MG IM6 im Test: Das kann Audis chinesischer Bruder

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Wolfgang Gomoll
Wolfgang Gomoll
  —  Lesedauer 6 min

Der Audi E5 Sportback, der den Ingolstädter Autobauer in China retten soll, basiert auf einer gemeinsam mit SAIC beziehungsweise MG IM entwickelten Plattform. Der MG IM6, der vor knapp zwei Wochen sein Europa-Debüt feierte, weist einige technische Parallelen zum Audi auf.

Deutschland und chinesische Premiummarken, das ist noch keine Liebesbeziehung. Fragen Sie mal bei Nio, BYD oder Great Wall Motor nach. In der europäischen Autonation Nummer eins haben Neuankömmlinge einen schlechten Stand, auch wenn sie langsam aufholen. Der chinesische Staatsautobauer SAIC hat sich den überschaubaren Erfolg der einheimischen Konkurrenz in Europa genau angeschaut und lanciert mit dem MG IM6 nun ein Nobel-SUV, zunächst in Großbritannien, Norwegen und der Schweiz. Also in Märkten, die entweder sehr elektromobilitätsaffin sind (Norwegen) oder in denen MG eine positive Tradition hat (Vereinigtes Königreich).

Aber moment mal… SAIC und Audi? Da war doch was. Ganz genau, auf der Shanghai Auto dieses Jahres haben die Ingolstädter das Konzept Audi E Concept (Audi E5 Sportback) vorgestellt, das noch dieses Jahr auf den Markt kommen soll. Ein Fahrzeug, das gemeinsam mit SAIC entwickelt worden ist. Interessanterweise hat auch der MG IM6 eine 800-Volt-Architektur, NMC-Akkus mit einer Kapazität von 100 Kilowattstunden (96,5 kWh netto), ein Fahrwerk mit Luftfedern (nur in der Launch-Edition) und adaptiven Dämpfern sowie eine Allradlenkung, bei der die Räder mit bis zu sechs Grad einschlagen. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt. Wir sind einfach mal so frei und schreiben dem chinesischen E-SUV eine Technik-Verwandtschaft zum Asia-Audi zu. Zu auffällig sind die Gemeinsamkeiten.

Dass die MG-IM-Plattform noch keinen Namen hat, passt ins Bild. Schließlich trägt die Audi-Architektur schon die Bezeichnung: Advanced Digitized Platform (ADP). Der 4,90 Meter lange MG IM6 hat einen Allradantrieb mit 553 kW / 752 PS und einem Drehmoment von 802 Newtonmetern. Nur so nebenbei: Die Audi-Studie bringt es auf 570 kW / 775 PS.

Doch nun wollen wir uns voll auf den MG-IM-E-Crossover konzentrieren. Power ist im Überfluss vorhanden. Kitzelt man mit der Einstellung Sport alles aus dem Antriebsstrang heraus, knackt das 2410 Kilogramm schwere Vehikel nach 3,5 Sekunden die 100-km/h-Marke und ist bis zu 239 km/h schnell (in der Performance-Version sogar 267 km/h). Wir waren die meiste Zeit im Comfort-Modus unterwegs und hatten immer das Heft des Handelns in der Hand. Aber auch mit Eco ist man alles andere als ein Verkehrshindernis. Wichtig ist, dass sich die Fahrmodi deutlich unterscheiden und wer will, kann sich sein eigenes Dynamikmenü zusammenstellen. Die Luftfeder erlaubt eine Höherlegung der Karosserie um 20 Millimeter und ein Kauern auf dem Asphalt mit fünf Zentimeter tiefer als im Normalzustand. Das hilft übrigens auch beim Ein- und Aussteigen sowie beim Beladen.

Spannend ist das Super-Eco-Fahrprogramm. Wenn die Chinesen Super-Eco sagen, dann meinen sie das auch so. Dieser Fahrmodus ist dafür gedacht, sich mit 60 km/h und fast leeren Batterien nach Hause zu schleppen. Dann wird unter anderem die Klimaanlage ausgeschaltet, die 360-Grad-Kamera wird genauso dunkel wie der zentrale 10,6-Zoll große Touchscreen und beim Navigationssystem verstummen die Ansagen. Dank der großen Energiespeicher kommt der Stromer bis zu 504 WLTP-Kilometer weit (Long-Range-Version mit Hinterradantrieb: 710 km) und aufgrund der maximalen Ladeleistung von 396 kW sind die Akkus innerhalb von 17 Minuten von zehn auf 80 Prozent gefüllt. Nach unserer Testfahrt meldete das System einen Durchschnittsverbrauch von 23,9 kWh/100 km. Das sind nur 0,5 kWh/100 km mehr als MG angibt.

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Beim Fahrwerk setzen die Techniker auf eine Multilink-Hinterachse sowie eine Doppelquerlenkerachse vorne. Das Zusammenspiel zwischen der Luftfeder und den adaptiven Dämpfern funktioniert besser als bei so manchen chinesischen Konkurrenten. „Wir haben das Fahrwerk auf die europäischen Bedürfnisse angepasst“, erklärt Chefingenieur Steve Garside. Der Schuss europäische Ingenieurskunst tut dem E-Crossover gut. Natürlich ist der MG IM6 typisch chinesisch abgestimmt, also komfortabel. Immerhin hält sich das Nachwippen im Vergleich zu anderen Modellen aus dem Reich der Mitte in Grenzen. Ähnliches gilt auch für die Lenkung, die dennoch verbindlicher sein könnte. Die Sitze haben eine zu kurze Beinauflage und bieten zu wenig Seitenhalt.

Bei den Fahrassistenzsystemen lassen sich die Autobauer aus dem Reich der Mitte ohnehin schon lange nicht mehr lumpen. Ein selbsttätiger Spurwechsel gehört mittlerweile zum Standardrepertoire. Genauso wie das Einparken auf Knopfdruck, sei es längs oder rückwärts. Man fährt auf den Parkplatz, das System zeigt die Optionen an, man wählt den gewünschten Standplatz aus, startet das Prozedere und schon übernimmt der Autopilot das Kommando. Wobei das Einparken besser gelingt als das Herausfahren, bei dem sich das System von den anderen fahrenden Autos bisweilen irritieren lässt. Außerdem an Bord: Ein Regen-Nacht-Modus, bei dem die Rundumkamera den Fahrer unterstützt. Das ist auch gut so, denn nach hinten ist die Sicht sehr eingeschränkt.

MG / Press-Inform

Beim Infotainmentsystem bietet der IM6 typisch chinesische Kost. Hat man eines gesehen, kennt man eigentlich alle. Vor dem Fahrer breitet sich ein 26,3 Zoll großer Bildschirm. Allerdings ist die Anordnung des 10,5 Zoll Monitors, der als Kommandozentrale dient, nicht ideal. Denn dieses Display befindet sich links ziemlich tief neben dem Fahrer. Will man eine Funktion aktivieren, muss man den Blick kurz nach unten richten. Zumal es im Innenraum fast keine echten Knöpfe und Hebel mehr gibt. Nicht ideal. Auch die Tesla-typische Reduzierung der Lenkrad-Fernbedienung auf zwei Walzen ist dabei keine große Hilfe. Das Smartphone ruht in einer gekühlten Ladeschale und zieht mit 50 Watt Strom. Apple CarPlay und Android Auto funktionieren drahtlos.

Kommt der MG IM6 auch nach Deutschland?

Beim Platzangebot gibt es wenig zu mäkeln. Bei einem Radstand von 2,95 Metern ist selbst im Fond mehr als genug Raum. Auch der Kofferraum ist mit 665 Litern Fassungsvermögen groß genug. Legt man die Lehnen der Rücksitze um, wächst das Volumen auf 1640 Liter. Dazu kommt noch Abteil unter der Fronthaube, in das 32 Liter passen. Bleibt noch der Preis: Großbritannien erhebt aktuell einen Zoll von zehn Prozent auf chinesische Autos. Die Basisversion des MG IM6 mit 100-kWh-Batterie, Hinterradantrieb und 300 kW / 408 PS kostet umgerechnet gut 55.000 Euro. Die von uns gefahrene Top-Version „Launch Edition“ schlägt mit rund 61.000 Euro zu Buche.

Aktuell verweisen die MG-Manager die Idee, dass IM nach Deutschland kommt, noch in den Bereich der Fabel. Aber es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn der IM6 nicht nach Deutschland käme. Auch in China gelten die Gesetze der Marktwirtschaft. SAIC müsste ja mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn man den großen und finanzstarken Automarkt Deutschland außen vor ließe.

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Wolfgang Gomoll

Wolfgang Gomoll

Wolfgang Gomoll beschäftigt sich mit dem Thema Elektromobilität und Elektroautos und verfasst für press:inform spannende Einblicke aus der E-Szene. Auf Elektroauto-News.net teilt er diese mit uns. Teils exklusiv!
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