China Speed: Europas Lernpotenzial in der E-Auto-Industrie

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Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 4 min

In einer Zeit, in der sich die Automobilindustrie weltweit rasant verändert, gewinnen Diskussionen über die Zukunft von Elektroautos und den Wettbewerb zwischen Europa und China immer mehr an Bedeutung. In meinem jüngsten Gespräch mit Daniel Kirchert, dem CEO von Noyo Mobility, tauchten wir tief in diese Thematik ein und beleuchteten die Herausforderungen, mit denen europäische Automobilhersteller konfrontiert sind, sowie die Chancen, die sich durch den Eintritt chinesischer Marken auf dem europäischen Markt bieten.

Daniel und ich sprachen über die Einführung von Strafzöllen auf chinesische Elektroautos, ein Thema, das derzeit heiß diskutiert wird. Daniel, der seine berufliche Laufbahn in China verbracht hat und nun chinesischen Herstellern beim Markteintritt in Europa hilft, vertritt eine klare Meinung: „Ich glaube, das ist politisch eine wirklich katastrophale Fehlentscheidung.“ Diese Aussage von ihm hat mich ins Grübeln gebracht. Es stimmt, dass Europa noch immer darum kämpft, die Elektromobilität flächendeckend durchzusetzen. Statt den Wettbewerb zu fördern, könnten solche Maßnahmen letztlich den Markt bremsen, insbesondere in einem Segment, das dringend Wachstum braucht – den kostengünstigen Einsteiger-Elektroautos.

Im Laufe unseres Gesprächs wurde deutlich, wie China es geschafft hat, innerhalb eines Jahrzehnts zur globalen Führungsmacht in der Elektromobilität aufzusteigen. Daniel erklärte, dass dies vor allem einer strategischen Industriepolitik und einem ausgeprägten Unternehmertum zu verdanken sei. „Inzwischen dauert bei den großen fünf Herstellern in China eine Entwicklung 24 Monate“, erzählte er mir, und ich war beeindruckt von diesem China Speed, der es den chinesischen Herstellern ermöglicht, schneller und kostengünstiger als ihre europäischen Konkurrenten zu agieren, wenn es darum geht, neue Modelle auf die Straße zu bringen. Diese Effizienz ist ein klares Zeichen dafür, dass Europa dringend aufholen muss.

Die Herausforderung für deutsche Marken

Die Lage der deutschen Automobilhersteller in China ist prekär. Während sie in der Vergangenheit den weltweit mit Abstand größten Markt dominiert haben, geraten sie im Elektrosegment, das bereits die Hälfte der Neuwagen in China ausmacht, zunehmend ins Hintertreffen. Daniel machte deutlich, dass dieser Trend nicht nur auf China beschränkt bleiben könnte: „In China ist die Situation jetzt super dramatisch für die deutschen Hersteller.“ Diese Warnung sollte man wohl sehr ernst nehmen, denn es scheint, als ob die Zeit knapp wird. Die europäische Automobilindustrie steht am Scheideweg, und es ist dringend notwendig, alte Strukturen zu überdenken und Innovationskraft zu mobilisieren.

Als wir über Daniels Arbeit mit Noyo Mobility sprachen, wurde klar, dass der Markteintritt chinesischer Marken in Europa alles andere als einfach ist. Daniel und sein Team helfen chinesischen Herstellern, den europäischen Markt zu verstehen und die Herausforderungen des Markenaufbaus zu meistern. Er betonte die Bedeutung von Vertrauen und Service: „Das Problem ist, dass viele der chinesischen Hersteller die Schwierigkeit des Markenaufbaus in Europa total unterschätzen.“ Diese Einsicht hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, dass neue Marken nicht nur technisch überzeugen, sondern auch das Vertrauen der europäischen Verbraucher gewinnen müssen.

Ein besonders spannender Punkt in unserem Gespräch war die Einführung erschwinglicher Elektroautos in Europa. Daniel und sein Team setzen auf Modelle wie den Dongfeng Box, die im unteren Preissegment angesiedelt sind und somit eine wichtige Lücke füllen könnten. „Der wirkliche Gamechanger sind eben diese erschwinglichen Autos“, sagte Daniel, und ich teile seine Ansicht, dass genau diese Fahrzeuge der Schlüssel sein werden, um die breite Masse für die Elektromobilität zu gewinnen.

„Wir können zu den Leadern gehören statt zu den Losern“

Abschließend fragte ich Daniel, wie er die Zukunft der Elektromobilität in Europa sieht. Seine Antwort war ermutigend, aber er wies auch auf die Risiken hin: „Ich glaube, das Thema lässt sich gar nicht aufhalten. Ich hoffe, dass wir das stärker proaktiv angehen und nicht defensiv, weil dann können wir mit zu den Leadern gehören statt zu den Losern.“ Es ist klar, dass Europa handeln muss, um in diesem globalen Wettbewerb nicht zurückzufallen. Daniel sieht Chancen in Kooperationen zwischen europäischen und chinesischen Herstellern, um das Beste aus beiden Welten zu vereinen – ein Ansatz, den man durchaus als vielversprechend erachten darf.

Insgesamt war das Gespräch mit Daniel Kirchert ein Weckruf. Die Zeit drängt, und Europa muss jetzt handeln, um seine Position in der globalen Automobilindustrie zu behaupten. Es wird entscheidend sein, wie schnell und entschlossen wir auf die Herausforderungen der Elektromobilität reagieren. Die Zukunft der europäischen Automobilindustrie hängt davon ab. Aber hör am besten selbst.

Gerne kannst du mir auch weitere Fragen zur E-Mobilität per Mail zukommen lassen, die dich im Alltag beschäftigen. Die Antwort darauf könnte auch für andere Hörer:innen des Podcasts von Interesse sein. Wie immer gilt: Über Kritik, Kommentare und Co. freue ich mich natürlich. Also gerne melden, auch für Themenvorschläge. Und über eine positive Bewertung beim Podcast-Anbieter deiner Wahl freue ich mich natürlich auch sehr! Danke.

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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M3:

Stimme zu…schlimmer noch…
D ist sofort pleite wenn man die China-Importe stoppen würde. Wir haben uns durch zu wenige Innovationen in vielen Feldern abhängig gemacht.

M3:

Wie oben schon geschrieben gilt auch hier:
Ich habe geschrieben: Natürlich ist das nicht gut. Deshalb verstehe ich Ihr „Reply to M3“ nicht!
Ich denke:
Sie greifen also nicht meine Argumentation mit Ihren Suggestiv-Fragen an sondern schreiben einfach mal so…vielleicht bleibt was hängen, oder?
Wozu? Es weiss doch jeder, das das keine überzeugende Argumentation ist.

M3:

Ich habe geschrieben: Natürlich ist das nicht gut. Deshalb verstehe ich Ihr „Reply to M3“ nicht!
Ich denke:
Sie greifen also nicht meine Argumentation an sondern schreiben einen allgemein gültigen Satz, richtig?
Wozu? Es weiss doch jeder, das das eine schwache Argumentation ist.

Silverbeard:

Sie verlangen Patriotismus von Menschen, die kaum die Lebenshaltungskosten stemmen können? Und was genau heißt Patriotismus in dem Fall. Das schlechtere UND teurere Produkt nehmen?

Und selbst wenn man deutsche Marken kauft, stecken chinesische Zulieferteile drin. Z.B. Mercedes baut seine Verbrenner Motoren dort. Was ist mit Mini oder Smart?

Groß:

Ich habe eine wallbox mit 7 kWh und mein 100 kWh Akku ist über Nacht voll geladen.
Viele lassen sich von den Fake-News der Verbrennerlobby falsch beeinflussen.

Groß:

Strafzölle braucht man um sein Produkt vor besseren Produkten zu „schützen“.
Wenn die europäische und ganz besonders die deutsche Automobilindustrie nicht blindlings mit alten Technologien in den Abgrund rennen würde sondern sich der Zeit und dem Markt anpassen würde wären diese „Schutzzölle“ vor einem besseren Produkt nicht nötig.
Das immer aggressivere vorgehen und auch schreiben gegenüber den Vertretern der E Mobilität zeugt letztlich nur von einem hilflosen Verhalten weil sich die Zeiten ändern und man das nicht einsehen will. Damit sind auch manche der Schreiber hier gemeint.
Wer sich nicht ändert und der Situation anpasst wird untergehen.
Die Schuld an der Misere bei anderen und nicht bei sich selber zu suchen ist immer der eiinfachere Weg. Aber nicht der richtige Weg.
Das ist wie wenn Mann oder Frau im Pelzmantel betteln geht.

Wilf:

Am 10. Oktober werden wir hoffentlich klarer sehen. Aber auf den erhöhten Einsatz der Flotte von 5% auf bis zu 50% sind die Volkswiirtschaften nicht eingestellt. Ich nehme nicht an heute auf dem Autogipfel eine Diskussion zu erleben, wie die Welt sich verändern würde wenn nur noch 10 bis 20 Millionen (e-) Autos pro Jahr benötigt werden.

Captain Ahab:

Wie genau geht Ihre Argumentation?

Weil wir schon viel kaufen ist es richtig, wenn wir damit fortfahren?

Finden Sie das überzeugend?

Captain Ahab:

Ich gebe mir Mühe.

Habe auch schon mal ein paar Jahre möglichst keine französischen (-> Atomtests) oder US-amerikanische (-> Trump) Produkte gekauft.

Man tut was man kann; als Konsument primär mit dem Einkauf-Verhalten.

Oder haben Sie einen besseren Vorschlag, wie man sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzt?

Jakob Sperling:

Die Argumentation, dass bisher viel gekauft werde, darum sei es richtig, wenn man weiterhin kauft,
ist eine – gelinde gesagt – schwache Argumentation.

D hat auch Jahrzehntelang sehr viel Erdgas aus Russland bezogen.
Trotzdem war man dann irgendwann der Meinung, dass das vielleicht falsch sei; und vielleicht auch war.

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