CO2-Ziele in Gefahr: Europas Südwesten bremst aus

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Sebastian Henßler
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  —  Lesedauer 3 min

Europa will die CO₂-Emissionen seiner Neuwagenflotten senken, doch der Kontinent bewegt sich in zwei unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Während einige Länder mit hohem Elektroauto-Anteil glänzen, dominieren in anderen Regionen nach wie vor Verbrenner. Diese Schieflage stellt Autobauer vor große Herausforderungen, denn die EU-Vorgaben gelten für alle – unabhängig davon, wo ihre Modelle zugelassen werden.

In den ersten vier Monaten des Jahres lagen die durchschnittlichen CO₂-Emissionen in den acht führenden Märkten bei nur 64,2 Gramm pro Kilometer. Norwegen, die Niederlande und Schweden gehören zu diesen Vorreitern. Diese Länder profitieren von kurzen Distanzen zwischen Städten, einer gut ausgebauten Ladeinfrastruktur und steuerlichen Vorteilen für emissionsfreie Antriebe. „Diese Märkte, die sich all diese Marktkatalysatoren leisten können, sind die besten Schüler ihrer Klasse“, schreibt Automobil-Analyst Matthias Schmidt.

Allerdings machen diese gut aufgestellten Märkte weniger als 15 Prozent des gesamten EU-Marktes aus. Der Großteil der Neuzulassungen entfällt auf Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und Griechenland – also Länder mit vergleichsweise niedriger Elektrifizierungsquote. Laut Schmidt lag der durchschnittliche CO₂-Ausstoß neuer Autos in diesen fünf Ländern 2024 bei 111,9 Gramm pro Kilometer – deutlich über dem Zielwert von 93,6 Gramm, der ab 2025 gilt. „Weniger als sieben von zehn Neuwagen in der Region stammen aus diesen Märkten, die gleichzeitig mit hohen Emissionen zu kämpfen haben“, so der Automobil-Analyst.

Frankreich bildet eine Ausnahme. Zwar liegt der Elektroauto-Anteil hier leicht unter dem EU-Durchschnitt, doch der CO₂-Ausstoß ist mit 94,1 Gramm pro Kilometer auf Kurs, den Grenzwert einzuhalten. Der Grund: Franzosen sind eher pragmatisch, was ihre Autos betrifft, und greifen eher zu kleineren und leichteren Modellen, zumal für CO₂-intensive Neuwagen eine hohe einmalige Strafsteuer von im Extremfall bis zu 70.000 Euro fällig wird. Laut Schmidt liegt das Durchschnittsgewicht bei 1481 Kilogramm und der Hubraum bei 1403 Kubikzentimetern. Frankreich sei „im Grunde genommen bereits im Einklang mit den Flottenzielen bis 2029“, heißt es im Bericht.

Der Süden Europas als CO₂-Sorgenkind

Sorgen bereiten vor allem südliche Märkte wie Italien und Spanien. Sie gelten als besonders preissensibel, und E-Autos kosten dort oft rund 30 Prozent mehr als vergleichbare Verbrenner. „Dass es in diesen Regionen kaum Fortschritte bei der Plug-in-Penetration gibt, überrascht nicht“, kommentiert Schmidt. Zwar unterstützt Spanien nach der Flutkatastrophe in Valencia den Kauf von E-Autos mit bis zu 10.000 Euro, doch strukturell bleibt der Wandel aus.

Vor diesem Hintergrund fordern Hersteller zunehmend eine EU-weite Lösung. Besonders im Blick: ein soziales Leasingmodell nach französischem Vorbild, das Haushalten mit geringem Einkommen Elektroautos zu günstigen Monatsraten ermöglichen soll. Schmidt merkt an, dass dieses Modell frühestens 2028 EU-weit eingeführt werden könnte – und dann über Mittel aus dem Emissionshandelssystem (ETS II) finanziert würde.

Die Zeit drängt, denn ab 2030 sollen die CO₂-Ziele nochmals verschärft werden – auf durchschnittlich 49,5 Gramm. Hersteller wie Renault und Stellantis trifft das besonders. Rund ein Drittel ihrer Verkäufe entfällt auf Märkte wie Spanien, Italien und Griechenland. Sie setzen nun auf neue, günstigere Elektroautos mit LFP-Batterien. Renaults CO₂-Durchschnitt lag 2024 in Frankreich bei 100,3 Gramm, in Spanien hingegen bei 121 Gramm.

Auch Nissan steht unter Druck. Der Hersteller hat nur noch einen geringen Marktanteil in der EU und kam im vergangenen Jahr auf einen CO₂-Flottenwert von 123 Gramm. „Nissan könnte sich als Nischenhersteller qualifizieren“, schreibt Schmidt – eine Art letzter Rettungsanker, der niedrigere Zielwerte erlaubt. Hoffnung setzt das Unternehmen auf die nächste Generation des Leaf, die 2026 auf den Markt kommt.

Schmidt beobachtet die Entwicklungen mit Skepsis: „Viele Hersteller setzen auf margenarme E-Autos, um ihre Ziele zu erreichen, und hoffen auf eine Entschärfung der Vorgaben für 2030.“ Doch Entwarnung gibt er nicht. Vielmehr zeigt der aktuelle Stand: Die einen erfüllen ihre Aufgaben mit Bravour – die anderen drohen zu sitzenzubleiben.

Quelle: Matthias Schmidt – European Electric Car Report April 2025

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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E. Wolf:

Zitat: „Auch Nissan steht unter Druck. Der Hersteller hat nur noch einen geringen Marktanteil in der EU und kam im vergangenen Jahr auf einen CO₂-Flottenwert von 123 Gramm.“

Na, dann Nissan mit seinem Lead (3. Gen) doch einmal sofort DC-BiDi freischalten und damit den Weg für V2H (vehicle-to-home) ermöglichen – regulatorische Hindernisse gibt es keine !!

Kosten tut es den Hersteller auch keinen €cent, da es mit CHAdeMO bereits zurVerfügung steht.

Die Nische zu verlassen könnte so einfach sein und gleichzeittig der eMobilität und der Energiewende eine echten Boost verpassen – Gas Kathie und fossile Lobby würde toben, wie das Rumpelstilzchen.

Rolando:

Insgesamt wird das ganze Thema BEV viel zu halbherzig angegangen. Die Fossil Lobby ist stark und verzögert wo es nur geht.

Frank:

Was macht eigentlich die anderen 40 Länder in Europa ?

Musicman:

Ein wichtiger Grund dafür dürfte auch die Situation rund um die Ladeinfrastruktur sein. Während Deutschland schon große Fortschritte in Bezug auf die Verfügbarkeit von HPC hat (Preispolitik mal ausgeklammert), ist unter anderem die Infrastruktur in Italien und Spanien sehr weit davon entfernt. Allein die Tatsache, dass man in Italien von der Autobahn (häufig) runter fahren muss und sich in der Mautschlange anstellen muss, nur um einen HPC zu finden ist im Grunde kaum tragbar. Ich kann gut verstehen, dass dies Menschen vom Kauf eines BEV zurückhält. Unabhängig vom Anschaffungspreis. Den die Menschen die ausreichend Geld zur Verfügung haben sind in vielen Fällen auch Leute die Bequemlichkeit und Komfort schätzen. In Bezug auf die Infrastruktur ist es aktuell leider noch nicht bequem. Es gibt viel zu tun. Packen wir es an!

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