Seit etwa einem halben Jahr fahre ich nun rein elektrisch, nach 4 Jahren Golf Hybrid war klar, dass das auch funktionieren sollte. Natürlich gab es einige Bedenken. Über meine Erfahrungen möchte ich berichten, nicht ohne eine Kritik zur aktuellen Entwicklung der E-Mobilität.
Ich lasse mich bespitzeln
Es sei erwähnt, dass ich einen Telematik Sensor bestellt habe, der meinen Fahrstil beobachtet und meine Versicherungsprämie entsprechend anpasst, sei es zu meinem Vor- oder Nachteil. Das elektrische Fahren an sich ist äußerst entspannend und angenehm, so wie dies von allen anderen Fahrern auch dargestellt wird. Langsam fahren macht mir nichts mehr aus; und wenn doch ich einmal überholen möchte, dann ist das schnell und geräuschlos zu erledigen.
Verzicht muss nicht wehtun
Der Verzicht auf schnelles Fahren ist nicht so schmerzlich wie es anfangs schien, man wird ja belohnt mit sehr stressarmer Fortbewegung. Störend sind immer wieder die Schnellfahrer, die einen doch häufig zu etwas hektischen Manövern zwingen. Bei jedem Überholvorgang und auch beim schnelleren Fahren wird immer deutlich, wieviel Energie nötig ist, um 75 kg Lebendgewicht in einem 1,5 Tonnen schweren Gerät zu transportieren. Das schmerzt, auch wenn ein ordentlicher Teil des Fahrstromes aus der hauseigenen PV kommt. Viel dazu trägt eben bei, dass man beim elektrischen Fahren aufgrund der genauen Anzeige des aktuellen Stromflusses ein anderes Bewusstsein für den tatsächlichen Energieverbrauch entwickelt. Und dass man natürlich auch mit einer Akkuladung möglichst weit kommen möchte oder möglichst wenige Zwischenstopps haben will. Und so spart man unbewusst Energie…
Die Wahrnehmung ändert sich
Häufig beobachte ich im Angesicht einer roten Ampel, dass ich von einem Verbrennerpiloten noch schnell überholt werde, der dann – ohne jede Rekuperation – heftig bis zum Stillstand abbremst. Leider nervt es mich seit meinem Umstieg mehr, wenn mich schwere Fahrzeuge mit hoher Geschwindigkeit überholen – ohne Rücksicht auf die schlechte Luft und die Verschwendung, die damit einher geht. Ich gestehe zu, dass man dabei immer grimmiger wird.
Eine gute Reiseplanung hilft
Das Problem der Ladepausen habe ich vorher wohl überbewertet: man kann diese Zeit sehr gut nutzen, um kurz auszuspannen, wieder Konzentration zu sammeln und einen Kaffee zu trinken oder zurückzubringen. Zugegebenermaßen hetze ich allerdings nicht von Termin zu Termin, sondern kann mir meine Reisezeiten selbst planen.
Aus dem Auspuff kommt gereinigte Luft….
Wenn ich als Radfahrer neben Autos herfahre, fällt mir immer wieder auf, wie schlecht die Luft dort ist und welche Mengen an übelriechenden Düften man einatmen muss. Kleider ist eben nur ein kleiner Teil der Fahrzeuge mit dem modernsten Abgasreinigungssystem ausgestattet. Und auch da kann gerade das Betriebsfenster gerade einmal verlassen worden sein.
Quo vadis, E- Mobilität?
Die Entwicklung im E-Automobilbau, die sich derzeit abzeichnet, bedaure ich sehr: im letzten AMS wurden viele neue E-Modelle präsentiert, die sich alle vor allem durch eines auszeichnen: Übermotorisierung im höchsten Maße! Ich frage mich, wozu diese Leistungen erforderlich sind, wo doch jeder von uns weiß, dass man mit 150 kW durchaus sehr komfortabel, schnell und sicher durch den Verkehr kommen kann. Wozu also Fahrzeuge mit 500 PS und mehr? Und ich komme wieder zu dem Ergebnis, dass derartige Fahrzeuge auf Rennstrecken gehören und nur dort hin.
Unsere staatlich finanzierten Straßen sollen der Fortbewegung dienen und nicht einem fragwürdigen Rennsport, der sich In der Hauptsache durch das unterschiedlich starke Treten des Gas- oder Strompedales und die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszeichnet.
Muss Vernunft immer erst verordnet werden?
Der neue Begriff der Suffizienz muss endlich auch hier angewendet werden: wir sollten uns darauf beschränken, was wir sinnvollerweise zum Leben brauchen, ohne Ressourcen nur zu verschwenden. Leider ist diese Einsicht nicht jedem unserer Mitmensch*Innen gegeben, und so liegt es beim Gesetzgeber, hier erzieherisch etwas nachzuhelfen. Es sollte durchaus richtig teuer werden, wenn man unbedingt vergeuden möchte.
Der Weg stimmt
Bei aller Technologieoffenheit und Freude an Innnovationen: die Weiterentwicklung der Stromspeichertechnik wird zeigen, dass für den Großteil der Mobilität das Batterieauto die richtige Lösung ist.
Ãœber den Autor: Rudi Flohrschütz – BJ 1949, ca. 1 Mio km, Dipl. Ing. (TU) Energie- und Kraftwerkstechnik, Leiter des Arbeitskreises Energie im VdI Süd, E-Smart und iD.3.