Lithium und Co.: Wie Deutschland die Rohstoffabhängigkeit abmildern kann

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Lithium-Gewinnung per Verdunstung in Chile – Shutterstock / 2341431709

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

Deutschlands Industrie zählt zu den weltweit größten Verbrauchern von mineralischen Rohstoffen. Dass der Großteil davon aus einigen wenigen Ländern importiert wird, birgt ein zunehmendes Risiko für die sichere Versorgung und damit für die Grundlage von Wachstum und Wohlstand. Würde zum Beispiel China als Hauptlieferant von Lithium und Lithium-Produkten wie Akkus ausfallen, drohte der deutschen Industrie ein Verlust von Wertschöpfung in Höhe von bis zu 115 Milliarden Euro, davon allein 42 Milliarden in der Autoindustrie. Zu diesem Ergebnis kommen Experten von Roland Berger und dem BDI in ihrer gemeinsamen Studie Wege aus der Abhängigkeit – wie Deutschland die Rohstoffe für eine zukunftsfähige Wirtschaft sichert (verlinkt als PDF).

Neben dem Extrembeispiel Lithium zeigen die Autoren auch anhand anderer Beispiele, wie wichtig eine umfassende politische Strategie für die sichere Versorgung mit kritischen Rohstoffen ist, zumal der Bedarf weiter steigt. Sie empfehlen daher ein Bündel an Maßnahmen wie die Stärkung der heimischen Rohstoffförderung und -verarbeitung, die Diversifizierung der Lieferländer sowie technologische Innovationen, zum Beispiel den Auf- und Ausbau einer Kreislaufwirtschaft.

Die Zukunftsfähigkeit der deutschen Industrie ist maßgeblich von einer gesicherten Rohstoffversorgung abhängig, da diese für Schlüsseltechnologien relevant ist“, sagt Marcus Berret, Global Managing Director bei Roland Berger. „Ohne diese sind weder die Wende zur E-Mobilität noch die Energiewende möglich. Im Gegenteil: Durch Transformationen wie die Dekarbonisierung und die Digitalisierung steigt die Nachfrage nach bestimmten Rohstoffen weltweit massiv.“ So prognostiziert die internationale Energieagentur IEA bis 2040 einen Anstieg des globalen Lithiumbedarfs um das 42-fache gegenüber 2020. Ähnliches gilt für Grafit (25x), Kobalt (21x), Nickel (19x) und Mangan (8x).

Die teilweise problematisch hohe Abhängigkeit der deutschen Industrie von Rohstoffimporten aus einzelnen Ländern ist hinlänglich bekannt“, sagt BDI-Präsident Siegfried Russwurm. „Trotz aller Bemühungen, sie zu reduzieren, hat sie in den vergangenen Jahren sogar noch zugenommen, wie unsere Studie zeigt.“

Die Autoren haben für 48 kritische Rohstoffe die Importkonzentration berechnet, ein Maß für die Abhängigkeit von einzelnen Lieferländern: Im Jahr 2023 war diese demnach bei 23 Rohstoffen hoch bis sehr hoch und ist bei zehn dieser Rohstoffe sogar gestiegen. So bezog Deutschland 2014 noch 32 Prozent seiner Importe von Seltenen Erden aus China, 2023 waren es bereits 69. Bei Germanium stieg der chinesische Anteil von 23 auf 40 Prozent, bei Bismut sogar von 24 auf 95 Prozent.

Abhängigkeiten haben zugenommen, vor allem von China

Betrachtet man nicht nur die Rohstoffe selbst, sondern auch daraus hergestellte Produkte, verschärft sich das Bild nochmals. Beispiel Lithium: Zwar ist die Importkonzentration bei Lithiumkarbonat gesunken, doch bei weiterverarbeiteten Lithiumprodukten wie Akkus und Batterien steigt sie schnell und stark an. So importierte Deutschland 2014 noch 18 Prozent seiner Lithium-Akkus aus China, heute sind es bereits 50 Prozent.

Sollte es – etwa durch Handelskonflikte – zu einem Totalausfall von China als Lieferant kommen, wären insgesamt gut 80 Prozent des deutschen Imports von Lithium und Lithium-Produkten betroffen. Allein im Automobilsektor sind 34 Prozent der Wertschöpfung oder 52 Milliarden Euro auf lithiumhaltige Produkte angewiesen; somit wären hier 42 Milliarden Euro Wertschöpfung in Gefahr. Durch die direkten und abgeleiteten Auswirkungen auf die Automobilindustrie entstünde gar ein volkswirtschaftlicher Schaden von rund 88 Milliarden Euro. Werden zudem Auswirkungen in anderen Sektoren des verarbeitenden Gewerbes berücksichtigt, ergibt sich ein gesamtwirtschaftlicher Schaden von 115 Milliarden Euro.

Deutschland hat sein eigenes Potenzial noch nicht ausgeschöpft

Das Beispiel Lithium zeigt besonders drastisch, wie groß die Risiken einer Abhängigkeit von einzelnen Lieferländern sind“, führt Berret weiter aus. „Aber auch bei anderen kritischen Rohstoffen sieht es kaum besser aus. Darum ist es höchste Zeit, Maßnahmen zu ergreifen und mit einer neuen, wirksamen Gesamtstrategie gegenzusteuern.“

Diese neue Strategie müsse auf drei Säulen stehen: Zum einen sollte die heimische Rohstoffförderung und -verarbeitung gestärkt werden. Deutschland schöpfe zum Beispiel bei Lithium sein Potenzial bisher nicht aus. Dafür brauche es unter anderem politische und regulatorische Planungssicherheit, staatliche Investitionen sowie finanzielle und steuerliche Anreize.

Die zweite Säule ist die Diversifizierung der Lieferländer, etwa durch Aufbau neuer und Vertiefung bestehender Rohstoffpartnerschaften. Zudem sollte Deutschland eng mit unterschiedlichen Abnehmerländern zusammenarbeiten, um Synergien zu nutzen und gemeinsame Standards sowie Strategien zu entwickeln.

Als dritte Maßnahme für mehr Resilienz der Rohstoffversorgung nennen die Studienautoren technologische Innovationen wie etwa den zügigen Aufbau der Kreislaufwirtschaft. Während die meisten metallischen Rohstoffe beliebig oft recycelt werden können, müssen für andere Rohstoffe noch entsprechende Recyclingtechnologien entwickelt werden. Daher sind Investitionen in Forschung, Entwicklung und Transfer von Schlüsseltechnologien im Bereich der Kreislaufwirtschaft nötig.

Auf Basis dieser drei Hebel muss Deutschland schnell konkrete Maßnahmen umsetzen, um die Abhängigkeit von einzelnen Ländern wirksam zu reduzieren“, schließt Russwurm. „Denn von der Verfügbarkeit dieser Rohstoffe hängt die Zukunft der deutschen Wirtschaft ab.“

Quelle: Roland Berger – Pressemitteilung vom 11.11.2024

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Jakob Sperling:

Als ich hier vor 5 Tagen auf das Lithium-Problem für die deutsche Autoindustrie hinwies, hatte ich 13 Daumen runter.

Europa, und insbesondere Deutschland, ist mindestens bei den Batterien völlig von China abhängig. China nutzt das jetzt schon aus; warum sonst ist ein chinesisches BEV so viel billiger als ein europäisches. China kann durch seine dominante Marktstellung die Lithium-Preise hoch halten und mit diesem Gewinn seine BEV billiger machen.

Die drei von Roand Berger genannten Gegenmassnahmen (siehe unten) sind wohl richtig, trotzdem wird sich die Abhängigkeit noch erhöhen. Der Lithiumbedarf z.B. soll sich bis 2040 auf das 40-fache erhöhen. Es glaubt wohl niemand wirklich, dass D innert nützlicher Frist einen wesentlichen Teil davon selbst produzieren kann.

Gleichzeit setzt sich die EU mit ihren Zielen selbst unter Druck und zwingt damit ihre Industrie noch mehr in die Abhängigkeit von China. Während China weiterhin (auch) neue Kohlekraftwerke baut (2/3 der Welt-Produktion). Der CO2-Peak von China wird erst in ein paar Jahren sein; im Moment steigt der Ausstoss noch Jahr für Jahr.

Wie können wir uns wieder aus dieser Misere rausarbeiten?
Die Studie von Roland Berger nennt 3 Massnahmen:

1 Stärkung der einheimischen Rohstoff-Förderung und -Verarbeitung.

2 Diversifizierung der Lieferländer

3 Zügiger Aufbau der Kreislaufwirtschaft

Wie gesagt, alles richtig, wird aber nicht ausreichen, um die Abhängigkeit nicht noch weiter zu erhöhen.

Spezifisch auf die Versorgung mit Lithium und anderen Rohstoffen für Batterien sehe ich noch ein paar weitere Massnahmen, die helfen sollten:

4 Förderung von Technologien, die ohne Lithium auskommen und keine Förderung von Technologien, die sehr viel Lithium brauchen.
Für die Energiespeicherung also eher nicht Li-Batterien, sondern Alternativen, von denen es viele gibt. Im grossen Stil z.B. Pumpspeicherwerke oder H2-Gaskraftwerke, bei mittleren Grössen z.B. Compressed Air, Compressed CO2 oder Gravity und bei kleineren Speichern (oft ‚Giga-Batterien‘ genannt) z.B. Schwungräder, Redox-Flow etc.

5 Förderung der Wasserstoffwirtschaft generell, auch für Langstrecken-Verkehr und Energie-Speicherung.

6 Rehabilitierung des PlugIn-Hybrids; evt. mit zusätzlichen Bedingungen.
Fünf PHEV brauchen so viel Batterien (und Lithium) wie ein BEV, sparen damit aber bei sinnvollem Einsatz drei bis vier mal so viel CO2 ein (5 x 80% gibt 400% Einsparung). Langstrecken-BEV, bzw. BEV mit grossen Batterien erst dann fördern, wenn wir die Lithium-Abhängigkeit lösen konnten.

Malthus:

Ach was:
>„Die teilweise problematisch hohe Abhängigkeit der deutschen Industrie von Rohstoffimporten aus einzelnen Ländern ist hinlänglich bekannt“
Jaja- wie bei Erdgas ;-)
Als ob wir kein BGR mit seiner Rohstoffagentur unterhalten würden; nutzt halt nur nix, wenn dessen warnende Expertisen im Reichstag ungelesen in der Rundablage landen, weil sie zur nächsten Wahl ungelegen kommen.
Im Übrigen- ceterum censeo: die Bevölkerung muss ab- statt aufgebaut werden. Aber das kommt dann automatisch- nur halt etwas unangenehmer.

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