Seriengründer und Tech-Investor Frank Thelen hat auf LinkedIn für sich die Frage beantwortet, ob Wasserstoff eine Zukunfts – oder nur Brückentechnologie ist. Wir freuen uns diesen Artikel auf unserem Portal mit dir zu teilen.
Update: Ebenfalls auf LinkedIn hat sich Dr.-Ing. David Wenger zu Wort gemeldet, seines Zeichens anerkannter Experte für Wasserstofftechnik und Gründer mehrerer Firmen auf diesem Gebiet – seine Antwort auf die Frage von Thelen wollten wir dir ebenfalls nicht vorenthalten.
Hat Wasserstoff eine Zukunft?
Beim Thema Wasserstoff gehen die Meinungen stark auseinander. Für manche ist es die Energiequelle der Zukunft, andere üben harte Kritik an der Technologie. Elon Musk nennt Wasserstoff-Brennstoffzellen “fool cells” und Wasserstoff-betriebene Autos “incredibly dumb”. Yoshikazu Tanaka, der Chefingenieur des Toyota Mirai (dem ersten Wasserstoffauto in Serie) gibt ihm sogar recht und sagt, es sei besser, ein Elektroauto direkt an der Steckdose aufzuladen. Er ergänzt jedoch, dass Wasserstoff eine zukunftsfähige Alternative zu Benzin sei. Herbert Diess wiederum sieht Wasserstoffautos ebenfalls als Unsinn, da die Herstellung von Wasserstoff entweder nicht CO2-frei oder extrem ineffizient sei.
In der Politik wiederum findet Wasserstoff einige Befürworter. Von den 50 Milliarden Euro, die die Bundesregierung im Rahmen des Zukunftspakets in neue Technologien investieren will, soll ein Teil auch in Wasserstoff fließen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil ist der Ansicht, dass Wasserstoff als Kraftstoff in Verbindung mit Brennstoffzellen die Mobilität umkrempeln könne. Bundesministerin für Bildung und Forschung Anja Karliczek sieht Wasserstoff als Energieträger der Zukunft, das Forschungsetat für grünen Wasserstoff soll um 300 Millionen Euro aus dem Klimafonds aufgestockt werden. Doch wie zukunftsfähig ist Wasserstoff wirklich? Handelt es sich dabei um eine Zukunfts- oder doch eher um eine Brückentechnologie?
Es gibt einige Herausforderungen bei der Herstellung und Anwendung von Wasserstoff:
Wasserstoff ist keine Energiequelle, sondern ein Energieträger
Wasserstoff wird oft in einem Atemzug mit Wind- und Sonnenenergie genannt, dabei handelt es sich anders als Wind- und Sonnenenergie nicht um eine Energiequelle, sondern um einen Sekundärenergieträger, der zunächst hergestellt werden muss.
Die Herstellung ist bislang sehr ineffizient und zum Teil sogar umweltschädlich
Wasserstoff als saubere Alternative zu verkaufen, geht in meinen Augen nach heutigem Stand der Technik zu weit. Bei der aktuell meist angewandten Herstellung aus Erdgas entsteht nicht nur CO2, es werden auch eine Reihe anderer, schädlicher Stoffe freigesetzt. Auch wenn es mithilfe von Elektrolyse möglich ist, CO2-neutral Wasserstoff herzustellen, bleibt das große Problem der Effizienz.
Wasserstoff verbraucht schon bei der Herstellung einen großen Teil der Energie
Was die Effizienz betrifft, wird Wasserstoff schon sehr bald an seine physikalischen Grenzen kommen. Nach aktuellem Stand der Technik liegt der Wirkungsgrad bei ca. 60 – 80 % und hier ist auch nicht mehr viel Luft nach oben. Bei der energetischen Nutzung von Wasserstoff durch Brennstoffzellen liegt die Gesamt-Effizienz aktuell bei 43% und kann voraussichtlich noch auf bestenfalls 52% gesteigert werden. Dies verdeutlicht die Grafik von Transport & Environment:

Die Speicherung von Wasserstoff ist aufwendig und benötigt viel Platz
Durch seine geringe Dichte hat Wasserstoff sehr viel Volumen. Auch wenn es extrem leicht ist und die Energiedichte auf die Masse bezogen sehr hoch ist, wird bei der Speicherung extrem viel Platz benötigt. Außerdem sind aktuell zur Speicherung entweder sehr hoher Druck oder sehr niedrige Temperaturen nötig, was ebenfalls Energie kostet. Hinzu kommt, dass es in Kombination mit Sauerstoff hochentzündlich ist und somit auch einige Risiken birgt.
Wieso will unser Land Wasserstoff fördern?
Trotz der oben genannten Kritikpunkte plant die Bundesregierung, Wasserstoff im Rahmen des Zukunftspakets zu fördern. Auch viele deutsche Autohersteller setzen auf die Brennstoffzelle als Alternative zur Elektromobilität. Ich schätze die Zukunftsfähigkeit von Wasserstoff als sehr kritisch ein. Während in der Batterietechnologie noch große Sprünge möglich sind, stößt Wasserstoff schon bald an seine physikalischen Grenzen. Samsung hat kürzlich ein Whitepaper zu einer Batterie mit einer Energiedichte von 900 Wh pro Liter veröffentlicht – hier erwarte ich in den kommenden Jahren große Sprünge, was sich sehr positiv auf die Gesamteffizienz und Reichweite von Elektroautos auswirken wird. Wieso Wasserstoff hier nicht mithalten kann, wird auch in diesem Artikel der Süddeutschen Zeitung sehr gut erklärt.
Dennoch gibt es einige Anwendungsbereiche, in denen Wasserstoff zumindest übergangsweise sinnvoll eingesetzt werden kann. Aufgrund seiner geringen Masse eignet es sich beispielsweise gut als Antrieb für Flugzeuge und Schiffe, die den nötigen Platz haben und weite Strecken zurücklegen müssen. Langfristig wird es auch hier effizientere Lösungen geben, aber um hier möglichst schnell und effizient große Mengen an CO2 einzusparen, sehe ich Wasserstoff als gute Lösung an.
Fazit – Wasserstoff eine Zukunfts – oder nur Brückentechnologie?
Wasserstoff ist für mich bestenfalls eine Brückentechnologie, die unter CO2-neutraler Herstellung eine sinnvolle Alternative zum Antrieb von Flugzeugen und Schiffen bieten kann. Sie ist aber keinesfalls eine wichtige Zukunftstechnologie und unsere Regierung und unsere Autoindustrie sollten meiner Meinung nach nicht zu viele Ressourcen in die Entwicklung stecken, die allein aus physikalischen Gründen nicht sonderlich vielversprechend ist. Ein weiterer Punkt sind die Herstellungs- und Wartungskosten von Wasserstoffautos, hierdurch werden diese noch mal deutlich unattraktiver gegenüber reinen E-Autos.
Ich freue mich auf eine offene, faktenbasierte und sachliche Diskussion und auf eure Meinungen zu dem Thema. Wichtig ist mir, dass wir nicht auf emotionaler, sondern auf rationaler Ebene über die wichtigen Fragen der Zukunft diskutieren und unser Land so jetzt an diesem wichtigen Wendepunkt in die richtige Bahn lenken.
Sie gehen bei Ihren berechtigten Überlegungen nicht von einem 100%-EE-System aus, welches aber bis 2050 geschaffen sein muss.
Gewöhnliche Biomassenutzung ist schon am Anschlag, wie Sie auch schrieben. Gleiches gilt für Wasserkraft. Also wird es viel Windkraft und vor allem, weil am günstigsten und unproblematischten, viel PV geben. Gerade eben weil PV nur 1000h und Windkraft 2000h p.a. Volllaststunden hat, muss man anders denken wie bisher.
Um keine extreme Überdimensionierungen (Stichwort Dunkelflaute) betreiben zu müssen, kommt man gar nicht umhin, einen größeren Anteil als derzeit in H2 umzuwandeln. Deshalb auch die deutlich höhere Auslastung. Es wird eine Mischung von unterschiedlich ausgelasteten Elektrolyseuren geben.
Dazu kommt noch die Frage, wie kalkuliert man überhaupt. Derzeit werden Berechnungen nicht an der Lebensdauer fest gemacht. Würde man das machen, müsste man in Betriebsstunden kalkulieren und da wäre die niedrigere Auslastung gar kein großes Thema mehr. Zumindest nicht in Niedrigzinsphasen. Das Speichermedium ist die Pipeline (derzeitiges Gasnetz etwas überarbeitet) und gegebenenfalls noch ein paar Kavernen.
Das notwendige Speichermedium für Strom ohne H2 sind Batterien. Die Kosten auch nicht gerade wenig. Ohne Langfristspeicherung funktioniert ein 100%-EE-System aber nicht.
Zum Thema PV-Kosten teile ich Ihre Bedenken, dass 2 Cent/KWh bis 2050 schon extrem niedrig scheinen. Aber derzeit sind wir schon bei 4,6 Cent/KWh für eine ungeförderte PPA-Anlage angekommen. Durchschnittliche Ausschreibungsergebnisse liegen bei 5 Cent. Bei doppelter Sonneneinstrahlung in Dubai und Abu Dhabi sind wir schon bei unter 1,5 Cent/KWh angekommen. Das sind extrem große Anlagen mit wahrscheinlich extrem optimierter Installationstechnik.
Aber selbst wenn man wie Sie 6 Cent/KWh für H2 (also inkl. Strom) annimmt, rechnet sich das gut. Würde man sogar langfristig von einem Stromnetz auf ein Wasserstoffnetz umsteigen, wäre alles viel günstiger. Denn die Stromverteilungskosten sind exorbitant hoch, während ein Pipelinesystem extrem günstig ist. Dazu kommt, dass die Sicherheit eines Gasnetzes viel höher ist als bei dem Stromnetz.
Wäre ich ein hoher General, würde ich auf einen schnellstmöglichen Systemumbau drängen. Warten wir mal ab, wie der erste große Cyberangriff verlaufen wird und wie wir mit einem vielleicht sogar europaweiten Blackout klarkommen.
Ich vergaß Ihnen noch einen hochinteressanten Link zu geben: http://www.bio-wasserstoff.de
Ich habe bereits 2005 die erste Ausgabe des 500 Seiten-Buches gelesen. Leider ist der geniale Autor Dipl.-Ing. Karl-Heinz Tetzlaff 2014 verstorben.
Karl-Heinz Tetzlaff war in der zentralen Konzernforschung der ehemaligen Hoechst AG zuständig für Elektrolyse- und Brennstoffzellenentwicklung und die Schätzung von Investitionskosten von innovativen Verfahren. Er hat ein Patent entwickelt im Bereich der thermochemischen Vergasung von beliebiger nasser Biomasse zu H2. Er beschreibt eine echte Wasserstoffwirtschaft und die Zusammenhänge mit dem Gesamtsystem.
Alleine durch Reststoffe und Zwischenfruchtpflanzung wäre bei diesem Verfahrung der komplette Enegriebedarf der meisten Länder abdeckbar.
Wenigstens das Wichtigste was die Website hergibt sollten Sie unbedingt lesen.