Wie das Fraunhofer ISE Ladeparks leistungsfähiger machen will

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Fraunhofer ISE

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
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Ladestationen für Elektroautos und Elektro-Lkw an Autobahnen, in Parkhäusern oder Logistikzentren müssen künftig ein Vielfaches der heutigen Leistung in kurzer Zeit liefern. Deshalb können neue Ladestationen nicht ohne Weiteres wie bisher an das Niederspannungs-Wechselstromnetz angeschlossen werden. Im Projekt mit dem Titel „MS-Tankstelle“ hat das Fraunhofer ISE mit Industriepartnern Mittelspannungs-Systemtechnik für zukünftige Schnellladestationen entwickelt, die Spitzenlasten von mehreren Megawatt ermöglichen soll, so das Fraunhofer-Institut in einer aktuellen Mitteilung.

Der Einsatz von Siliziumkarbid-Halbleitern und die Anhebung des Spannungs-Niveaus senken demnach den Materialeinsatz und die Kosten für die Hochleistungs-Ladestationen. Gleichzeitig sei das System sehr effizient und könne flexibel auf unterschiedlich große Ladestationen und verschiedene Fahrzeugtypen angewandt werden. Ein Demonstrator eines Ladepunktes ist während der E-World (11.-13.2., Essen) auf dem Stand der Fraunhofer-Allianz Energie (Halle 5, D126) zu sehen.

Mit der Anzahl an E-Fahrzeugen in Deutschland steigt der Bedarf an Schnellladestationen, die ähnlich wie heutige Tankstellen eine große Anzahl an Fahrzeugen gleichzeitig bedienen können. Diese werden besonders an den Autobahnen, aber auch in städtischen Parkhäusern und -plätzen erforderlich. Die durchschnittliche Leistung eines Schnellladesystems für einen Pkw liegt bei 150 kW, bei Bussen, Vans und kleinen Lkw steigt sie bis auf derzeit 350 kW.

Da das elektrische Laden langsamer verläuft als der Tankvorgang, sind an Tankstellen in Zukunft statt acht Zapfsäulen etwa 15 bis 25 Ladepunkte nötig, um die gleiche Fahrzeuganzahl in gleicher Zeit zu bedienen. Beim parallelen Schnellladen ruft eine derartige „Elektrotankstelle“ etwa 1,5 bis 3,5 Megawatt Leistung ab. Damit können zukünftige Schnellladestationen nicht länger über das Niederspannungsnetz versorgt werden – selbst bei geringer Auslastung der Tankstelle würde die nötige Leistung 300 kW übersteigen. Auch die Verteilung innerhalb der Tankstelle oder des Parkhauses sollte nicht im Niederspannungsnetz erfolgen, da die langen Kabelwege (bei 25 Ladepunkten 100 Meter und mehr) und die hohen Leistungen zu hohen Installationskosten bzw. hohen Verlusten in den Kabeln führen.

Das im Projekt mit den Partnern Sumida Components & Modules, Infineon Technologies und AEG Powersolutions entwickelte leistungselektronische System für Ladestationen setzt daher auf ein Mittelspannungsnetz, das mit einem Gleichrichter auf einer Spannung von 1500 Volt DC betrieben wird. Die höhere Spannungsebene führe zu einer höheren Leistung bei gleicher Stromstärke, ohne dass der Kabelquerschnitt größer werden müsse. Durch den deutlich geringeren Kupferverbrauch werde ein wesentlicher Beitrag zum Umwelt- und Ressourcenschutz geleistet. Der Wert von 1500 Volt DC wurde gewählt, da dies die Grenze der Niederspannung ist und oberhalb dieses Wertes andere Normen gelten. In Folgeprojekten ist laut Fraunhofer ISE geplant, die Spannung darüber hinaus zu steigern.

Modularer Ansatz für unterschiedlich große Ladestationen

Ein galvanisch getrennter Wandler koppelt das Gleichstrom- (DC)-Verteilnetz an die Fahrzeugbatterie und steuert die Schnellladung. Die Gleichstromwandler mit einer Leistung von je 175 kW seien so konzipiert, dass sie im System problemlos parallel geschaltet werden können. Dieser modulare Ansatz erlaube es, sowohl Ladestationen mit geringerer Leistung für Pkw als auch Stationen mit größerer Leistung für Lkw zu bauen.

Im Gegensatz zur heimischen Wallbox müssen Ladestationen hochgradig kompatibel für verschiedene Fahrzeugtypen sein. Das im Projekt entwickelte Konzept mit einem zentralen Gleichrichter und einer 1500 V-DC-Verteilung hat den Vorteil, dass die Netzanschlusskomponenten (Transformator und Gleichrichter) unabhängiger von der Ladeelektronik dimensioniert und skaliert werden können. Mit Blick auf den großen Bedarf an Leistungselektronik und Komponenten wie Kabeln und Transformatoren wird der Materialbedarf im Vergleich zu aktuellen Lösungen deutlich reduziert.

Für einen unkomplizierten Ladeprozess soll die Station mit den in Europa dominierenden Standards CCS1 und CCS2 (Combined charging system) voll kompatibel sein, d.h. für Stromstärken bis 500 A und eine Spannung bis 1000 V in den Fahrzeugen. Darüber hinaus soll das Konzept auch den Megawatt Charging System (MCS)-Standard für Elektro-Lkw unterstützen. Für diesen ist eine zweite Umrichtermodul-Variante geplant, für die lediglich einige Komponenten angepasst werden müssen.

„Die von uns im Projekt entwickelte Topologie kann nicht nur für Ladestationen, sondern potenziell auch in erneuerbaren Hybridkraftwerken oder für die Integration von stationären Batteriespeichern eingesetzt werden“, erklärt Andreas Hensel, Gruppenleiter Hochleistungselektronik und Systemtechnik am Fraunhofer ISE.

Quelle: Fraunhofer ISE – Pressemitteilung vom 15.01.2025

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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