Klein, leise und elektrisch: Silence zeigt, wie urbane Mobilität aussehen soll

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Vanessa Lisa Oelmann

Vanessa Lisa Oelmann
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  —  Lesedauer 6 min

Die spanische Mikromobilitätsmarke Silence, bekannt für ihre elektrischen Zweiräder, präsentierte vor wenigen Tagen auf dem Acciona Campus in einem Madrider Vorort ihre Vision von der urbanen Mobilität der kommenden Jahre. Im Fokus: das neue Modelljahr des Silence S04, ein vierrädriges Leichtfahrzeug – quasi halb Roller, halb Auto, aber ganz elektrisch.

Seit der Übernahme durch den spanischen Infrastrukturkonzern Acciona setzt Silence auf Expansion, digitale Vernetzung und einen modularen Ansatz rund um das Thema Energie. Die Zahlen wirken ambitioniert, aber nicht aus der Luft gegriffen: Über 55.000 elektrifizierte Zweiräder sind bereits auf Europas Straßen unterwegs. Die Fertigung erfolgt in Barcelona, in einer 62.000 m² großen Anlage, rund 300 Mitarbeitende sind dort beschäftigt. Der Marktführer im Bereich elektrischer Zweiräder will künftig auch stärker im Segment der vierrädrigen Leichtfahrzeuge mitmischen.

Das neue Modelljahr des S04 kommt in drei Varianten, von gemütlich bis zügig. Die Einstiegsvariante L6e Unico fährt maximal 45 km/h schnell, bietet eine Reichweite von 100 Kilometern und richtet sich eher an Fahranfänger oder Stadtbewohner ohne Führerschein der Klasse B. Daraufhin folgt der L6e Vivo, der die Reichweite auf 162 Kilometer steigert, da hier zwei Batterien mitgeführt werden. Die Topversion, L7e Plus, bringt es auf 85 km/h, eine Reichweite von 157 Kilometern und beschleunigt in unter sieben Sekunden auf Stadtgeschwindigkeit. 247 Liter Kofferraumvolumen sollen laut Hersteller reichen für den Wochenendeinkauf oder zumindest für einen mittelgroßen Getränkekasten.

Neu im Programm: Die Cargo-Version des S04

Erstmals vorgestellt wurde nun auch eine Cargo-Variante des S04, eine speziell auf gewerbliche Nutzung ausgelegte Version des kompakten Stadtmobils. Der Umbau konzentriert sich dabei weniger auf die Optik als auf das Ladevolumen: Statt Beifahrersitz bietet der S04 Cargo satte 414 Liter Stauraum. Damit positioniert sich das Fahrzeug zwischen einem Roller mit Topcase und einem klassischen Lieferwagen – ideal für die sogenannte „letzte Meile“, also den innerstädtischen Lieferverkehr.

Vanessa Lisa Oelmann

Die technischen Daten entsprechen weitgehend denen der zivilen Varianten: Die L6e Cargo-Version ist auf 45 km/h begrenzt und kommt mit einer Batterie auf etwa 80 Kilometer Reichweite. Die L7e Cargo-Variante hingegen kann mit zwei Akkus bestückt werden, fährt bis zu 85 km/h schnell und bietet bis zu 157 Kilometer Reichweite. Damit eignet sich der Wagen nicht nur für Lieferdienste, sondern auch für Handwerksbetriebe, Kurierdienste oder Kommunen, die innerstädtisch emissionsfrei unterwegs sein wollen, ohne gleich auf ein großes Nutzfahrzeug umzusteigen.

Akku auf Rädern

Der eigentliche Star im Silence-Ökosystem ist jedoch nicht das Fahrzeug, sondern der Akku. Mit 5,6 kWh Kapazität gehört er zu den größeren im Segment und ist als Trolley-Akku konzipiert – mit Griff und Rollen wie ein Handgepäckkoffer. Das hat weniger mit Designspielerei zu tun als mit einem praktischen Versprechen: Die Batterie lässt sich in unter 30 Sekunden an eigens entwickelten Tauschstationen wechseln. Diese finden sich beispielsweise an Shell-Tankstellen oder in städtischen Parkhäusern. Alternativ kann man den Akku zu Hause laden oder direkt im Fahrzeug an der Steckdose.

Dass das System vollständig aus Spanien stammt und sogar patentiert ist, betont Silence mit Stolz, aber im Gegensatz zu so manch anderem Start-up bleibt es hier nicht beim Konzept. Die Infrastruktur ist schon lange im Aufbau: In Spanien gibt es derzeit 150 Wechselstationen, in Frankreich sollen in den kommenden Tagen die ersten Battery Stations eröffnet werden und auch die sonstigen Märkte sollen nach und nach erschlossen werden.

Apps, Abos und Akkus: Das Silence-Ökosystem

Ein modernes Fahrzeug allein reicht heute nicht mehr aus. Wer den S04 nutzt, bewegt sich daher automatisch in einem Dreiklang aus Apps, Abo-Modellen und Datentracking. Die My Silence App erlaubt es, das Fahrzeug aus der Ferne zu starten, den Ladestand zu checken, das kleine Stadtmobil zu orten oder sogar die Route zu planen. Mit der Acciona Mobility App lassen sich Sharing-Fahrzeuge buchen, zum Beispiel in Barcelona, Madrid, Valencia oder Málaga, wo Silence bereits operative Flotten betreibt. Wer sein Abo verwaltet oder Batteriestationen finden möchte, nutzt die Battery Station App.

Klingt komplex, soll es aber nicht sein – zumindest verspricht das der Hersteller. Ob Nutzer im Alltag wirklich drei verschiedene Apps benötigen, wird sich zeigen. Zumindest ist klar: Das System ist vollständig vernetzt, und Daten spielen eine zentrale Rolle im Kundenkontakt.

Ein weiteres Element des modularen Mobilitätskonzepts ist das BaaS-Modell, das bald ausschließlich in Frankreich angeboten wird. Kundinnen und Kunden können dort den Silence S04 ohne Batterie erwerben, was den Einstiegspreis des Fahrzeugs deutlich senkt. Laut Hersteller lassen sich auf diese Weise bis zu 2000 Euro sparen, insbesondere bei den Versionen mit zwei Batterien. Um die Akzeptanz dieser neuen Preisstruktur zu fördern – und damit auch das modulare System insgesamt –, ist das erste Jahr des Batterie-Abos kostenlos. Es handelt sich dabei um eine gemeinsame Initiative von Nissan und Acciona, die damit nicht nur Kosten dämpfen, sondern auch neue Käuferschichten erschließen wollen.

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Natürlich bleibt Silence seinen Ursprüngen treu – bei den Elektrorollern. Modelle wie der S01+, der S01 oder der etwas genügsamere S02 sind längst keine Exoten mehr. Mit Reichweiten von rund 130 Kilometern, Geschwindigkeiten bis zu 110 km/h und kurzen Beschleunigungswerten (3 Sekunden auf 50 km/h beim S01+) richten sie sich an urbane Pendler mit Lust auf emissionsfreie Fortbewegung – ohne dabei auf Agilität zu verzichten. Neu hinzu kommt bald der S02 L3e. Wer etwas mehr Wumms sucht, muss sich noch etwas länger gedulden: Der Silence GT, ein sportlich anmutender Elektroroller mit Doppelausstattung bei Akku und Fahrwerk, wurde bereits als seriennahe Studie präsentiert.

Expansion mit starkem Partner

Der wichtigste strategische Schritt des Unternehmens betrifft den Vertrieb: Silence kooperiert außerhalb des spanischen Heimatmarktes mit dem Autohersteller Nissan, um neue Zielgruppen zu erschließen und um sich breiter in Europa aufzustellen. Inzwischen werden Silence-Fahrzeuge in über 116 Verkaufsstellen geführt. Laut Unternehmensangaben wurden bereits über 800 Exemplare des S04 verkauft. Mehr als 600 Neukunden kamen so zum Partner Nissan, über 4000 digitale Leads wurden erzeugt.

Für 2025 plant Silence die Expansion in eine ganze Reihe neuer Länder, darunter die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Dänemark, Norwegen, Großbritannien, die Türkei, Polen, Griechenland und Irland. Ziel ist es, eine 80-prozentige Händlernetzabdeckung in den Kernmärkten zu erreichen.

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Der Silence S04 zeigt, wie smarte urbane Mobilität aussehen kann. Nur leider ist der Kleine ein relativ teurer Spaß: Die L6e-Version mit einem Akku rückt künftig zwar unter die 10.000-Euro-Marke (bislang 11.990 Euro), aber für diesen Preis bekommt man auf dem Gebrauchtwagenmarkt eben auch einen guten Elektro-Kleinwagen mit mehr Komfort, Reichweite und Sicherheitsfeatures. Für Lieferdienste, urbanes Carsharing oder überwiegend in städtischen Gebieten agierende Flotten ist der S04 mit seinen 2,28 Metern Länge und 1,27 Metern Breite wiederum ein idealer Begleiter.

Dass man dabei nicht immer auf das große Spektakel setzt, sondern pragmatisch bleibt, könnte sich für Silence als großer Vorteil erweisen. Und dass der Akku aussieht wie ein Koffer auf zwei Rollen? Nun ja – vielleicht ist das der erste Stromspeicher, den man auch durch die Fußgängerzone ziehen würde, ohne sich dabei komplett fehl am Platz zu fühlen.

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Vanessa Lisa Oelmann

Vanessa Lisa Oelmann

Vanessa Lisa Oelmann ist 27 Jahre alt und seit 2019 vollelektrisch mit ihrem BMW i3 unterwegs. Nach ihrem abgeschlossenen International Business Studium ist sie nun als freiberufliche Automobiljournalistin tätig und engagiert sich nebenher im sozialen Bereich. Zudem hat sie ein großes Faible für Luxusgüter und Fotografie. Wenn sie nicht gerade versucht, ihre Freunde und Familie zum Elektromobilistendasein zu konvertieren, ist sie meist in diversen Autohäusern oder auf Meet-Ups mit anderen (elektro)autobegeisterten Leuten anzutreffen.
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Wizzibizzi:

Das klingt alles sehr schön gefärbt….ich fahre seit einem halben Jahr einen Seat Mó 125 Performance, also einen Silence S01+, nur Seat-gebrandet.

Die Qualität ist zuerst einmal wirklich nicht gut. Die Konstruktion ist nicht für europäische Verhältnisse gedacht, eine Fahrt im Regen, und der Akku sowie das zu fast allen Seiten offene Akkufach sind völlig verschmutzt. Lenkkopflager sind nach 1500km schon defekt, Verkleidungsteile waren ab Werk nicht verschraubt (schlicht die Schraube vergessen!), bei Akku-Problemen muss ein Händler oft den Akku per Spezialfracht nach Spanien schicken zur Überprüfung/Reparatur. Von Akkustationen ist in Deutschland weit und breit nichts zu sehen. Ersatzteile sind überwiegen nicht zu erhalten, und wenn doch, sind die Preise mehr als unverschämt. Bei kleineren Schäden wird so ein Fahrzeug schnell zum wirtschaftliche. Totalschaden.

Der S04 als Nano-Car kostet in der „großen“ Version so viel wie ein richtiges Elektroauto, und das bei bescheidener Reichweite und Sicherheits- / Komfortausstattung.

Silence sollte ganz dringend zuerst einmal die Service- und Ersatzteilsituation deutlich verbessern, zudem die Qualität im Werk in Barcelona mal auf ein Mindestmaß verbessern…. aktuell ist es für viele Nutzer dieser Fahrzeuge kein Spaß, und dabei liegen diese Fahrzeuge preislich im Premiumsegment – geliefert wird aber das Gegenteil. Da muss leider noch sehr viel passieren, neue Modelle sind da das kleinste Problem….

Gastschreiber:

Sicherheit ist also nicht notwendig. Ich kann nur hoffen, dass die Käufer klug genug sind einen Bogen um derartige Konzepte zu machen und ein Feedback zu geben, dass man auf Sicherheit Wert legt.
Hier wird am flaschen Ende gespart. Leider traurig, dass hier Sonderregeln gelten, am Ende werden wohl erst dann verschärfte Regeln kommen, wenn zu viel passiert ist.

Wolfbrecht Gösebert:

Sorry: Bei den „2,5-kWh-LiFePO-Akkus mit eingebautem ZWEI-Richtungswandler für rd. 700 €“ bitte zzgl. Einfuhr-Umsatzsteuer bzw. Mehrwertsteuer rechnen!

Wolfbrecht Gösebert:

Natürlich finden sich stets div. Gründe für Einzelne, solche Kleinstfahrzeuge zu „verdammen“: Ja, die Preise können bei solchen (zunächst kleinen) Stückzahlen nicht wirklich preiswert sein … aber es gibt auch Vorteile:

Interessant an solchen transportablen Akkulösungen – wie beim Silence – ist, dass damit u.a. auch Solarstrom ins Auto geladen werden kann, wenn (z.B. bei Mietern/im urbanen Umfeld) in der Praxis keine Kabelverbindung z.B. zwischen (Balkon-) Solaranlage und dem Stellplatz des Fahrzeugs möglich ist.

Ggf. kann – ganz OHNE eine öffentliche Wechselinfrastruktur – auch ein zusätzliches Akkupaket – soweit die verbleibende Zuladung ausreicht – IM Fahrzeug mitgenommen werden … die HANDwechselbaren Akkus machen das ja möglich.

Ganz nebenbei: Inzwischen sind langlebige 2,5-kWh-LiFePO-Akkus mit eingebautem ZWEI-Richtungswandler für rd. 700 € verfügbar, die z.B. an der heimischen Solaranlage aufgeladen werden und dann bis 2,5 kW Leistung an 230-V-Anschlüssen wieder abgeben können. Wirkungsgrad bei ca. 92%, Gewicht bei 22 kg.

Pedro G.:

Jedes nicht Notwendige kostet Gewicht > Strom > Geld ⁉️

Gastschreiber:

Und wieder scheint, bei einer Neuentwicklung, keinerlei Sicherheit verbaut zu werden, weder Airbag ist zu sehen und von ABS ist auch nichts zu lesen. Inzwischen bieten ja immer mehr Zweiradanbieter ABS zumindest an. Dass man hier spart … da spart man am falschen Ende und nutzt ein Differenzierungspotential überhaupt nicht in dem Markt.

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