Kretschmer: Sachsen ringt um seine Auto-Industrie

Cover Image for Kretschmer: Sachsen ringt um seine Auto-Industrie
Copyright ©

Shinedawn / Shutterstock.com

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 3 min

Sachsens Wirtschaft hängt stark am Auto: Viele Betriebe liefern Teile, Maschinen und Service. Die Industrie schwächelt jedoch, die Hersteller verkaufen weniger E-Autos als erwartet. Das trifft viele Standorte im Freistaat, erste Firmen streichen Schichten und Stellen. Die Unsicherheit wächst. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) traf die Spitze von Volkswagen Sachsen in Lichtenstein im Landkreis Zwickau und forderte dort unter anderem niedrigere Strompreise, wie die Nachrichtenagentur DPA berichtet. Nur bezahlbare Energie stärke den Absatz von E-Autos, findet er. Er setzt zudem auf mehr Ladepunkte, denn ohne flächendeckendes Netz bleiben Käufer:innen skeptisch. Politik und Wirtschaft sollen gemeinsam handeln.

Kretschmer sieht Zwickau als industriellen Kern Ostdeutschlands. Er verlangt Lösungen, die Arbeit und Kompetenz sichern. „Volkswagen ist in der Pflicht“, sagt er. Das Land will helfen und stellt rund 100 Millionen Euro für die Transformation bereit. Diese Mittel sollen Prozesse modernisieren, Qualifizierung fördern und neue Technologien anstoßen. Die Unternehmen vor Ort sollen davon möglichst schnell profitieren, heißt es.

Sachsens Regierungschef verknüpft die Lage von VW mit dem Zustand der deutschen Wirtschaft. Er spricht von fehlender Wettbewerbsfähigkeit: Energie koste zu viel, Lohnnebenkosten stiegen, Betriebe bräuchten flexiblere Regeln im Arbeitsrecht, während zu viele Detailvorgaben Investitionen ausbremsten. Kretschmer nutzt das Bild vom gefesselten Gulliver und meint damit eine Vielzahl kleiner Vorschriften, die zusammen große Wirkung entfalten können. Entferne man die Fesseln, entstehe Spielraum für Investitionen und Innovation.

Er adressiert auch die Bundesregierung in Berlin: Schwarz-Rot müsse den Auto-Standort Sachsen politisch absichern. Günstiger Strom, verlässliche Rahmenbedingungen und mehr Tempo bei Genehmigungen bilden aus seiner Sicht die Hebel dafür. Das Land könne zwar auch fördern, doch die großen Weichen müsse die Bundesregierung stellen. Kretschmer fordert daher klare Entscheidungen, die Planbarkeit schaffen. Unternehmen brauchen eine bessere Sicht auf Kosten und Nachfrage, bevor sie Produktionspläne anpassen.

Ladeinfrastruktur muss wachsen und günstiger werden

Für die Elektromobilität nannte er bereits zuvor zwei Stellschrauben: Erstens mehr Ladeinfrastruktur an Wohnorten sowie entlang von Pendelstrecken und an Knotenpunkten. Zweitens niedrigere Tarife, damit das Laden günstiger als Tanken bleibt. So entstehe Vertrauen bei Käufern. Gleichzeitig seien aber auch die Hersteller gefordert. Sie müssen Modelle anbieten, die weitere Zielgruppen erreichen, Basisvarianten sollten zu attraktiveren Preisen angeboten werden. Mittelklasse-Autos brauchen solide Reichweiten und transparente Gesamtkosten, fordert Kretschmer.

Die Lage in Sachsen zeigt, wie eng Politik, Energiepreise und Industrie zusammenhängen: Hohe Kosten schwächen die Nachfrage und eine geringere Nachfrage zwingt Konzerne zu Drosselungen. Diese Kette belastet Beschäftigte und Kommunen. Eine koordinierte Strategie aber kann gegensteuern. Das Land liefert Anschub mit Fördergeld. Der Konzern prüft Produktionsprogramme. Der Bund setzt Rahmen für Energie und Arbeit. In diesem Zusammenspiel kann sich der Markt stabilisieren.

Am Ende bleibt das Ziel klar: Sachsen soll Automobilland bleiben. Zwickau, Chemnitz und Dresden verfügen über Know-how und Infrastruktur, darauf kann man aufbauen. Sinkende Strompreise und ein dichteres Ladenetz dürften weitere Käufer:innen von Elektroautos überzeugen, während Unternehmen Planungssicherheit gewinnen und die Regionen Wertschöpfung und Jobs halten können.

Quelle: Vision Mobility – E-Auto-Krise: Kretschmer mahnt zu niedrigeren Strompreisen / Wirtschaftswoche – „Wir müssen uns ehrlich machen: Deutschland lebt über seine Verhältnisse“

worthy pixel img
Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

Artikel teilen:

Kommentare (Wird geladen...)

Ähnliche Artikel

Cover Image for Automobil-Experte: „Kurzfristdenken verhindert Fortschritt“

Automobil-Experte: „Kurzfristdenken verhindert Fortschritt“

Sebastian Henßler  —  

Ex-VW-Stratege Michael Jost kritisiert kurzfristiges Denken und fordert klare Strategien für eine unabhängige Energie- und Mobilitätszukunft.

Cover Image for Test des Volvo EX90 – Souveränität in ihrer ruhigsten Form

Test des Volvo EX90 – Souveränität in ihrer ruhigsten Form

Sebastian Henßler  —  

Der Volvo EX90 zeigt sich als ruhiger Begleiter für lange Strecken und verbindet Stabilität, Komfort und Sicherheit mit skandinavischer Zurückhaltung.

Cover Image for „Vom Auto aufs Meer“ – Michael Jost über Ed-Tec

„Vom Auto aufs Meer“ – Michael Jost über Ed-Tec

Sebastian Henßler  —  

Ex-VW-Chefstratege Jost überträgt das Denken der Autoindustrie aufs Meer – mit Ed-Tec will er zeigen, dass Effizienz und Emotion kein Widerspruch sind.

Cover Image for In diesen 7 deutschen Städten gibt es die meisten Ladepunkte

In diesen 7 deutschen Städten gibt es die meisten Ladepunkte

Daniel Krenzer  —  

In Deutschlands Großstädten gibt es inzwischen Tausende Ladepunkte. In der Topliste schneiden zwei Städte überraschend gut ab.

Cover Image for Daimler Truck startet weitere Testphase mit Wasserstoff-Lkw

Daimler Truck startet weitere Testphase mit Wasserstoff-Lkw

Michael Neißendorfer  —  

Als Energiequelle kommt flüssiger Wasserstoff zum Einsatz, der zwar manche Vorteile gegenüber gasförmigem Wasserstoff bietet – aber auch viele Nachteile.

Cover Image for Ex-VW-Chefstratege: „Technologieoffenheit ist strategiefrei“

Ex-VW-Chefstratege: „Technologieoffenheit ist strategiefrei“

Sebastian Henßler  —  

Klare Prioritäten statt Beliebigkeit. „Technologieoffenheit klingt modern, ist aber strategiefrei“, so der ehemalige VW-Stratege Michael Jost im Gespräch.