Im schottischen East Kilbride, südlich von Glasgow, entstehen Elektroautos, die mit gängigen Vorstellungen von Elektromobilität wenig gemein haben. Munro Vehicles, der einzige Autohersteller Schottlands, setzt auf kompromisslose Geländetauglichkeit, robuste Technik und maximale Modularität. Statt smarter Software, digitalem Luxus oder urbaner Nachhaltigkeitsromantik geht es bei Munro um reale Arbeitseinsätze im Gelände, in Minen oder auf militärischem Terrain. „Unsere Fahrzeuge sind keine umgebauten Lifestyle-SUVs, sondern von Grund auf für extreme Einsätze konzipiert“, erklärt Russ Peterson, CEO und Mitgründer des jungen Unternehmens gegenüber Elektroauto-News.
Mit dem M170 bringt Munro sein erstes Serienmodell auf den Markt – ein rein elektrischer 4×4, der Nutzlast, Geländegängigkeit und Kompaktheit in einer Weise vereinen soll, wie es bislang kein anderes Serienfahrzeug auf dem Markt schafft. „Es gibt kein Diesel- oder Elektroauto, das unter 3,5 Tonnen bleibt, also mit normalem Pkw-Führerschein gefahren werden darf, und gleichzeitig so viel Last transportieren und so kompromisslos im Gelände bestehen kann“, so Peterson. Entscheidend ist dabei nicht nur die reine Offroad-Leistung, sondern die Kombination aus Gelände-, Zuladungs- und Alltagsfähigkeit.
Munro: Von Grund auf vollelektrisch gedacht
Anders als viele Hersteller setzt Munro nicht auf nachträgliche Umbauten oder Zubehörlösungen aus Drittquellen. Das komplette Fahrzeug ist ab Werk auf extreme Anforderungen ausgelegt: Ein Leiterrahmen aus fünf Millimeter starkem Stahl bildet das Rückgrat, die Karosserie ist modular aufgebaut und im Schadensfall leicht austauschbar. Der Unterboden wurde so gestaltet, dass zentrale Komponenten gegen Staub, Wasser und Schläge geschützt sind. Aufbauten wie Kran, Pritsche, Hubarbeitsbühne oder sogar gesicherte Behälter für Sprengstoff lassen sich je nach Kundenbedarf realisieren. Diese Anpassungsfähigkeit macht Munro für spezielle Branchen attraktiv – etwa für Minengesellschaften, Forstbetriebe oder Streitkräfte.

Dass der M170 fast ausschließlich im Gelände getestet wurde, ist daher kein Zufall. „Unsere Kunden bewegen ihre Fahrzeuge in extremen Umgebungen. Dort muss das Auto funktionieren, nicht auf dem Boulevard“, sagt der Munro Co-Founder. Für den Straßenbetrieb ist das Auto natürlich zugelassen – inklusive aller sicherheits- und zulassungsrelevanten Prüfungen –, doch entscheidend sei die Performance im harten Alltag.
In der Praxis ersetzen Kunden häufig Diesel-Pick-ups, die erst aufwendig umgebaut werden müssen, um den Anforderungen zu genügen. Munro bietet diese Spezialisierung ab Werk – und reduziert dadurch Kosten, Komplexität und Ausfallrisiken. Der Preis für den M170 beginnt bei über 63.000 Pfund (ca. 72.500 Euro) zuzüglich Mehrwertsteuer – kein Schnäppchen, aber laut Peterson ein fairer Preis. „Unsere Kunden denken in Jahrzehnten, nicht in Leasingzyklen. Für sie ist das Auto ein Arbeitsgerät – vergleichbar mit einem Bagger, nicht mit einem Geländewagen.“

Viele Fahrzeuge, die aktuell im Einsatz sind, müssen nachträglich mit Unterfahrschutz, Seilwinde, Höherlegung oder Portalachsen ausgerüstet werden – oft durch teure Drittanbieter. Bei Munro sind diese Optionen bereits integriert oder werkseitig erhältlich. Hinzu kommt der Umstieg auf Elektroantriebe: Wer einen Diesel pick-up auf Batterieantrieb umrüstet, zahlt häufig mehr – ohne Gewährleistung und ohne durchgängiges Konzept. Munro bietet mit dem M170 ein Komplettfahrzeug, das auf Dauerbetrieb ausgelegt ist.
Service im Fokus. Durch eigene mobile Techniker und Serviceteams
Wesentlicher Bestandteil der Strategie ist dabei das Thema Service. „Unsere Kunden arbeiten in abgelegenen Regionen, oft Stunden von der nächsten Werkstatt entfernt. Wenn dort ein Diesel-Pick-up ausfällt, kann es teuer und kompliziert werden“, erklärt der CEO des Unternehmens. Munro plant daher mobile Techniker oder Serviceteams direkt vor Ort, insbesondere bei Großkunden. Reparaturen sollen einfach, planbar und möglichst unabhängig von zentralen Werkstätten möglich sein.

Der modulare Aufbau des Fahrzeugs ist dabei kein Designmerkmal, sondern funktionale Notwendigkeit – und zentrale Voraussetzung für die Langlebigkeit. Denn Munro verspricht nicht weniger als: „Gebaut für ein ganzes Leben.“ Ob das in Zeiten schneller technischer Entwicklung, immer neuer Softwaregenerationen und sich ändernder Vorschriften realistisch ist? Peterson bleibt überzeugt. „Unsere Fahrzeuge sind so konstruiert, dass sie auch in zehn oder 20 Jahren durch Austausch einzelner Komponenten modernisiert und weiterbetrieben werden können. Das spart Ressourcen, CO₂ und langfristig auch Geld.“
Grundlage für dieses Versprechen ist die Entscheidung für Lithium-Eisenphosphat-Batterien (LFP). Diese Zellchemie sei zwar weniger energiedicht als andere Technologien, dafür deutlich langlebiger, stabiler und mit geringerem Risiko thermischer Probleme verbunden. „In unseren Tests hat sich LFP als ideal für den geplanten Einsatzbereich erwiesen. Und im Gegensatz zu anderen Zelltypen benötigen wir keine großen Pufferzonen für Ladezyklen – das macht die Batterien effizienter nutzbar.“

Perspektivisch schließt Munro andere Zelltypen nicht aus, will sich aber an den realen Anforderungen der Kunden orientieren, nicht an theoretischen Reichweitenwerten. Dass Munro trotz seines jungen Alters und der geringen Stückzahlen über 240 Vorbestellungen generieren konnte, ist für Peterson ein Beleg für die Marktrelevanz. Die Bestellungen kommen aus unterschiedlichen Branchen – von der Bauindustrie bis zum Militär –, beinhalten sowohl feste Aufträge als auch Anfragen mit Anzahlung oder unverbindliche Volumenoptionen.
Zu schnelles Wachstum möchte man bewusst vermeiden
Viele Verträge sehen einen Erstkauf vor, gefolgt von einer Soft-Commitment-Phase, in der Kunden das Produkt im Alltag testen. Dieses Vorgehen sei sinnvoll – und willkommen. „Wir wollen nicht zu schnell wachsen und Fehler wiederholen, die wir bei anderen Start-ups in der Branche beobachtet haben.“ Dazu gehöre auch, Erwartungen realistisch zu halten und nicht überzogene Versprechen abzugeben. Munro setzt auf Ehrlichkeit, Transparenz und eine bodenständige Engineering-Mentalität.

Der Mitgründer Martin O’Neill gilt als einer der besten Ingenieure Großbritanniens und bringt seine Erfahrung konsequent in die Produktentwicklung ein. Gleichzeitig nutzt Munro die Vorteile eines „Clean-Sheet“-Ansatzes: keine Altlasten, keine Legacy-Systeme, sondern ein vollständig neu konzipiertes Produkt mit moderner Lieferkette und hoher Kapital-Effizienz. Auch wenn Wachstum geplant ist, bleibt der Fokus auf Rentabilität und Qualität.
Die Produktion ist nicht auf Massentaktung ausgelegt, sondern auf Flexibilität. Der Standort Schottland sei dafür ideal, sagt Peterson – nicht nur wegen der rauen Testbedingungen, sondern auch wegen des Know-hows vor Ort. Universitäten und Ausbildungsstätten sorgen für qualifizierten Nachwuchs, und der politische Rückhalt für Industrieprojekte sei spürbar.
Australien und Südafrika als Wachstumsmärkte im Fokus
Perspektivisch denkt Munro jedoch global – und hat die nächsten Zielmärkte bereits im Blick. Besonders Australien und Südafrika stehen auf der Agenda. „Beides sind rohstoffreiche Länder mit großem Bedarf an robusten Nutzfahrzeugen, schwierigem Terrain und stark wachsendem Interesse an Elektromobilität“, so Peterson. In Australien gebe es sogar Programme zur Elektrifizierung von Großgerät in Minen – da passe der M170 als ergänzendes Produkt ideal hinein. Und angesichts steigender Dieselpreise, logistischer Herausforderungen bei der Kraftstoffversorgung und dem Vormarsch von Wind- und Solarstrom sehen viele Unternehmen gerade in abgelegenen Regionen einen Wechsel zu elektrischen Arbeitsflotten als logischen Schritt.

Munro will davon profitieren – mit einem Produkt, das anders ist als der Rest des Marktes. Nicht smarter, nicht luxuriöser, nicht digitaler – sondern schlicht: ehrlicher, wie deren CEO es beschreibt.