Rollende Trutzburgen: Panzerfahrzeuge unter Strom

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BMW

Stefan Grundhoff
Stefan Grundhoff
  —  Lesedauer 5 min

Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz sein Kanzleramt im Auto verlässt, ist er ebenso in einer schwer gepanzerten Limousine unterwegs wie zahlreiche Besucher des Weltwirtschaftsforums im Schweizer Wintersportort Davos, das in dieser Woche stattfindet. Neben der bestmöglichen Panzerung wird auch hier das Thema Nachhaltigkeit immer wichtiger. Daher kommen erste Panzermodelle mit Stecker.

Olaf Scholz setzt auf eine schwer gepanzerte Mercedes S Klasse vom Typ S 680 Guard, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ist bevorzugt mit einem gepanzerten Audi A8 unterwegs und BMW hat seinen aktuellen 7er erstmals als Schwerpanzerversion mit Elektroantrieb im Programm. Was Personenschützern bisher die Haare zu Berge stehen ließ, hat einen Grund. Selbst die Panzerfahrzeuge sind längst mehr als rollende Trutzburgen, sondern auch eine rollende Visitenkarte. Da einige Politiker wie der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg vor Terminen von seinem gepanzerten Audi A8 gerne publikumswirksam auf eine hybride Mercedes S-Klasse umstieg, entschied sich BMW als bisher einziger Hersteller, einen Werkspanzer auf Wunsch auch mit einem Elektroantrieb anzubieten.

Seit kurzem haben die Bayern neben dem BMW X5 Security VR6 – zumeist als Begleitfahrzeug und für Sondereinheiten der Polizei genutzt – wieder eine Luxuslimousine der höchsten zivilen Schutzklasse VR10 im Portfolio. Und während Mercedes S 680 Guard oder Audi A8 allein mit Verbrennerantrieben verfügbar sind, will BMW mit dem gepanzerten BMW i7 auch jene Politiker locken, denen eine ökologische Außenwirkung über alles geht.

Der Aufwand, eine Limousine wie den BMW ab Werk zu panzern, ist immens, da das Fahrzeug zwar von außen beinahe wie ein normaler 7er BMW aussieht, mit diesem aber gerade in der Fahrgastzelle kaum etwas gemein hat. Noch größer ist der Aufwand bei einem batterieelektrischen Fahrzeug wie dem BMW i7. Der wird durch das Akkupaket im Unterboden noch schwerer und muss gerade hier besonders stark gegen Angriffe wie zum Beispiel Sprengfallen gesichert werden. Produziert werden BMW 7er und i7 High Security im Werk Dingolfing.Der neue BMW i7 kombiniert ein einzigartiges vollelektrisches Fahrerlebnis mit dem fortschrittlichsten Technologiepaket in der gesamten Industrie“, sagt BMW-Entwicklungsvorstand Frank Weber, „deshalb war für uns völlig klar, dass wir auf Basis dieses Hightech-Produkts auch ein erstklassiges Hochsicherheitsfahrzeug anbieten werden.

Gefertigt wird das 5,39 Meter lange Sicherheitsdoppel in einem aufwendigen Manufakturprozess. Für Sicherheit der Insassen sorgen nach der Schutzklasse VR9 eine selbsttragende Karosseriestruktur aus Panzerstahl kombiniert mit gesicherten Türen, Unterboden- und Dachpanzerung sowie Sicherheitsverglasung. Diese Scheiben erfüllen dabei die Anforderungen der höchsten Widerstandsklasse VPAM 10 für zivile Sonderschutzfahrzeuge.

Die Verbrennerversion des BMW 7er Protection verfügt zudem über einen auslaufhemmenden Kraftstofftank und ist auf besonderen Wunsch auch mit Karosserieschutzpanzerungen nach VPAM 10 aufrüstbar, die gegen den Beschuss mit Sprengladungen und Schusswaffen verschiedenster Art schützen sollen. Optisch unterscheiden sich die Panzerversionen kaum von den normalen Modellen BMW i7 / 7er. Zu erkennen sind die Modelle allenfalls an den dickeren und damit dunkleren Sicherheitsscheiben, die nunmehr auch vorne beheizt werden können. Der 20-Zoll-Radsatz verfügt über Notlaufeigenschaften, die die Weiterfahrt bei defekten Reifen ermöglicht.

BMW-i7-Gepanzert-Sicherheitsfahrzeug-Politiker-Dienstwagen
BMW

BMW ist der erste Großserienhersteller, der mit seinem i7 eine Luxuslimousine zumindest in Europa als Schutzfahrzeug anbietet. Für den Antrieb sorgen zwei Elektromotoren an Vorder- und Hinterachse mit einer Leistung von 400 kW / 544 PS / 745 Nm. Aus dem Stand geht es in 9 Sekunden auf Tempo 100 und bei Tempo 160 wird elektronisch abgeriegelt. Der Normverbrauch: 30 kWh / 100 Kilometer. Für alle, die wie bisher auf einen Verbrenner setzen, ist die Panzerlimousine weltweit auch mit einem doppelt aufgeladenen Achtzylinder zu bekommen. Der 4,4 Liter große Verbrenner mit seinen 390 kW / 530 PS / 750 Nm macht die gepanzerte Limousine bis zu 210 km/h schnell.

Mercedes hat die gepanzerte G-Klasse vor Jahren aus dem Programm genommen. Die Nachfrage nach ungepanzerten Serienmodellen ist derart groß, dass man sich bis auf weiteres hierauf konzentrieren möchte. Keine Luxuslimousine auf der Welt ist bekannter als die Mercedes S-Klasse und diese ist seit der Generation W116 Mitte der 1970er Jahre auch als Panzerversion zu bekommen. Große Bedeutung bekam sie in Deutschland insbesondere als Schutzfahrzeug für Politiker und Wirtschaftsgrößen, die seit den 1970er Jahren vor dem Terror der Rote Armee Fraktion geschützt werden sollten. Fast legendär die Panzerversionen von Mercedes 560 SEL / W 126 und 600 SEL / W 140, in denen unter anderem Helmut Kohl und Vladimir Putin lange Jahre hoch gesichert reisten.

„Die Fahrzeuginsassen wollen um keinen Preis auffallen“

Ebenso wie die kleine Zahl der Wettbewerber ist der Mercedes S 680 Guard nur auf den zweiten Blick von seinem zivilen Standardbruder zu unterscheiden. „Die Fahrzeuginsassen wollen um keinen Preis auffallen. Deswegen ist der S 680 Guard fast immer schwarz lackiert, einige wenige weiß“, sagt Produktionsleiter Christof Wittlinger. Die gepanzerte Version hat einen Rohbau aus Panzerstahl, der an neuralgischen Stellen mit Aramidelementen, also Kevlar, bestückt ist und mit einer Blechhülle das Aussehen der Serien-S-Klasse bekommt.

Das Kunststück ist die Sicherheitszelle“, erklärt Baureihenleiter Dr. Andreas Zygan, der den Handel mit den gepanzerten Fahrzeugen als „Geschäft, das im Verborgenen stattfindet“ bezeichnet. Mercedes-Techniker sind immer im Austausch mit den Experten des Bundeskriminalamts und des Beschussamts, die versuchen, die Schwachstellen des S 680 Guards aufzudecken. Deswegen befeuern sie das Auto auch mit über 300 Schuss VR10-Munition, um zu sehen, ob der Biofidel-Dummy den Kugelhagel unbeschadet übersteht. Die Puppe hat 42 Knochen sowie zwölf Weichteil- und Gewebebestandteile, die die Beschaffenheit eines Homo Sapiens nachbilden.

Mercedes-Benz Typ S 680 GUARD 4MATIC
Mercedes-Benz

Angetrieben wird der 4,5 Tonnen schwere Panzerallradler von einem sechs Liter großen V12-Triebwerk mit 450 kW / 612 PS und einem Drehmoment von 830 Nm. Die abgeregelte Höchstgeschwindigkeit: 190 km/h. Damit selbst Kugeln des Kalibers 7,62 x 54R (Stahl-Vollmantel, Spitzkopf, Stahlhartkern mit Brandsatz) oder 12,5 Kilogramm Plastiksprengstoff nicht durchkommen ist, der 680er maximal gepanzert. So beißen sich selbst Dragunov-Kugeln an dem Gefährt die Zähne aus. Das hat seinen Preis: Der rollende Schutzanzug kostet mindestens 543.949 Euro, mit Sonderwünschen können es noch mehr werden.

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Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff ist Firmeninhaber und Geschäftsführer von press-inform und press-inform consult. Er ist seit frühester Kindheit ausgemachter Autofan. Die Begeisterung für den Journalismus kam etwas später, ist mittlerweile aber genau so tief verwurzelt. Nach Jahren des freien Journalismus gründete der Jurist 1994 das Pressebüro press-inform und 1998 die Beratungsfirma press-inform consult.
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thomas:

…selbst Kugeln des Kalibers 7,62x54R….

Das ist doch das mittlerweile Uralt-Kaliber des russichen Mosins.
Von den Parametern her vergleichbar mit .380Win, 8x57IS, .303Brit., .30-06 Springfield usw. Halt ein altes, ein klassisches Militärkaliber. Wie viele andere auch. Die lagen alle irgendwo ähnlich in den Leistungsdaten.

Da gibts doch mittlerweile viel rasanteres, viel energiereicheres, viel durchschlagstärkeres. Und damit meine ich gar nicht mal .50BMG.
Naja, bissel Ostblock-Bashing muss immer dabei sein, sonst machts ja keinen Spaß.

Andererseits: die Insassen, mal abgesehen von schwerstreichen Wirtschaftsbossen, müssen ja enorme Angts vor dem Volk, das sie mal gewählt hat, haben. Und sie halten sich offenbar für enorm wichtig und unersetzlich. Naja.

Smartino:

„Die Fahrzeuginsassen wollen um keinen Preis auffallen“
Das gilt mit Bestimmtheit für die Insassen.

Die schwarzen Panzerkonvois, die vom Flughafen Zürich 160 km in die Berge nach Davos ans WEF und wieder zurück rollen, sind aber schwerlich zu übersehen.

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