation bei Tesla in Grünheide. Hinzu kommen fragwürdige Methoden, um krankgeschriebene Mitarbeiter unter Druck zu setzen, wie etwa Kontrollbesuche am Wohnort durch leitende Mitarbeiter – „nicht nur Einzelfälle“, wie Bojert berichtet. Seit Medienberichten über diesen Misstand habe Tesla davon Abstand genommen.
In anderen Fällen, die bei der IG Metall vorgetragen wurden, seien Beschäftigte gezwungen worden, „Diagnosen offenzulegen und die Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden“, was mit deutschem Recht nicht vereinbar ist. Als Druckmittel habe Tesla Gehälter einbehalten und sogar von „Schulden“ gesprochen, die krankgeschriebene Mitarbeiter aufgrund von „Überbezahlung“ zurückzahlen müssten. „Dies soll sie dazu bewegen, ihren Arbeitsplatz aufzugeben und einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Damit seien sie diese ‚Schulden‘ bei Tesla los“, so Bojert. Bedenkzeit für eine juristische Prüfung des Vertrags sei „oft verweigert“ worden. Das Angebot gelte nur, wenn sofort unterzeichnet würde, heißt es.
Um diese und einige andere Missstände zu beseitigen, „haben die aktiven IG-Metallerinnen und -Metaller im Werk für eine Petition an die Geschäftsführung über 3000 Unterschriften gesammelt“, so Bojert, mit der sie im Frühjahr „eine sofortige Entlastung und ein Ende des übermäßigen Arbeitsdrucks“ einforderten: „Es geht um zusätzliche bezahlte Pausen zur Erholung während der Arbeitszeit, wie wir sie aus allen anderen Automobilbetrieben kennen, mehr Personal und ein Ende der Schikanen“, erklärt Bojert.
Reagiert hat die Werksführung bislang noch nicht. „Wenn Tesla seinen Widerstand gegen eine gewerkschaftliche Interessensvertretung nicht aufgibt und sich nicht auf Mitbestimmung, Tarifverträge und aktive Gewerkschaften einlässt, wird das Unternehmen sich damit nur weiter selbst schaden“, sagt Bojert.
Quelle: Frankfurter Rundschau – Gigafabrik bei Grünheide: „Die Arbeit bei Tesla ist ein Knochenjob“