Warum E-Autos reisekrank machen können – und was Hersteller dagegen tun

Cover Image for Warum E-Autos reisekrank machen können – und was Hersteller dagegen tun
Copyright ©

Shutterstock / 1365738932

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 3 min

Es klingt zunächst ein wenig nach dem nächsten Versuch der Verbrenner-Lobby, Elektroautos schlecht zu reden: „E-Autos machen seekrank“ berichten mehrere Medien auf Basis aktueller Studien, die sich mit Reisekrankheit im Zusammenhang mit E-Autos auseinandergesetzt haben, nachdem Fahrgäste in Foren und Sozialen Medien von Übelkeit, Schwindel und Unwohlsein vor allem auf der Rückbank von E-Autos berichtet hatten. Die Studien belegen tatsächlich, dass die Symptome in Elektroautos um etwa 10 bis 30 Prozent häufiger und intensiver auftreten können als in Autos mit Verbrennungsmotor.

„Größere Übelkeit in E-Autos kann auf fehlende Erfahrung mit dieser Art der Fortbewegung zurückgeführt werden – sowohl als Fahrer als auch als Mitfahrer“, erklärt William Emond, Doktorand an der französischen Universität Belfort-Montbéliard, der zur Reisekrankheit forscht. Das Gehirn sei an bestimmte Bewegungsreize gewöhnt – etwa das Aufheulen eines Verbrennungsmotors vor dem Beschleunigen – und könne sich in geräuschlosen E-Autos schlechter auf bevorstehende Bewegungen einstellen.

Mehrere typische, eigentlich positive Merkmale von E-Autos wie der fehlende Motorsound, weniger Vibrationen und das sogenannte regenerative Bremsen gelten als potenzielle Auslöser. Letzteres sorge durch spürbares, langgezogenes Verzögern für besonders starke Irritationen im Gleichgewichtssinn. Eine Studie aus dem Jahr 2024 bestätigt: Je stärker die Rekuperation, desto höher das Risiko für Übelkeit.

Xiaomi stellt „Motion Sickness Relief Mode“ vor

Dass Autohersteller das Problem ebenfalls bereits erkannt haben, zeigt ein aktuelles Beispiel aus China: Der neue Xiaomi YU7 – ein elektrischer Luxus-SUV – bringt einen speziellen Modus gegen Reisekrankheit mit. Dieser soll durch eine optimierte Abstimmung von Leistungsentfaltung, Rekuperation und Fahrwerk das Fahrgefühl ausbalancieren. Erste Tests zeigen positive Ergebnisse: Die Häufigkeit von Übelkeit sank demnach um 51 Prozent, das Einsetzen der Symptome verzögerte sich im Schnitt um 16 Prozent.

„Die Wahrnehmung von Bewegung basiert auf Signalen aus Augen, Gleichgewichtsorgan und Körpergefühl“, so Emond. Kommen diese Informationen nicht überein, entsteht ein sogenannter „neuronaler Konflikt“, den das Gehirn als Gefahr interpretiert – mit typischen Symptomen wie Übelkeit, Schweißausbrüchen oder Schwindel. Ein weiteres Problem: Immer größere Displays im Innenraum lenken den Blick weg von der Straße. Dadurch fehlen wichtige optische Reize, die dem Gehirn helfen könnten, Bewegungen besser einzuordnen.

Was gegen Übelkeit in E-Autos hilft

Neben technischer Abhilfe – wie dem neuen „Motion Sickness Relief Mode“ von Xiaomi oder ähnlichen Funktionen bei Dongfeng-Nissan – können auch einfache Maßnahmen helfen: Der Platz auf dem Beifahrersitz ist meist stabiler, das Öffnen der Fenster verbessert die Sauerstoffzufuhr. Auch fettarme Mahlzeiten vor der Fahrt und im Zweifel Medikamente wie Dimenhydrinat können Linderung verschaffen.

Langfristig könnte vor allem Gewöhnung helfen: Wer häufiger E-Auto fährt, trainiert sein Gehirn auf die neue Art der Fortbewegung. Genau darin liegt laut Emond auch die Lösung: „Wenn wir ein neues Bewegungsumfeld entdecken, muss sich das Gehirn anpassen – wie bei der ersten Erfahrung in Schwerelosigkeit.“

Quelle: The Guardian – Do electric vehicles make people more carsick? / 36kr – Xiaomi YU7 has launched a „motion sickness relief mode“

worthy pixel img
Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
Sidebar ads

Artikel teilen:

Schreib einen Kommentar und misch dich ein! 🚗⚡👇


Ähnliche Artikel

Cover Image for Tesla testet FSD-System auf Europas Straßen im Model 3

Tesla testet FSD-System auf Europas Straßen im Model 3

Sebastian Henßler  —  

In London zeigt Teslas FSD-Software, wie automatisiertes Fahren im realen Stadtverkehr aussehen könnte. Das Model 3 navigiert souverän durch Englands Hauptstadt.

Cover Image for Hyundai Ioniq 2: Ist das der neue Einstieg ins E-Segment?

Hyundai Ioniq 2: Ist das der neue Einstieg ins E-Segment?

Sebastian Henßler  —  

Exklusiv gesichtet: Der Hyundai Ioniq 2-Erlkönig zeigt klare Linien, Pixel-Details und dürfte 2026 als günstiger E-Kompakter starten.

Cover Image for Volkswagen Group mit solidem Ergebnis in herausforderndem Umfeld

Volkswagen Group mit solidem Ergebnis in herausforderndem Umfeld

Michael Neißendorfer  —  

Der Volkswagen-Konzern hat sein Halbjahres-Ergebnis veröffentlicht. Absatz und Umsatz sind stabil, das Ergebnis aber litt stark, u.a. wegen Donald Trump.

Cover Image for MG IM6 im Test: Das kann Audis chinesischer Bruder

MG IM6 im Test: Das kann Audis chinesischer Bruder

Wolfgang Gomoll  —  

MG verweist die Idee, dass der IM6 nach Deutschland kommt, noch in den Bereich der Fabel. Aber es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn das nicht der Fall wäre.

Cover Image for Mehr als 400.000 Kilometer im Elektro-Mustang unterwegs

Mehr als 400.000 Kilometer im Elektro-Mustang unterwegs

Daniel Krenzer  —  

David Blenkle hat in den USA mit seinem Ford Mustang Mach-E schon viel erlebt, doch Sorgen bereitet der Akku auch nach der weiten Strecke nicht.

Cover Image for Kommt der Subaru Justy als Elektroauto zurück?

Kommt der Subaru Justy als Elektroauto zurück?

Michael Neißendorfer  —  

Besonders in Europa, wo kompakte, bezahlbare Elektroautos stark nachgefragt werden, könnte Subaru damit seine Position stärken.