Es ist ein durchaus attraktives Angebot: Mit 900 Euro sponsert der Staat über die KfW-Bank die Installation einer privaten Wallbox. Dabei gelten einige Grundvoraussetzungen. So muss eine geförderte Wallbox zum Beispiel vom Netzbetreiber steuerbar sein. Konkret heißt das, dass der Netzbetreiber bei einer drohenden Überlastung des Stromnetzes, was vor allem zu Spitzenlastzeiten am Abend der Fall sein dürfte, wenn alle E-Autos frisch an der Wallbox hängen, den Ladevorgang drosseln oder sogar unterbrechen kann.
Wie diese Steuerung von Ladevorgängen in der Praxis aussehen könnte, ist bislang noch eine Unbekannte. Bei einer Online-Runde der Grünen-Bundestagsabgeordneten Ingrid Nestle zur Integration neuer flexibler Verbraucher in den Strommarkt, von der Heise Online berichtet, kam in dieser Angelegenheit etwas Licht ins Dunkel. Demnach drängen Stromversorger vor allem auf die Spitzenglättung, also darauf, den Strombezug bei Bedarf drosseln zu können. Wer sein Elektroauto trotzdem mit voller Leistung laden will, soll dafür mit höheren Entgelten zur Kasse gebeten werden. Die komplette Unterbrechung des Ladevorgangs sei nur optional vorgesehen, und soll nicht länger als eineinhalb bis zwei Stunden dauern.
An dieser Stelle ist vielleicht ein kleiner Exkurs hilfreich, um diesen Sachverhalt – der zunächst nach einem harten Eingriff klingt – einordnen zu können. Ein Pkw in Deutschland legt im Schnitt 40 Kilometer am Tag zurück. Ein durchschnittliches Elektroauto braucht für diese Strecke gut 10 kWh Strom. An einer 11 kW starken Wallbox, wie sie mit 900 Euro gefördert wird, lädt diese Menge Strom in gerade mal einer Stunde wieder vollständig nach. Selbst ein größeres E-Auto wie ein dicker Tesla mit seinem 100 kWh fassenden Akku, braucht an einem 11-kW-Ladepunkt nur gut neun Stunden, bis ein komplett leerer Akku wieder vollständig gefüllt ist. Oder andersrum: Selbst wenn der dicke Tesla seinen Ladevorgang aufgrund einer Unterbrechung durch den Stromversorger erst gegen 22 Uhr starten kann, steht er am morgen um 7 Uhr mit vollem Akku abfahrtbereit in der Garage. Ein Eingriff durch die Netzbetreiber sollte also für eine große Mehrheit der Ladevorgänge absolut irrelevant sein.
„Wir wollen nicht zwei Stunden flächendeckend abriegeln“
Mathias Gabel vom Verteilnetzbetreiber NetzeBW sagte bei der Online-Runde, dass die Branche ein Instrument brauche, um die durch die Elektromobilität entstehende Komplexität „soweit wie möglich zu reduzieren“ und die Versorgung optimieren zu können. Gabel fordert deshalb, dass die Spitzenglättung gesetzlich festgeschrieben werden müsse. Gleichzeitig versicherte er, dass NetzeBW „nicht zwei Stunden flächendeckend abriegeln“ wolle. Außerdem soll das Verteilnetz weiter ausgebaut werden. Auch das soll als ein weiteres Instrument zur Sicherheit der Stromversorgung beitragen.
Christoph Scholten, Leiter des Referats Digitalisierung der Energiewende beim Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), verwies auf ein Pilotprojekt, bei dem das durch Netzbetreiber gesteuerte Laden von Elektroautos bereits getestet wurde. Dabei habe sich gezeigt, dass die Testpersonen „nach kurzer Zeit entspannt“ gewesen seien, da sie gemerkt hätten, „dass nicht jeden Tag zwei Stunden weg sind“ und die „Komforteinbuße“ gering seien. Das BMWi wolle daher ein solches feindosiertes „Verkehrsleitsystem“ in Paragraf 14a Energiewirtschaftsgesetz verankern und noch in diesem Jahr einen Entwurf dafür vorlegen.
Sebastian Winter vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) erklärte, dass die Versorgung von zwei Elektroautos in einem Straßenzug überhaupt kein Problem darstelle. Bei einem Hochlauf der Elektromobilität allerdings sei aber womöglich irgendwann ein Punkt erreicht, wo „alles gleichzeitig passiert“ und viele Besitzer zu ähnlichen Zeiten ihre Autos an den Stecker hängen. Hier müsse Verlässlichkeit „auch für Netzbetreiber gelten“. Wolfgang Zander vom Büro für Energiewirtschaft und technische Planung (BET), das das Modell der Spitzenglättung mitentwickelt hat, sagte, dass durch von den Netzbetreibern steuerbares Laden drei- bis viermal so viele Verbrauchseinrichtungen ins Netz integriert können wie bisher.
Zeitvariable Tarife als Alternative zu harten Eingriffen
Christoph Maurer von der Denkfabrik Consentec schlug als Alternative zu harten Eingriffen bei Ladevorgängen vor, andere Anreize zu setzen, um das Ladeverhalten der Verbraucher zu beeinflussen: Zeitvariable Tarife. Wer z.B. auf eigene Initiative den Ladevorgang in die lastschwachen Nachtstunden verlegt, soll von einem günstigeren Strompreis profitieren. In Dänemark und Kalifornien werde dies bereits erfolgreich umgesetzt.
Auch Marcus Fendt vom Technologieunternehmen The Mobility House hält die Spitzenglättung für kontraproduktiv. Er vergleicht die komplette Unterbrechung eines Ladevorgangs mit einem Smartphone-Nutzer, der „zwei Stunden am Tag nicht telefonieren“ kann. Auch Fendt plädiert für flexible Stromtarife „auf Basis einer intelligenten Infrastruktur“. Das Optimieren „hinter dem Zähler“ funktioniere schon gut, die Netzbetreiber müssten es nur nach vorn ziehen.
Thomas Engelke vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) sagte, dass durch zeitvariable Tarife und Anreize, in den Nachtstunden zu laden, der Netzausbau nicht so umfangreich ausfallen müsse. Mit zusätzlichen, intelligent vernetzten Verbrauchs-, Speicher- und Steuergeräten – Stichwort Intelligenz statt Kupfer – könnten auch die bestehenden Netze generell besser ausgelastet werden. Dies vermeide nicht nur Engpässe bei der Stromversorgung, sondern könne gleichzeitig dank der Einsparungen beim Netzausbau zu einer Kostensenkung für die Verbraucher führen.
Quelle: Heise – Netzbetreiber wollen Laden stundenlang unterbrechen können