Tesla muss nach tödlichem Autopilot-Unfall 243 Millionen Dollar Strafe zahlen

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Michael Neißendorfer
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Ein Geschworenengericht im US-Bundesstaat Florida hat entschieden: Tesla wird zu einem Drittel für einen tödlichen Unfall im Jahr 2019 verantwortlich gemacht, bei dem der sogenannte Enhanced Autopilot aktiv war, wie unter anderem CNBC und die New York Times berichten. Das Strafmaß ist deutlich – und dürfte weit über diesen einen Fall hinaus Wirkung entfalten.

Im Mittelpunkt des Verfahrens stand ein tragischer Unfall in Key Largo, Florida: Tesla-Fahrer George McGee überließ bei knapp 100 km/h dem Autopilot die Kontrolle über sein Model S, nachdem er sein Handy während der Fahrt fallen ließ und sich danach bückte, um es aufzuheben. Dabei fuhr das Auto ungebremst über eine Kreuzung, ignorierte dabei ein Stopp-Schild, und erfasste einen geparkten SUV, neben dem die zwei Insassen standen. Die 22-jährige Naibel Benavides starb noch am Unfallort, ihr Freund Dillon Angulo überlebte schwer verletzt – mit gebrochenen Knochen, einem Schädel-Hirn-Trauma und bleibenden psychischen Schäden.

McGee hatte sich während des Prozesses darauf berufen, dass Teslas Enhanced Autopilot eine Notbremsung hätte einleiten müssen. Genau hier setzt die Kritik an: Die Kläger warfen Tesla vor, die Fähigkeiten des teilautonomen Fahrassistenten übertrieben dargestellt und dessen Einsatz außerhalb von Autobahnen nicht ausreichend eingeschränkt zu haben.

Das Gericht sah Tesla zu 33 Prozent in der Verantwortung und sprach den Hinterbliebenen sowie dem Überlebenden eine Entschädigung in Höhe von 129 Millionen US-Dollar zu. Hinzu kommen 200 Millionen US-Dollar an sogenannten punitive damages – allein von Tesla zu tragen. Punitive damages, auf deutsch Strafschadenersatz, werden grundsätzlich nur für außergewöhnlich grob schuldhaftes, vorsätzliches Verhalten zuerkannt, nicht dagegen bei bloßer Fahrlässigkeit.

Das Gesamturteil summiert sich auf knapp 243 Millionen US-Dollar (etwa 209 Millionen Euro), ein Betrag, der sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich als Präzedenzfall gelten dürfte. Die Anwälte der Kläger betonten: „Tesla hat bewusst eine Technik auf öffentliche Straßen losgelassen, die nicht ausgereift war – und gleichzeitig behauptet, sie sei sicherer als menschliche Fahrer.“ Auch CEO Elon Musk habe mit Aussagen zur angeblichen Überlegenheit des Autopiloten dazu beigetragen, Nutzer in falscher Sicherheit zu wiegen.

Tesla kündigt Berufung an – und verteidigt sich vehement

Tesla wies die Vorwürfe zurück und kündigte umgehend Berufung an. In einer Stellungnahme erklärte das Unternehmen: „Dieses Urteil ist falsch und gefährdet die Fortschritte der gesamten Branche in Sachen Fahrzeugsicherheit.“ Der Konzern betonte, der Fahrer sei „überwiegend verantwortlich“ gewesen – er habe das Gaspedal durchgedrückt und sei abgelenkt gewesen, als er das Handy suchte. Laut Tesla hätte kein Auto der Welt – weder damals noch heute – den Unfall verhindern können.

Das Urteil fällt in eine kritische Phase für Tesla. CEO Elon Musk will Investoren von der Vision eines vollautonomen Robotaxi-Dienstes überzeugen. Doch die Realität sieht komplexer aus: In den USA laufen derzeit rund ein Dutzend weitere Klagen wegen Autopilot- oder Full Self-Driving-Unfällen. Die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA untersucht seit 2021 mögliche Mängel in Teslas Assistenzsystemen – eine zweite, laufende Prüfung soll klären, ob Teslas Software-Updates zur Fehlerbehebung ausreichend waren.

Zudem warnt die Behörde regelmäßig davor, dass Tesla in der Öffentlichkeit ein Bild seiner Systeme vermittelt, das im Widerspruch zu den tatsächlichen Fahrzeughandbüchern steht. Dort wird stets betont, dass ein aufmerksamer Fahrer mit Händen am Steuer erforderlich ist.

Laut der Plattform TeslaDeaths.com wurden bislang mindestens 58 Todesfälle registriert, bei denen der Autopilot kurz vor dem Crash aktiviert war.

Quelle: CNBC – Tesla must pay portion of $329 million in damages after fatal Autopilot crash, jury says / New York Times – Jury Says Tesla Was Partly to Blame for Fatal Crash

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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