Elektroautos müssen ab 2019 Warntöne abgeben

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
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Es könnte so schön sein: Beinahe lautlos surren Elektroautos durch unsere Städte, nur das Abrollgeräusch der Reifen bei höheren Geschwindigkeiten ab etwa 30 km/h zeugt vom herrannahenden Fahrzeug. Was für die einen eine Traumvorstellung ist, ist für andere hochgefährlich: Denn Blinde und Menschen mit schlechter Sehkraft können sich nur auf ihr Gehör verlassen, wenn sie eine Straße überqueren. Blindenverbände konnten durchsetzen, dass Elektroautos per Gesetz einen Warnton abgeben müssen. Eine entsprechende EU-Verordnung wurde bereits im Jahr 2014 verabschiedet.

Das ist durchaus sinnvoll, zieht eine Untersuchung der US-amerikanischen Verkehrsbehörde NHTSA den Schluss, dass die lautlos surrenden Elektroautos 37 Prozent häufiger in Unfälle mit Fußgängern verwickelt sind als die brummenden Benziner und Diesel. Ab 1. Juli 2019 müssen zunächst nur neue Elektroauto-Modelle mit einem Acoustic Vehicle Alerting System, kurz AVAS, ausgerüstet sein. Ab Sommer 2020 gilt die Vorschrift für alle neu in den Verkehr gebrachten rein batterieelektrischen Autos, Plug-in Hybride und Brennstoffzellenfahrzeuge – inklusive LKW und Busse.

Die akustische Warneinrichtung AVAS muss bis zu einer Geschwindigkeit von 20 km/h sowie beim Rückwärtsfahren einen Verbrenner-ähnlichen Ton mit mindestens 56 dB(A) und maximal 75 dB(A) bei 20 km/h erzeugen. Vorgeschrieben sind mindestens zwei Terzbänder, eines davon mit weniger als 1600 Hertz, damit auch Senioren mit schlechtem Gehör frühzeitig auf das sich nähernde Fahrzeug aufmerksam werden.

Beim Beschleunigen soll sich die Tonlage von einer eher tiefen zu einer höheren Frequenz verändern. Zoe-Fahrer kennen dieses Geräusch bereits, es klingt fast wie so manches Raumschiff aus Science-Fiction-Filmen:

Vor allem die Verbände Weltblindenunion (WBU), die Europäische Blindenunion (EBU) und der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) haben sich dafür eingesetzt, dass das System eingeführt werden muss. Gerhard Renzel, Leiter für Umwelt und Verkehr beim DSBV, sagt, dass es dem Verband allerdings nicht allein um sehbehinderte Menschen gegangen sei: „Wir denken dabei auch an ältere Mitbürger und Kinder“, sagte er dem Spiegel zufolge.

Kritiker bemängeln das künstliche Fahrgeräusch AVAS als unnötige Lärmquelle: „Es macht die E-Fahrzeuge zwar für manche Verkehrsteilnehmer sicherer, schränkt aber das lautlose Gleiten für den Fahrer ein“, so Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM). Er ist sich aber auch sicher, dass sich dieser Nachteil nicht auf den Durchbruch der Elektromobilität auswirke, da es „viel zu viele andere Vorteile“ gebe, die für das Elektroauto sprechen.

Quelle: Spiegel – Elektroautos müssen künftig wie Benziner und Diesel klingen

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Gert:

Diese neue Vorschrift ist schlicht fantasielos. Es wäre sicher besser gewesen, eine andere Signalquelle zu verwenden, z.B. ein Funksignal mit kurzer Reichweite, dass dann auch von Kopfhörern aufgenommen werden könnte. Zudem müssten auch alle Verbrenner damit ausgerüstet werden, wenn deren Motorgeräusch eine bestimmte Schwelle unterschreitet. Ein sanft dahin gleitender Rolls Royce, zum Beispiel, war schon immer auf dem Lautstärken-Niveau eines heutigen Elektrofahrzeuges.

Sebastian Henßler:

Gehe auch davon aus, dass dies nur für eine Übergangsphase der Fall sein wird. Wenn E-Autos zur Normalität geworden sind, wird man auch ein ganz anderes Verständnis hierfür besitzen.

Sebastian Henßler:

Durchaus ein Argument mit den E-Bikes. Danke für den Einwand.

Carlo:

Schade, dass der Lärm in den Städten nun gesetzlich gefördert wird.
Ich kann die Argumente aber auch verstehen.

Wie ist es denn mit den ebikes? Wann bekommen die sowas? Die sind viel näher an den Fußgängern dran und auch gefährlich.

Volker:

Schon kleine Kinder lernen am Zebrastreifen und an der Ampel immer auf den Verkehr zu achten bevor die Straße betreten wird. Und wenn ältere Menschen schlechter hören müssen Sie eben mit den Augen ausgleichen. Dass die Handygeneration mit Knopf im Ohr und blick auf das Display über die Straßen rennt wird auch nichts ändern wenn E-Autos mit künstlichem Lärm herum fahren müssen. Ich bin mir sicher dass diese Entscheidung bei zunehmender Anzahl an E-Autos wieder revidiert wird. Wir benötigen keinen weiteren Kunstlärm oder müssen dann zukünftig auch Fahrräder mit einer Warnsirene ausgestattet werden ?

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