Strom-Drosselung ab Januar: Keine Angst vorm Netzbetreiber

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Daniel Krenzer
Daniel Krenzer
  —  Lesedauer 5 min

Paragraf 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ermöglicht es ab 1. Januar 2024, dass die Netzbetreiber unter gewissen Umständen die Spitzenlast von Hausanschlüssen begrenzen dürfen. Kaum wurde dies bekannt, geisterten die ersten Schreckensszenarien durch das Netz – vor allem getrieben von Kreisen, die generell Vorbehalte gegen die Elektromobilität und eine grüne Energiewende hegen. Müssen Menschen mit Wärmepumpe im Haus künftig frieren? Ist der Akku des E-Autos am Morgen leer, wenn es zur Arbeit gehen soll? Wir haben die Fakten nüchtern betrachtet – und, soviel vorweg, können Entwarnung geben.

Warum muss überhaupt gedrosselt werden?

Wie an vielen anderen Stellen auch ist in Deutschland die Netzinfrastruktur für Strom vielerorts veraltet. Netzkapazitäten, die Jahrzehnte lang ausgereicht haben, kommen inzwischen an manchen Orten an ihre Grenzen, da die gleichzeitig abgenommene Strommenge über die Jahre gestiegen ist. Werden nun in einer Wohngegend mit solch veralteten Niederspannungsnetzen zahlreiche Wärmepumpen und Wallboxen installiert, kann die gleichzeitig angefragte Strommenge die Kapazitäten des lokalen Stromnetzes überreizen. Im schlimmsten Fall könnte es dann in ganzen Straßenzügen zu einem Stromausfall kommen, warnte der Netzbetreiber EWE bereits im Mai 2022.

Um dem vorzubeugen, sollen Netzbetreiber die Möglichkeit bekommen, die pro Haushalt abgegebene Strommenge vorübergehend zu drosseln. Deshalb müssen die genannten Geräte ab da auch vom Netzbetreiber steuerbar sein. Vorteil: Die Installation dieser Geräte kann dann nicht mehr von den Netzbetreibern abgelehnt werden.

Kann bei jedem ab Januar das Licht ausgeknipst werden?

Nein. Betroffen sind sowieso erst einmal nur diejenigen, die ab dem 1. Januar eine Wallbox, eine Wärmepumpe oder einen Stromspeicher neu in Betrieb nehmen – und auch nur diese Geräte werden gedrosselt. Selbst wenn die Netze am Anschlag arbeiten müssen, wird im Ernstfall immer mindestens eine Leistung von 4,2 kW gewährleistet. Wer sowohl eine Wärmepumpe als auch eine Wallbox besitzt, für den gilt ein höherer Grenzwert.

Zur Größenordnung: Wer diese 4,2 kW, die im Extremfall immer noch zur Verfügung ständen, den ganzen Monat lang ausreizen würde, der müsste bei einem Strompreis von 0,30 Euro pro Kilowattstunde am Monatsende mehr als 900 Euro dafür zahlen, so groß wäre die abgenommene Strommenge. Es ist also ein Deckel mit – bis auf ganz wenige Ausnahmen – viel Luft nach oben. Ausgenommen von der Regelung sind indes unter anderem Standorte von Rettungskräften, Polizei und Bundeswehr.

Wer eine Wärmepumpe hat, muss also bald frieren?

Nein. Moderne Wärmepumpen kommen auch mit geringerer Stromzufuhr in der Regel gut klar und produzieren damit ausreichend viel Wärme. Zwar haben viele Wärmepumpen Spitzenleistungen von 10 kW oder mehr, diese Spitzenlasten werden aber nur bei extremen Anforderungen überhaupt abgerufen. Außerdem soll die Drosselung ohnehin nur kurzzeitig zur Abfederung von Lastspitzen erfolgen – zum Beispiel am späten Nachmittag, wenn viele Bewohner eines Viertels nach Hause kommen, ihr E-Auto anschließen und die Heizung höherstellen.

Da manche Netzbetreiber eine Überlastung noch nicht zuverlässig messen können, ist auch „auf Verdacht“ eine Drosselung möglich – dann jedoch pro Haushalt für maximal zwei Stunden am Tag. Kniffliger könnte es allerdings für diejenigen werden, die bereits eine ältere Wärmepumpe installiert haben und ab Januar eine Wallbox oder einen Speicher zusätzlich anmelden. Dann könnte es passieren, dass die Heizung im Fall einer Drosselung komplett abschaltet. Dies dürfte sich aber durch eine Modernisierung des Geräts vermeiden lassen.

Muss ich Angst haben, dass mein E-Auto morgens leer ist?

Nein. Selbst im äußerst unwahrscheinlichen Extremfall stünden über Nacht durchweg 4,2 kW an Leistung für den Haushalt zur Verfügung. Da nachts aber zumeist wenige andere Verbraucher Strom benötigen, dürfte der Großteil davon ins Elektroauto fließen. Selbst wenn es nur diese 4,2 kW wären, die für das Auto übrig blieben, wären binnen zwölf Stunden mehr als 50 kWh nachgeladen – das reicht im Schnitt für gut 250 Kilometer – vorausgesetzt der Akku im Fahrzeug ist überhaupt so groß.

Zudem werden die allerwenigsten Fahrer jeden Abend ein komplett leeres E-Auto anschließen mit dem Ziel, es am nächsten morgen wieder direkt leerzufahren. Der Deutsche fährt durchschnittlich gerade einmal 40 Kilometer am Tag und braucht dafür gut 10 kWh Strom. Und die ganz wenigen Vielfahrer, die morgens in einem der sehr wenigen Ausnahmefälle einen vielleicht nur 75 Prozent gefüllten Akku vorfinden, müssten eben über den Tag für ein paar wenige Minuten mehr an einem Schnelllader halt machen. Den allermeisten E-Auto-Fahrer, die zuhause laden, wird es aber am Ende egal sein, ob ihr Fahrzeug um 1 Uhr oder um 2 Uhr wieder voll war – zumal über Nacht kaum mit Verbrauchsspitzen, sondern perspektivisch wenn dann allenfalls in anderen schwer haltbaren Schreckensszenarien mit Dunkelflaute zu rechnen ist.

Wird mir der Strom einfach ohne Gegenleistung gedrosselt?

Nein. Wer Geräte hat, die vom Netzbetreiber gedrosselt werden können, soll künftig Geld beim Netzentgelt sparen – und zwar je nach Region zwischen 110 und 190 Euro im Jahr. Wer einen eigenen Stromzähler an Wärmepumpe oder Wallbox hat, kann alternativ auch den Arbeitspreis des Netzentgelts für Strom um 60 Prozent senken lassen. Auch wer schon vor 2024 entsprechende Geräte installiert hat, kann sich dafür anmelden und finanziell profitieren – allerdings gibt es dann kein Zurück mehr.

Erspart die neue Regelung den Betreibern die Ertüchtigung der Stromnetze?

Mitnichten soll das so sein – im Gegenteil. Zwar bekommen die Netzbetreiber durch die Steuerbarkeit zwar einen zeitlichen Vorschub, allerdings sieht der Paragraf 14a einen bedarfsgerechten Netzausbau fest vor. Muss also ein Netzbetreiber tatsächlich die Notbremse ziehen und in einem Wohngebiet bei Besitzern von Wärmepumpen, Wallboxen und Speichern drosseln, dann muss er zeitnah die Netzkapazitäten ausbauen – außer er kann nachweisen, dass es sich um einen einmaligen Vorgang gehandelt hat, bei dem keine Wiederholung zu erwarten ist. Wer also tatsächlich mal weniger „Saft“ nach Hause bekommt als eigentlich nötig, der dürfte in absehbarer Zeit dieses Problem nicht mehr haben – zumindest wenn das Gesetz so umgesetzt wird, wie es vorgesehen ist.

Quellen: Handelsblatt – „Wann Netzbetreiber Haushalten den Strom drosseln dürfen“; FAZ – „Neue Wärmepumpen dürfen bald gedrosselt werden“

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Daniel Krenzer

Daniel Krenzer

Daniel Krenzer ist als studierter Verkehrsgeograf und gelernter Redakteur seit mehr als zehn Jahren auch als journalistischer Autotester mit Fokus auf alternative Antriebe aktiv und hat sich zudem 2022 zum IHK-zertifizierten Berater für E-Mobilität und alternative Antriebe ausbilden lassen.
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Norbert Sele:

Ein Gedanke aus dem Ausland (Liechtenstein)
Warum wird von den Stromerzeugern oft so kommuniziert, als wäre die Einführung von neuen Techniken ein Problem?
Ich würde mich als Produzent und Verkäufer von Elektrizität über die Aussichten, mehr Strom zu verkaufen nur freuen, wenn ich damit meinen Umsatz steigern könnte.

Martin:

Ich habe seit 3 Jahren einen Mobilstromtarif, wo verlangt wird, dass die Wallbox mit einer Abschalteinrichtung vom Netzbetreiber verbunden ist und über einen eigenen Stromzähler läuft.
Dadurch ist der Stromtarif 8ct günstiger pro KWh.
Die Abschaltung erfolgt über einen Rundsteuerempfänger vom Netzbetreiber.
Der Rundsteuerempfänger hängt am digitalen Eingang von einem Sentron-Zähler. Mit diesem wird zum einen der Gesamtstromverbrauch des Gebäudes gemessen sowie die Info vom Rundsteuerempfänger über Netzwerk der Wallbox zur Verfügung gestellt.
BTW hat die Tiefgarage 20 Stellplätze und damit können die Wallboxen die vom Gebäude nicht genutzte Strommenge unter sich aufteilen.

Der Netzbetreiber signalisiert über den Runsteuerempfänger aktuell 2 mal täglich der Wallbox für eine Stunde (12:30-13:30 und 17:30-18:30 Uhr) das Laden zu pausieren.
Das funktioniert für mich einwandfrei und ich fahre jeden Tag mindestens 130Km und über Nacht wird das Auto immer voll geladen.
Ich spare damit ganz gut Geld.
Ich bin gespannt, wie die neuen Vorgaben sich auf den Stromtarif auswirken.

Tom 1:

Das ganze bringt erst Mal nur wieder totale Unsicherheit in der Bevölkerung,ohne die Messeinrichtung für WP oder Wallbox wird nix abgeschaltet,und wenn erst Mal ab nächstes Jahr,wenn die Geräte dafür verfügbar sind,aber erst Mal Panik machen.
Daher habe ich keinen Wärmepumpenstrom und die Wallbox 22 KW auch nicht ,dann müssten Sie die alten Hausbetreiber schon zwingen.

Daniel Krenzer:

Hallo Philipp,

das ist eine Anspielung auf den Mist, der da zur Zeit herumgeistert. Viele glauben das wirklich! Deshalb habe ich das an dieser Stelle aufgegriffen. Aber ich verstehe, was du meinst – und gehe nochmal dran!

LG Daniel

Philipp:

„Ich vermute mal die Drosselung des Hausanschluss benötigt ein Smartmeter?“

Haushaltsstrom wird nicht gedrosselt.

Philipp:

@Daniel:
Deine Zwischenüberschrift hat mich zuerst verwirrt: „Kann also bei jedem ab Januar das Licht ausgeknipst werden?“ Licht ist Haushaltsstrom, der wird aber nicht gedrosselt. Das hast Du im Text auch nicht geschrieben. Die Überschrift hat mich aber trotzdem erst einmal das vermuten lassen.

Zusätzliche Rechnung:
Pauschale Vergütung:
Mein Auto fährt 15000km im Jahr. Davon lade ich sagen wir die Hälfte zu Hause. Es verbraucht 20kWh/100km (incl Ladeverluste). Dann lade ich zu Hause 3000kWh.
Die 110-190€ im Jahr sind also je kWh eine Ersparnis von 3,6c – 6,3c/kWh. Wenn ich komplett zu Hause laden würde, wäre es nur noch die Hälfte davon.
Da ich nur 10tkm im Jahr fahre, wäre es für mich sogar interessanter als die Rechnung mit gemessenen Verbrauch.

Gemessener Verbrauch
Die Netzentgelde variiern nach Bundesland und auch dort nach Verbraucher. Mittelwert für Haushalte in den Bundesländer sind von 5,59c (Berlin) bis 9,63c (Schleswig Holstein). 60% davon sind also 3,54c – 5,78c (jeweils die kWh).

KaiGo:

Na da bin ich tiefenentspannt. Mein Netzbetreiber weiß, dass ich eine Wallbox habe, aber er hat aktuell keinerlei Möglichkeit diese zu drosseln. Dafür müsste er erstmal überhaupt irgendwas bei mir einbauen mit dem er drosseln könnte. Ich vermute mal die Drosselung des Hausanschluss benötigt ein Smartmeter? Bis ich so ein habe, vergehen sicher noch einige Jahre ;-).

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