Anfang Februar hat ElectricBrands beim Amtsgericht Darmstadt einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt – wir berichteten. Demnach arbeite das Unternehmen daran, eine vollständige Sanierung der Gesellschaft zu erzielen. Davon betroffen sind schlussendlich auch der modulare E-Transporter XBus sowie der Microlino-Marktbegleiter Evetta.
“Es geht weiter, schon in den nächsten Wochen bringen wir ein neues Leichtfahrzeug auf den Markt”, sagte Max Brandt, Vorstandvorsitzender von ElectricBrands, zu den Zukunftsaussichten des Unternehmens. Das neue Leichtfahrzeug soll als kleinerer Elektrotransporter mit der Bezeichnung XBus S auf die Straße kommen. Und sorgt nun schon im Vorfeld der Vorstellung und Markteinführung für Verstimmungen.
Die Geschäftsführung des Marktbegleiters TYN-e hat Bedenken angemeldet, da der XBus S ihrer Meinung nach ein Plagiat ihres eigenen Modells darstellt, des TYN-e TX2. Besonders brisant sei, dass auf den von XBus verbreiteten Bildern des XBus S-Prototypen im Hintergrund sogar ein TYN-e TX1 zu erkennen sei. Markus Graf, der Geschäftsführer von TYN-e, betont gegenüber EAN: “TYN-e hat die exklusiven Rechte für den europäischen Markt. Diese Rechte können nicht von XBus erlangt werden”. Man werde gegen ElectricBrands rechtliche Schritte einleiten, wie aus der zugehörigen Pressemitteilung von TYN-e hervorgeht.
ElectricBrands hat bereits Stellung zu den Vorwürfen bezogen. In entsprechender Mitteilung heißt es, dass das Unternehmen Shandong Horche Intelligent Automobile als Auftragsfertiger für ElectricBrands tätig sei. In Zusammenarbeit mit diesem sei ein Leichtfahrzeug der L7e-Klasse entwickelt worden. Dieses Fahrzeug, benannt als XBus S, basiere auf einem bereits bestehenden Modell. Gemäß der Planung soll der XBus S ab August 2024 exklusiv durch ausgewählte Agenturpartner vertrieben werden. Ferner bestehe eine verbindliche Vereinbarung, die die Exklusivität für Homologation und Vertrieb des Fahrzeugs in der L7e-Klasse in Europa und weiteren Weltregionen sicherstellt.
Was den XBus S von TYN-e unterscheidet
Eine klare Abgrenzung zum Ansatz von TYN-e erwähnt das Unternehmen hinter dem XBus ebenfalls: “TYN-e importiert das Fahrzeug des Herstellers nicht als Leichtfahrzeug, sondern als Fahrzeug der N1-Klasse, was gewöhnlichen kommerziellen Fahrzeugen entspricht. Da die Fahrzeuge von TYN-e allerdings nicht den neuen Sicherheitsregulationen der GSR II (ab 1.7.2024) entsprechen, können diese nur in begrenzter Stückzahl (max. 1500 Einheiten/Jahr in der EU) und nur über Einzelabnahmen abgesetzt werden.” ElectricBrands verfolge mit dem XBus S als L7e-Fahrzeug ein anderes Konzept als TYN-e und sieht sich daher rechtlich auf der sicheren Seite.
Wie das Unternehmen hinter dem XBus hat sich auch TYN-e auf die Entwicklung leichter Elektroautos spezialisiert. TYN-e betont, dass die eigenen Entwicklungen seriös und eigenfinanziert vorangetrieben werden, ohne auf Anzahlungen von Händlern oder Endkunden angewiesen zu sein. Hinter TYN-e stehen Firmen wie Albert Weber International und ShareX, die in die Entwicklung der Elektrofahrzeuge investieren. ElectricBrands sieht den eigenen Ansatz eher als Vorteil: “Außerdem haben wir bereits seit Jahren ein erstklassiges Vertriebsnetz mit 800 Händlern über ganz Europa aufgebaut, was auf der innovativen Idee eines L7e-Fahrzeugs mit dem typischen XBus-Gesicht, welches auch der XBus S trägt, basiert. “
Die ersten Prototypen des TYN-e TX1 und TX2 wurden bereits der Öffentlichkeit vorgestellt, die Serienproduktion ist angelaufen. Die ersten Serienautos werden demnach bald an Kunden ausgeliefert, die bereits Verträge abgeschlossen haben.
In der erwähnten Mitteilung greift TYN-e auch Folgendes auf: “Kenner der Szene vermuten, dass die Firma mit diesem Manöver kurzfristig Investoren anlocken und so dringend benötigte neue Finanzmittel generieren will.” Diese “Kenner der Szene” werden durch das Unternehmen selbst nach Nachfrage nicht näher eingeordnet.
Wir jedenfalls sind schon gespannt, wie “Kenner der Paragrafen” die Angelegenheit rechtlich beurteilen werden.
Quelle: TYN-e – Pressemitteilung vom 09.02.2024 / ElectricBrands – Per Mail