MAN-Test: E-Lkw nur halb so laut wie Verbrenner

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Daniel Krenzer
Daniel Krenzer
  —  Lesedauer 4 min

Wer an einer auch von Lkw stark befahrenen Straße lebt oder arbeitet, dem wird diese Nachricht gefallen: MAN hat bei Versuchen gemeinsam mit Fraunhofer getestet, wie laut Elektro-Lkw im Vergleich zu herkömmlichen Diesel-Lastern sind. Kurz: Sie sind etwa nur halb so laut. Das berichtet das Unternehmen in einer Pressemitteilung.

MAN Truck & Bus beteiligt sich demnach an der „Mobilitätsstudie geräuscharme Logistik“ des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML, die vom Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert werde. Sie soll Standards für die Messung von Geräuschemissionen bei Liefervorgängen erarbeiten. MAN war laut Mitteilung mit einem Vorserienfahrzeug des neuen MAN eTruck, der 2024 erstmals an Kunden ausgeliefert wird, Teil der Realmessungen mit ausgewählten Fahrzeugen.

„Aufgrund der Messungen ergibt sich für den eTruck ein um circa 6 Dezibel geringer Pegel für die gleichmäßige Vorbeifahrt bei 20 Stundenkilometer. Berücksichtigt man hierbei, dass der hier gemessene Dieseltruck bei 20 Stundenkilometer um etwa 5 Dezibel leiser ist als der typische Ansatz aus der Literatur, erhöht sich der Unterschied zwischen dem eTruck und dem Literaturansatz auf 11 Dezibel. Der eTruck ist damit vom Höreindruck etwa halb so laut wie ein klassischer Diesel-Lkw. Für die beschleunigte Anfahrt ergab sich eine noch deutlichere Pegeldifferenz zwischen den beiden Lkw in Höhe von 12 Dezibel“, erläutert Michael Wirtz, Projektleiter der Messungen bei der Peutz Consult GmbH. Um die Lautstärkeentwicklung des MAN eTrucks noch besser einordnen zu können, zieht Wirtz einen Vergleich mit konventionell angetriebenen Pkw: „Mit einem Schallleistungspegel von circa 49 dB(A)/m bei 20 Stundenkilometern ist der eTruck nur ein Dezibel ,lauter‘ als der Pkw mit 48 dB(A)/m.“

„Positiver Beitrag für Mensch und Natur“

Auch Dr. Christoph Jeßberger, Product Strategy Manager bei MAN, zieht eine positive Bilanz: „Mit dem MAN eTruck wollen wir einen positiven Beitrag für Mensch und Natur leisten. Das tun wir vor allem mit der lokalen Emissionsfreiheit, aber auch mit der deutlich wahrnehmbaren Lärmreduktion. Die Messungen zeigen: Unsere neuen MAN eTrucks könnten auch in den Tagesrandzeiten eingesetzt werden, also am späten Abend oder frühen Morgen. Dadurch eröffnen sie unseren Kunden ein sehr breites Einsatzspektrum und eine hohe Flexibilität. Das bedeutet eine Nutzung bis zu 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche – sofern die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden.“

Wie wichtig diese Bemühungen seien, zeigten die Anforderungen an Lärm und Schallschutz bei vielen Genehmigungsverfahren. Die Niederlande haben beispielsweise den Lärmschutzstandard PIEK entwickelt. Um eine Zertifizierung – etwa für Nachtlieferungen – zu erhalten, werden Lkw und das Transport-Equipment akustisch untersucht. Sie dürfen die vorgeschriebenen Dezibel-Grenzen in 7,5 Metern Entfernung nicht überschreiten. In Deutschland erfolgt die Beurteilung von Lärmimmissionen nach der TA Lärm (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm). „Eine Marktübersicht oder standardisierte Angaben zu Lärmemissionen alternativ angetriebener Nutzfahrzeuge im logistischen Einsatz existieren in Deutschland derzeit nicht”, erläutert Daniela Kirsch, Projektleiterin am Fraunhofer IML, die Problematik in Deutschland. „Darum brauchen wir eine Lösung wie das PIEK-Zertifikat, an der sich Unternehmen orientieren können.“

Neue Genehmigungen für Lieferungen in der Nacht oder in den Tagesrandzeiten zu bekommen, gestalte sich heute noch oft als schwierig, denn es fehle an Werten, an denen sich die Verwaltungen orientieren können. „Mit der Erstellung eines Handbuchs zu den Geräuschemissionen durch Lastkraftwagen mit alternativen Antrieben bei der Anlieferung im urbanen Raum wollen wir den Kommunen und Genehmigungsbehörden die Arbeit erleichtern. Wir haben festgestellt, dass ihnen Daten und Messwerte fehlen, wenn sie beispielsweise über eine Nachtanlieferung im urbanen Raum entscheiden sollen“, sagt Kirsch. Das will die Fraunhofer-Studie zur geräuscharmen Logistik ändern.

Mindestens zehnmal gemessen

Die Studie erscheint voraussichtlich Anfang 2024. Die Daten dafür sollen unter anderem bei einer Messreihe auf der MAN-Teststrecke in München erhoben werden. Dabei haben Experten den MAN Elektro-Lkw und einen herkömmlichen dieselangetriebenen MAN TGX 18.510 der gleichen Gewichtsklasse auf die Strecke geschickt und deren Lärmpegel gemessen. Jeweils Sattelzüge mit 40 Tonnen Gesamtgewicht. Mitarbeiter der akkreditierten Messstelle Peutz Consult GmbH führten laut MAN die Messungen im Auftrag des Fraunhofer IML durch. Rechts und links der Fahrbahn stellten sie demnach in je 7,5 Meter Abstand geeichte Handschallpegelmesser auf.

Verschiedene Szenarien seien auf der Teststrecke simuliert und deren Lärmimmissionen gemessen worden: Zum einen Fahrten bei 20 Stundenkilometern mit eingeschaltetem akustischen Warnsystem AVAS – ein künstliches Fahrgeräusch, weil erst ab einer Geschwindigkeit von etwa 20 km/h die Abrollgeräusche der Reifen deutlich zu hören sind. Weitere Messungen seien bei 30 Stundenkilometern sowie beim Rückwärtsfahren mit an- und abgeschaltetem Rückfahrwarner erfolgt. Zudem seien Daten zur beschleunigten Anfahrt erhoben worden. Jede Messung sei mindestens zehnmal durchgeführt worden.

Leider führte MAN keine Fahrten bei höherer Geschwindigkeit durch. Auskünfte zu Lärmemissionen, wie sie auf Landstraßen oder Autobahnen auftreten, wären ebenfalls interessant gewesen. Gut möglich aber, dass  bei Lkw analog zu Pkw gilt: Ab einer bestimmten Geschwindigkeit ist der Antrieb für die Lärmemissionen eines Fahrzeugs meist irrelevant. Weil dann die Abrollgeräusche der Reifen jene des Antriebs übertönen.

Quelle: MAN – Pressemitteilung vom 13.07.2023

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Daniel Krenzer

Daniel Krenzer

Daniel Krenzer ist als studierter Verkehrsgeograf und gelernter Redakteur seit mehr als zehn Jahren auch als journalistischer Autotester mit Fokus auf alternative Antriebe aktiv und hat sich zudem 2022 zum IHK-zertifizierten Berater für E-Mobilität und alternative Antriebe ausbilden lassen.
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EinfachNurKlarDenken:

Dann lässt es sich lange darauf warten, denn der Lärm entsteht bei der Verdrängung der Luft durch den Reifen. Wenn man sich die gesammelte Bandbreite der NuFa- und Busreifen, bis auf Baufahrzeuge ansieht, wird man erkennen müssen, dass diese fasst nur Längsrillen aufzuweisen haben. Diese verdrängen mit dem geringsten Widerstand die Luft ohne Unterbrechung von Querprofil und regen somit auch keine Pulsation an weil sie nahezu linear sind. Zudem wird auch mit dem deutlich größeren Durchmesser dieser Reifen eine Art von Peitscheneffekt umgangen, wie sie der im Durchmesser doch recht kleine PKW-Reifen ungünstig für die Geräuschentstehung inne hat. Und wenn man dann noch bedenkt bei ca. 85 km/h Schluss ist mit Geschwindigkeit, ist die Annahme oder Pessimismus nicht am rechten Platz. Was aber nicht unumstösslich ist, wäre die Aerodynamik des LKW, die mehr Geräusch bei Geschwindigkeitszunahme erzeugt, aber auch da ist der konstruktive Ansatz primär zur Verbesserung des Luftwiderstandes beim Tesla Semi ein sehr deutlicher Wettbewerbsvorteil. Da weiss MAN mit seiner konventionellen Bauweise (noch) nicht zu glänzen.

Marius:

Ich begrüße das sehr, dass LKW durch den E-Motor leiser werden. Ich wohne am Berg und wenn hier mit hoher Drehzahl ein Diesel-LKW hochfährt, fallen einem jedes Mal die Ohren ab.
Das AVAS wiederum finde ich richtig nervig. Erst werden die E-Fahrzeuge leise, damit man sie dann wieder laut macht. Dabei ist es nicht mal mehr möglich, es dauerhaft zu deaktivieren…

Strohmann:

Man kann darauf wetten dass der Lärmpegel bei höherer Geschwindigkeit eines e-Trucks aufgrund Zunahme Reifenlärm deutlich höher ist als beim leichteren Verbrenner.

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