Welche Rolle spielt das Handwerk bei der Elektromobilität? Welche Anforderungen haben Gewerbebetriebe an Elektroautos? Und wie kann das Handwerk einen drohenden Jobabbau bei Autoherstellern und Zulieferern abfedern? Darüber sprachen der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, und der Vorstandsvorsitzende der Renault AG, Uwe Hochgeschurtz, in einem Interview mit dem Deutschen Handwerksblatt (DHB).
Wollseifer sieht die Elektromobilität noch nicht an dem Punkt angekommen, an dem sie für die Anforderungen des Handwerks uneingeschränkt nutzbar ist. Elektroautos seien zwar „eine wichtige Technik der Zukunft, aber wir können nicht von heute auf morgen einen Hebel umlegen und alles fährt elektrisch.“ In der Modellpalette der Hersteller gebe es momentan noch zu wenige handwerkstaugliche Alternativen zu den Verbrennermodellen. Schließlich müssen die Transporter hohe Nutzlasten teils über recht weite Strecken und das auch noch möglichst schnell transportieren. Doch das Angebot an E-Fahrzeugen nehme momentan „Fahrt auf. Auch bei den Fahrzeugen, die für gewerkspezifische Aus- und Umbauten nötig sind, weitet sich das Angebot erst allmählich aus“, stellt der ZDH-Präsident fest.
Renault-Chef Hochgeschurtz entgegnet, man dürfe nicht vergessen, „dass wir noch immer relativ am Anfang der Elektromobilität stehen“. Und für Handwerker, die vor allem im urbanen Bereich unterwegs sind, gebe es „schon heute maßgeschneiderte Lösungen.“ Hochgeschurtz räumt allerdings „bei aller Überzeugung für die E-Mobilität“ ein, es sei „ein Irrglaube anzunehmen, dass sich jeder Verbrenner durch ein E-Fahrzeug ersetzen lässt. Das gilt beispielsweise im Transportgewerbe, wenn Überlandfahrten mit hoher Nutzlast absolviert werden müssen.“
Nicht nur auf Fahrzeugseite, auch von der Ladeinfrastruktur hänge der Erfolg von E-Fahrzeugen im Handwerk ab, auch wenn laut DHB gewerbliche Fahrer im Schnitt nur 80 Kilometer am Tag unterwegs sind – ein Klacks für aktuelle E-Auto-Modelle. Wollseifer sagt, es komme „sehr darauf an, wo die Ladepunkte zu finden sind – das sind oft noch nicht die Standorte, die gewerbliche Nutzer brauchen.“ Auch Hochgeschurtz sieht „Handlungsbedarf bei der Ladeinfrastruktur, auch wenn sich die Situation deutlich verbessert hat.“ Immerhin hätten aber Unternehmen die Möglichkeit, ohne übermäßig hohen Aufwand auf dem Betriebsgelände Ladeinfrastruktur aufzubauen. „Privatkunden in Mehrfamilien- oder gar Hochhäusern damit zu versorgen, das ist schon eine ganz andere Aufgabe.“
Hochgeschurtz sieht beim Aufbau von Lademöglichkeiten die Politik in der Pflicht. „Elektromobilität ist politisch gewünscht, daher muss die Politik entsprechende Rahmenbedingungen schaffen“, so der Renault-Manager. „Es kann beispielsweise nicht sein, dass bei Wohneigentumsgemeinschaften schon eine Stimme reicht, um das Errichten einer Ladesäule oder Wallbox zu verhindern.“ Wollseifer fordert auch von der Energiewirtschaft mehr Engagement. Es müsse mehr passieren als bislang, „um die Energiewende schneller anzugehen.“
„Uns fehlen rund eine viertel Million Mitarbeiter.“
Hochgeschurtz bringt in diesem Zusammenhang den „hochinteressanten Technologiesprung in der Elektromobilität Vehicle-to-Grid“ ins Gespräch. Dabei können Elektroautos bei Bedarf ihren Strom auch wieder abgeben. „Das spannende an Vehicle-to-Grid ist, dass Privathaushalte, aber auch gewerbliche Nutzer, ihr E-Auto nutzen können, um Stromspitzen abzufedern. Statt zu Höchstpreisen Strom aus dem Netz zu ziehen, kommt der aus dem eigenen Auto. Eine clevere, saubere und preiswerte Lösung, wenn der Besitzer sein Fahrzeug über eine eigene Solaranlage lädt. Da werden noch viele weitere, spannende Innovationen folgen.“
Und Wollseifer hat noch gute Nachrichten für alle, die wegen der Elektromobilität einen Jobabbau bei den Autoherstellern und Zulieferern im niedrigen sechsstelligen Bereich befürchten: Hier stehe „das Handwerk parat: Uns fehlen rund eine viertel Million Mitarbeiter.“
Quelle: Handwerksblatt – Schon immer auf neue Technologien eingestellt