Paragraf 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ermöglicht es ab 1. Januar 2024, dass die Netzbetreiber unter gewissen Umständen die Spitzenlast von Hausanschlüssen begrenzen dürfen. Kaum wurde dies bekannt, geisterten die ersten Schreckensszenarien durch das Netz – vor allem getrieben von Kreisen, die generell Vorbehalte gegen die Elektromobilität und eine grüne Energiewende hegen. Müssen Menschen mit Wärmepumpe im Haus künftig frieren? Ist der Akku des E-Autos am Morgen leer, wenn es zur Arbeit gehen soll? Wir haben die Fakten nüchtern betrachtet – und, soviel vorweg, können Entwarnung geben.
Warum muss überhaupt gedrosselt werden?
Wie an vielen anderen Stellen auch ist in Deutschland die Netzinfrastruktur für Strom vielerorts veraltet. Netzkapazitäten, die Jahrzehnte lang ausgereicht haben, kommen inzwischen an manchen Orten an ihre Grenzen, da die gleichzeitig abgenommene Strommenge über die Jahre gestiegen ist. Werden nun in einer Wohngegend mit solch veralteten Niederspannungsnetzen zahlreiche Wärmepumpen und Wallboxen installiert, kann die gleichzeitig angefragte Strommenge die Kapazitäten des lokalen Stromnetzes überreizen. Im schlimmsten Fall könnte es dann in ganzen Straßenzügen zu einem Stromausfall kommen, warnte der Netzbetreiber EWE bereits im Mai 2022.
Um dem vorzubeugen, sollen Netzbetreiber die Möglichkeit bekommen, die pro Haushalt abgegebene Strommenge vorübergehend zu drosseln. Deshalb müssen die genannten Geräte ab da auch vom Netzbetreiber steuerbar sein. Vorteil: Die Installation dieser Geräte kann dann nicht mehr von den Netzbetreibern abgelehnt werden.
Kann bei jedem ab Januar das Licht ausgeknipst werden?
Nein. Betroffen sind sowieso erst einmal nur diejenigen, die ab dem 1. Januar eine Wallbox, eine Wärmepumpe oder einen Stromspeicher neu in Betrieb nehmen – und auch nur diese Geräte werden gedrosselt. Selbst wenn die Netze am Anschlag arbeiten müssen, wird im Ernstfall immer mindestens eine Leistung von 4,2 kW gewährleistet. Wer sowohl eine Wärmepumpe als auch eine Wallbox besitzt, für den gilt ein höherer Grenzwert.
Zur Größenordnung: Wer diese 4,2 kW, die im Extremfall immer noch zur Verfügung ständen, den ganzen Monat lang ausreizen würde, der müsste bei einem Strompreis von 0,30 Euro pro Kilowattstunde am Monatsende mehr als 900 Euro dafür zahlen, so groß wäre die abgenommene Strommenge. Es ist also ein Deckel mit – bis auf ganz wenige Ausnahmen – viel Luft nach oben. Ausgenommen von der Regelung sind indes unter anderem Standorte von Rettungskräften, Polizei und Bundeswehr.
Wer eine Wärmepumpe hat, muss also bald frieren?
Nein. Moderne Wärmepumpen kommen auch mit geringerer Stromzufuhr in der Regel gut klar und produzieren damit ausreichend viel Wärme. Zwar haben viele Wärmepumpen Spitzenleistungen von 10 kW oder mehr, diese Spitzenlasten werden aber nur bei extremen Anforderungen überhaupt abgerufen. Außerdem soll die Drosselung ohnehin nur kurzzeitig zur Abfederung von Lastspitzen erfolgen – zum Beispiel am späten Nachmittag, wenn viele Bewohner eines Viertels nach Hause kommen, ihr E-Auto anschließen und die Heizung höherstellen.
Da manche Netzbetreiber eine Überlastung noch nicht zuverlässig messen können, ist auch “auf Verdacht” eine Drosselung möglich – dann jedoch pro Haushalt für maximal zwei Stunden am Tag. Kniffliger könnte es allerdings für diejenigen werden, die bereits eine ältere Wärmepumpe installiert haben und ab Januar eine Wallbox oder einen Speicher zusätzlich anmelden. Dann könnte es passieren, dass die Heizung im Fall einer Drosselung komplett abschaltet. Dies dürfte sich aber durch eine Modernisierung des Geräts vermeiden lassen.
Muss ich Angst haben, dass mein E-Auto morgens leer ist?
Nein. Selbst im äußerst unwahrscheinlichen Extremfall stünden über Nacht durchweg 4,2 kW an Leistung für den Haushalt zur Verfügung. Da nachts aber zumeist wenige andere Verbraucher Strom benötigen, dürfte der Großteil davon ins Elektroauto fließen. Selbst wenn es nur diese 4,2 kW wären, die für das Auto übrig blieben, wären binnen zwölf Stunden mehr als 50 kWh nachgeladen – das reicht im Schnitt für gut 250 Kilometer – vorausgesetzt der Akku im Fahrzeug ist überhaupt so groß.
Zudem werden die allerwenigsten Fahrer jeden Abend ein komplett leeres E-Auto anschließen mit dem Ziel, es am nächsten morgen wieder direkt leerzufahren. Der Deutsche fährt durchschnittlich gerade einmal 40 Kilometer am Tag und braucht dafür gut 10 kWh Strom. Und die ganz wenigen Vielfahrer, die morgens in einem der sehr wenigen Ausnahmefälle einen vielleicht nur 75 Prozent gefüllten Akku vorfinden, müssten eben über den Tag für ein paar wenige Minuten mehr an einem Schnelllader halt machen. Den allermeisten E-Auto-Fahrer, die zuhause laden, wird es aber am Ende egal sein, ob ihr Fahrzeug um 1 Uhr oder um 2 Uhr wieder voll war – zumal über Nacht kaum mit Verbrauchsspitzen, sondern perspektivisch wenn dann allenfalls in anderen schwer haltbaren Schreckensszenarien mit Dunkelflaute zu rechnen ist.
Wird mir der Strom einfach ohne Gegenleistung gedrosselt?
Nein. Wer Geräte hat, die vom Netzbetreiber gedrosselt werden können, soll künftig Geld beim Netzentgelt sparen – und zwar je nach Region zwischen 110 und 190 Euro im Jahr. Wer einen eigenen Stromzähler an Wärmepumpe oder Wallbox hat, kann alternativ auch den Arbeitspreis des Netzentgelts für Strom um 60 Prozent senken lassen. Auch wer schon vor 2024 entsprechende Geräte installiert hat, kann sich dafür anmelden und finanziell profitieren – allerdings gibt es dann kein Zurück mehr.
Erspart die neue Regelung den Betreibern die Ertüchtigung der Stromnetze?
Mitnichten soll das so sein – im Gegenteil. Zwar bekommen die Netzbetreiber durch die Steuerbarkeit zwar einen zeitlichen Vorschub, allerdings sieht der Paragraf 14a einen bedarfsgerechten Netzausbau fest vor. Muss also ein Netzbetreiber tatsächlich die Notbremse ziehen und in einem Wohngebiet bei Besitzern von Wärmepumpen, Wallboxen und Speichern drosseln, dann muss er zeitnah die Netzkapazitäten ausbauen – außer er kann nachweisen, dass es sich um einen einmaligen Vorgang gehandelt hat, bei dem keine Wiederholung zu erwarten ist. Wer also tatsächlich mal weniger “Saft” nach Hause bekommt als eigentlich nötig, der dürfte in absehbarer Zeit dieses Problem nicht mehr haben – zumindest wenn das Gesetz so umgesetzt wird, wie es vorgesehen ist.
Quellen: Handelsblatt – “Wann Netzbetreiber Haushalten den Strom drosseln dürfen”; FAZ – “Neue Wärmepumpen dürfen bald gedrosselt werden”