AvD-Präsident: Die Fixierung allein auf Strom ist „riskant“

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Laura Horst
Laura Horst
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Lutz Leif Linden ist der Präsident des Automobilclubs von Deutschland (AvD), der kürzlich sein 125-jähriges Bestehen gefeiert hat. In einem von der Messe Frankfurt veröffentlichten Interview hat Linden über die Zukunft der Mobilität mit verschiedenen Antriebstechnologien und den gegenwärtigen Stand der Mobilitätswende gesprochen.

„Mit der Elektromobilität sind wir, ich will nicht sagen, ganz am Anfang, aber doch am Anfang“, lautet die Bilanz des AvD-Präsidenten zur Mobilitätswende. Zum einen seien die Menschen nicht immer „so leicht zu haben für Veränderungen“. Gleichzeitig sei die Infrastruktur noch nicht da, wo sie sein sollte, wozu laut Linden die langwierigen Genehmigungsverfahren hierzulande beitragen. „Sowas schafft Verunsicherung, gerade bei denen, die etwas bewegen wollen“, merkt er an.

„Im geforderten Tempo von der Klima-Belastung runterzukommen, werden wir schon wegen der hohen Bestandsflotte nicht schaffen, wenn wir nur auf E-Mobilität setzen. Beim gegenwärtigen Produktionsvolumen von E-Autos würde es 15 Jahre dauern, die Bestandsflotte zu ersetzen“, sagt der AvD-Präsident im Interview. Er spricht sich daher für eine Offenheit gegenüber E-Fuels und anderen Arten von „Kraftstoffen mit hoher biologischer Beimischung“ aus. Im Lastverkehr sieht er außerdem Potenzial beim Wasserstoff.

„Die Fixierung auf elektrischen Strom finde ich riskant“, sagt Linden, auch weil noch nicht ausreichend Grüner Strom verfügbar sei. „Und es macht keinen Sinn, am Auto den Auspuff abzusägen, um ihn am Kohlekraftwerk wieder anzuschrauben.“ Dass für die Produktion von E-Fuels und Wasserstoff ebenfalls Grüner Strom benötigt wird, und das in weitaus höherem Ausmaß als für die E-Mobilität, scheint bei Linden noch nicht angekommen zu sein – sonst müsste er seiner Logik nach Abstand nehmen von diesen beiden alles andere als energieeffizienten Antriebsoptionen.

E-Mobilität bringt neue Herausforderungen für die Pannenhilfe

Für den AvD, zu dessen wichtigen Dienstleistungen nach wie vor die Pannen- und Unfallhilfe gehört, bringt die Wende zur Elektromobilität noch weitere Herausforderungen mit sich. „Da kommen Aufgaben auf uns zu, von denen spricht kein Politiker“, äußert Linden. Als Stichworte nennt er den Sicherheitsabstand und den Brandschutz. Ebenso stelle sich die Frage, wie man das kontaminierte Wasser aus dem Container entsorgt, in dem die Batterien nach einem Fahrzeugbrand abtransportiert werden müssen. Bestehende Lösungen, auch für den Elektroschrott, seien „alle sehr teuer“.

Für die Mitarbeiter der Pannenhilfe ist eine spezielle Zertifizierung nötig, damit sie überhaupt an batterieelektrischen Autos arbeiten dürfen. „Es ist zusätzlicher Aufwand, aber wir haben ausreichend geschulte Leute“, sagt Linden. Von den Deutschlandweit mehr als 620 Betrieben mit über 2200 Abschleppfahrzeugen und Kränen, die für den AvD im Einsatz sind, hätten mittlerweile alle eine Zertifizierung.

Autonomes Fahren für den ÖPNV

„Das Kolonnenfahren auf der Autobahn, mit fünf Metern Abstand, das sogenannte Platooning, funktioniert ganz hervorragend. Aber da sind wir noch nicht im Level 5. Und das wird auch noch dauern“, lautet Lindens Einschätzung zum autonomen Fahren. Ein kritischer Punkt sind für ihn die aktuell verwendeten GPS-Systeme, denn diese seien viel zu ungenau. Zudem gehe von autonomen Autos eine Unfallgefahr aus, zum Beispiel weil sie den Beschleunigungsstreifen nicht richtig nutzen, wozu er ausführt: „Wenn wer von hinten kommt, bremsen sie, statt zu beschleunigen und einzufädeln. Da kann der Mensch noch ein bisschen flüssiger fahren.“

Potenzial für autonome Fahrzeuge sieht der AvD-Präsident im Logistikbereich und beim ÖPNV. „An Lastwagen lassen sich auch Kameras und technische Systeme besser anbringe – und dann fahren die von einem Logistikzentrum ins andere“, so Linden.

Den ÖPNV kritisiert Linden dafür, dass er alles tue, „damit die Leute zum Individualverkehr zurückkehren“. Schlechte Verbindungen, Fahrpreiserhöhungen und fehlende Park And Ride-Angebote machen „den Leuten das Umsteigen nicht leicht“. Insbesondere für die Gen Z sieht Linden ein Dilemma, wozu er erklärt: „Ein Elektroauto können sich junge Leute nicht leisten, das ist klar. Dann probieren sie Carsharing, und merken, wie teuer das ist. Was heute fehlt, ist sowas wie der VW-Käfer, der uns für kleines Geld überallhin gebracht hat.“

Quelle: Messe Frankfurt – Interview mit Lutz Leif Linden, Präsident Automobilclub von Deutschland (AvD)

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