Studie: Klimaschutz kostet, aber spart langfristig Milliarden ein

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 5 min

Die neue Bundesregierung formiert sich noch, es scheint aber klar: Das Ziel Klimaneutralität 2045 bleibt. Wie viel dieses Ziel kostet, haben Forschende des Kopernikus-Projekts Ariadne berechnet. Demnach werden die nötigen Investitionen zum Großteil durch Minderausgaben für fossile Energieträger ausgeglichen. Der Zusatzaufwand der Transformation lässt sich durch kosteneffizienten Klimaschutz je nach Szenario auf jahresdurchschnittlich 16 bis 26 Milliarden Euro bis 2045 begrenzen, 0,4 bis 0,7 Prozent der aktuellen Wirtschaftsleistung. Die europäische Koordination der Energie- und Klimapolitik spiele eine Schlüsselrolle, um die Kosten zu minimieren, heißt es hierzu in einer aktuellen Mitteilung.

Der umfangreiche Szenarienreport von sechs an Ariadne beteiligten Instituten will der nächsten Regierung wichtiges Orientierungswissen für Deutschlands Zukunft an die Hand geben. „Die Dekarbonisierung, also die Abkehr von Öl, Kohle und Gas, erfordert einen tiefgreifenden Umbau unserer Wirtschaft. Dieser Umbau führt zu jährlichen Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe“, sagt Gunnar Luderer, Leiter des Energy Transition Lab am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Vizechef des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts Ariadne. „Aber Brutto-Investitionen sollten nicht mit Netto-Kosten verwechselt werden. Wenn der Umstieg auf innovative und effiziente Technologien konsequent fortgeführt wird und diese intelligent vernetzt werden, ergeben sich hohe Einsparungen bei fossiler Energie.“ Demnach biete die Energietransformation die Chance, Deutschland und Europa fit für wichtige Zukunftsmärkte zu machen. Und unabhängig von Importen fossiler Energieträger.

Es geht um den Übergang in ein moderneres und effizienteres Energiesystem, ohne die hohen laufenden Brennstoff-Ausgaben. Zudem würden die von Deutschland verursachten Klimaschadenskosten der Jahre 2025 bis 2045 dadurch mehr als halbiert. Die Forschenden vergleichen verschiedene Szenarien, die sich im Wasserstoffbedarf, im Grad der direkten Nutzung von Strom und in der generellen Höhe der Energienachfrage unterscheiden.

Brutto, die Einsparung bei fossilen Energieträgern noch nicht gegengerechnet, führt die Energiewende zu Investitionen von jahresdurchschnittlich 116 bis 131 Milliarden Euro bis 2045 für erneuerbare Energien, Energienetze, energetische Sanierung und die Elektrifizierung von Industrieproduktion, Gebäudewärme und Straßenverkehr. Davon werden 95 Milliarden bereits durch bis heute beschlossene Maßnahmen induziert. Ein Großteil der Investitionen wird aus privaten Mitteln finanziert werden, der Staat wird vor allem bei Infrastruktur, bei der Markteinführung neuer CO2-neutraler Technologien und zur Minderung von Mehrbelastungen bei den privaten Haushalten eine Rolle spielen.

Elektrifizierung und Flexibilisierung sind wichtige Säulen der Klimaneutralität

Die Elektrifizierung stellt in den meisten Sektoren eine kosteneffiziente Klimaschutzoption dar. Entsprechend wird Strom zum wichtigsten Energieträger. Der Anteil von Wind- und Sonnenenergie im Strommix steigt bis 2035 je nach Szenario auf 84 bis 91 Prozent. Der Großhandelsstrompreis stabilisiert sich langfristig bei einem Jahresmittelwert von 70 bis 80 Euro pro Megawattstunde. Zeitvariable Strompreise schaffen Anreize für einen flexibilisierten Verbrauch.

„Auch regionale Strompreise tragen zur Kosteneffizienz bei“, sagt Tom Brown von der TU Berlin und Ko-Leiter des Arbeitspaketes Szenarien und Pfade bei Ariadne. „In Kombination mit einer integrierten Systemplanung und mehr Freileitungen lassen sich bei den bis 2045 notwendigen Investitionen in das Übertragungsnetz etwa 92 Milliarden Euro sparen und so die Ausgaben für alle Endkunden in Deutschland senken.“

Die deutsche Energiewende funktioniere nur in europäischer Kooperation. Da die Themen Flexibilität und Versorgungssicherheit mehr denn je in den Fokus rücken, bilde der Stromaustausch mit europäischen Nachbarländern eine wichtige Säule eines kosteneffizienten Energiesystems. Ein Großteil der Investitionen müsse daher in den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze fließen. Dunkelflauten sowie verbraucherseitige Schwankungen können durch Backupkraftwerke und Speichertechnologien wie Batterien ausgeglichen werden. Wichtig sei auch der Aufbau eines europäischen Wasserstoffnetzes. Zudem sei die Lenkungswirkung des Europäischen Emissionshandels und dessen Ausweitung auf bisher nicht abgedeckte Sektoren entscheidend für kosteneffizienten Klimaschutz.

In der Industrie erwartet der Ariadne-Szenarienreport Mehrbelastungen vor allem durch höhere Betriebskosten in nicht oder nur schwer elektrifizierbaren Bereichen. Das betreffe vor allem die Grundstoffindustrie sowie den Flug- und Schiffsverkehr. Als Ersatz für fossile Energie müsse dort auf Wasserstoff oder E-Fuels zurückgegriffen werden. Mehr Materialeffizienz und Recycling können Kosten in der Produktion einsparen. Und erste Verarbeitungsschritte der energieintensiven Industrie, zum Beispiel der Stahlerzeugung und der Grundstoffchemie, können in Länder mit Potenzialen für günstigeren erneuerbaren Strom verlagert werden.

Produktion, Wärme und E-Autos: In neue Technologien investieren und langfristig sparen

Mit je nach Szenario 41 bis 50 Milliarden Euro pro Jahr macht die Wärmewende im Gebäudesektor einen großen Anteil der Investitionsbedarfe aus. Zusatzkosten entstehen hier vor allem durch notwendige Gebäudesanierungen. Wärmepumpen können dagegen, über den kompletten Lebenszyklus, Raumwärme in der Regel günstiger bereitstellen als fossile Heizsysteme: höheren Anschaffungskosten stehen niedrigere laufende Kosten gegenüber.

Auch der beschleunigte Umstieg auf Elektromobilität ist laut den Forschenden kosteneffizienter, er ist auch eine industriepolitische Chance. Für viele trifft es schon heute zu, aber spätestens 2030 rechnet sich ein Elektroauto oder ein Elektro-Lkw gegenüber einem Verbrenner für dann fast alle Endnutzerinnen und Endnutzer wegen der geringeren Ausgaben für Energie und Wartung. In 2030 sollen batterieelektrische Pkw und Lkw in Deutschland ein Marktvolumen von 80 Milliarden Euro pro Jahr erreichen.

Die Studie zeigt auch, dass die Kosten des Klimaschutzes stark durch die Entwicklung der Energienachfrage beeinflusst werden: Gelingt es, durch klimafreundliches Verbraucherverhalten die Energienachfrage zu senken und schneller auf Klimaschutztechnologien umzusteigen, könnten die Energiekosten-Einsparungen die Klimaschutzkosten sogar übersteigen.

Klimainvestitionen sichern Deutschlands Zukunft als Wirtschaftsstandort

Der Report zieht das Fazit: Die Investitionen in die Energiewende bieten für Deutschland die Chance, die Wirtschaft zu modernisieren. Beim Export grüner Technologien kann das Land eine Vorreiterrolle einnehmen und so seine Wettbewerbsfähigkeit sichern. Große Potenziale bieten E-Autos, Wärmepumpen, Elektrolyseure, Batterie- und Wärmespeicher, Windkraftanlagen sowie Steuerungseinheiten für smarte Integration und Flexibilisierung.

Hielte Deutschland hingegen an fossilen Energieträgern fest, dann büßte es nicht nur seine Klimaziele, sondern auch seine Wettbewerbsfähigkeit ein, mahnen die Autor:innen der Studie.

Quelle: Ariadne Projekt – Pressemitteilung vom 06.03.2025

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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Peter Bigge von Berlin:

Die Bezeichnung Sparen gefällt mir an dieser Stelle gar nicht, sparen bedeutet nur Konsumverschiebung und keinen Konsumverzicht. Wir müssen aber zusehen mit allen Maßnahmen das zu retten, was wir lieb gewonnen haben, um es im unversehrten Zustand den nächsten Generationen zu übergeben.
Die vermutlich menschverursachten Klima- und Umweltprobleme werden wir in der Realität nicht mehr verhindern können, die werden selbst bei einer 180 Grad Wendung ihren ungehinderen Lauf nehmen, und dann müssten alle mitmachen.
Wer immer nur an seine persönliche monetäre Einsparung denkt, wird sicherlich keine erforderlichen Opferinvestitionen darüber hinaus einplanen.

Rolando:

Das ist alles ein alter Hut aber die Fossillobby ist derzeit noch stärker und Döpfner, also die Presse, hat auch noch seinen Anteil dran. Leider funktioniert das Zweifel sähen und Fehlinformationen in der Bevölkerung genauso gut wie damals mit dem Tabak und dem Krebs. Bekannt war das seit den 50/60-ern aber erst in den 90-er gab es die Tabakindustrie zu. Schauen wir nur auf H2 Autos und Efuels. Das Pferd ist von vornherein tot aus Wirkungsgrad Gründen. Das ist ein Naturgesetz und nicht diskutierbar. Leider verstehen das viele nicht.

Wolfbrecht Gösebert:

„Nö, Klimaschutz spart nix, …“

Kannst Du das angesichts der schon jetzt krass steigenden (Versicherungs-)Schadens-Aufwendungen für weltweilt immer heftigere Extremwetterlagen mal näher erläutern?!

Peter Bigge von Berlin:

Nö, Klimaschutz spart nix, wird uns aber vielleicht vor den Folgen der Immer-Mehr-Gesellschaft retten.
Allein die Bevölkerungsdichte Deutschlands ist enorm, viel höher als die von China, vom Fossil-Verbrauch ganz zu schweigen.
Wir brauchen die erneuerbaren Energien und die nachhaltige Kreislaufwirtschaft, damit unsere Immer-Mehr-Gesellschaft sich weiter vermehren kann, mehr und nochmals mehr bauen kann, nicht in der eigenen Sch… ersäuft, genügen Gen-Mais für die Ernährung anbaut, den Wald stehen lässt und nicht noch mehr Arten auf der Welt für immer ausgerottet werden. .

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