Erneuerbare Energien überholen Gas und Kohle in der EU-Stromerzeugung

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 3 min

Europa konnte 2020 das grünste Stromjahr aller Zeiten verzeichnen: Zum ersten Mal übertraf die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien jene aus fossilen Brennstoffen. Erneuerbare Energien hatten 2020 einen Anteil von 38 Prozent am europäischen Strommix, wohingegen fossile Energieträger nur auf 37 Prozent kamen. Das zeigt eine gemeinsame Analyse von Agora Energiewende und dem britischen Thinktank Ember.

Vorangetrieben wurde der Wandel durch das rasante Wachstum der Wind- und Solarstromerzeugung; diese hat sich seit 2015 fast verdoppelt. Im Jahr 2020 stammte bereits ein Fünftel des EU-Stroms aus Wind- und Solarenergieanlagen. Die höchsten Anteile wurden in Dänemark (61 Prozent), Irland (35 Prozent), Deutschland (33 Prozent) und Spanien (29 Prozent) verzeichnet.

Umgekehrt zum Wachstum bei den erneuerbaren Energien hat sich die Kohleverstromung seit 2015 halbiert. Allein im Jahr 2020 sank sie um ein Fünftel. Kohlekraftwerke lieferten damit nur noch 13 Prozent des europäischen Stroms. Die Stromerzeugung aus Erdgas sank 2020 hingegen nur um 4 Prozent. Hintergrund dieser ungleichen Entwicklung ist der deutlich gestiegene Preis für Emissionszertifikate. Dadurch produzierten vergleichsweise klimafreundliche Gaskraftwerke vielfach den billigsten Strom unter den fossilen Kraftwerken. Sie unterboten in Deutschland, Polen und Tschechien sogar erstmals für einige Monate die Braunkohleverstromung.

„Europa hat zu Beginn eines Jahrzehnts globaler Klimaschutzmaßnahmen einen Meilenstein erreicht. Das rasante Wachstum von Wind- und Solarenergie hat die Kohle zum Niedergang gezwungen. Doch das ist erst der Anfang, denn Europa setzt auf Wind- und Solarenergie, um nicht nur den Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 sicherzustellen, sondern auch um die Verstromung von Gas auslaufen zu lassen, stillgelegte Kernkraftwerke zu ersetzen und den steigenden Strombedarf von Elektroautos, Wärmepumpen und Elektrolyseuren zu decken.“ – Dave Jones, leitender Stromanalyst bei Ember und Hauptautor des Berichts

Die europäische Stromnachfrage sank 2020 um vier Prozent und erreichte im April während der ersten Corona-Welle einen Tiefstand. Der Zuwachs bei den erneuerbaren Energien war trotz der Pandemie robust. Ein weiterer Rückgang bei den fossilen Energien wurde durch den Anstieg der Stromnachfrage später im Jahr sowie eine unterdurchschnittliche Erzeugung von Atomstrom gebremst.

Die Studie ergab auch, dass Europas Strom im Jahr 2020 um 29 Prozent weniger CO2-intensiv war als 2015. Die Kohlenstoffintensität der europäischen Stromerzeugung erreichte im Jahr 2020 ein Rekordtief von 226 Gramm CO2 pro Kilowattstunde. In Deutschland verursachte die Stromerzeugung in 2020 noch 301 Gramm CO2 je Kilowattstunde, verglichen mit 460 Gramm in 2015 ebenfalls ein deutlicher Rückgang um gut ein Drittel.

„Die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie darf den Klimaschutz nicht ausbremsen. Wir brauchen daher eine starke Klimapolitik – wie zum Beispiel den Green Deal -, um einen stetigen Fortschritt zu gewährleisten.“ – Dr. Patrick Graichen, Direktor Agora Energiewende

Der Zuwachs von Strom aus Wind- und Solarenergie liegt mit 51 Terawattstunden im Jahr 2020 über dem durchschnittlichen Wachstum der vergangenen zehn Jahre mit im Mittel 38 Terawattstunden. „Um die für die Klimaneutralität erforderlichen 100 Terawattstunden jährlichen Zubaus zu erreichen, ist jedoch eine Verdoppelung des Niveaus von 2020 notwendig“, erklärt Agora-Direktor Graichen. Die aktuellen Nationalen Energie- und Klimapläne (NECP) der EU-Mitgliedsstaaten würden diesen Wert bis 2030 nur auf 75 Terawattstunden pro Jahr erhöhen.

Die Studie „The European Power Sector in 2020“, hier als PDF im Volltext (englisch), enthält aktuelle Daten zur EU-27 sowie zu 19 einzelnen Ländern.

Quelle: Agora Eneriewende – Pressemitteilung vom 25.01.2021

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Leser:

Die Frage kann man schon stellen, wo die Energie stattdessen herkommen soll, wenn Kohle ca. 40 % Anteil an der Energieversorgung und Erdgas nochmal ca. 15 Prozent quasi zu 100% „ersetzt“ werden sollte (wie im Zitat erwähnt). Ich kann verstehen, wenn der Anteil der fossilen Energie deutlich verringert werden soll und dann eben ihren Preis aufgrund des „Schadstoffausstoß“ hat. Aber die Frage ist trotzdem auch ob man fossile Energien nahezu komplett durch erneuerbare Energien ersetzen kann oder doch zumindest noch einen kleinen fossilen Anteil braucht (was z.B. auch Erdgas wäre [auch saubereres Biogas möglich], oder auch ein kleiner Anteil „Verbrennungskraftwerke“ für Kohle, Müll/Abfallstoffe..) eben z.B. für den Winter auch zur Wärmeerzeugung (hoher Wirkungsgrad bei Wärmeenergie und gleichzeitig kann Strom erzeugt werden). Der Weg Erneuerbare auszubauen ist ja richtig, wenn Fossile stärker zurückgedrängt werden. Nur ist eben trotzdem zu beachten, dass eben speziell Sonne und Wind dennoch nicht durchgängig Energie liefern (auch wenn es Vernetzungsmöglichkeiten mit anderen Ländern gibt->dennoch sind das auch gewisse Abhängigkeiten). Und dann eben die ersatzweise Energiebereitstellung gewährleistet sein sollte, nicht dass eines Winters die Heizung doch mal kalt bleibt oder kein Strom mehr aus der Steckdose kommt. Natürlich gibt es da auch Möglichkeiten mit Wasserstoff, Batterien etc., aber irgendwann sind diese Möglichkeiten dann unter Umständen ausgeschöpft, von daher die Frage zu noch vorgehaltenen „Verbrennungskraftwerken als Reserve“, die dann einspringen, wenn die Erneuerbaren eben nicht liefern können.

jomei:

Wo gerade Polen genannt wird: Ausgerechnet Polen stänkert gegen Nordstream2, und importiert gleichzeitig russische Kohle für seine Kohlekraftwerke. So wie die USA Russland als viertgrößten Erdöllieferanten nutzen, aber wegen Nordstream 2 mit dem Sanktionssäbel rasseln. Und die DUH klagt gegen die Röhre wegen Umweltrisiken, aber nicht im Fall der Röhre von Norwegen über Dänemark durch die Ostsee nach Polen.Schlechte Röhre – gute Röhre? Gewiss, ein eigenes Thema, aber Polen ist für mich zur Zeit ein energiepolitisches Reizwort.

jomei:

Ich teile Ihre Frage „Woher soll eine breitere Grundversorgung…“ nicht, da sie vielfach in einschlägigen Seiten beantwortet wurde und man keine Lust hat, das zu wiederholen, die -1 wohl dafür vergeben wurde, das solche Fragen schon genug als rhetorische Fragen zur negativen Selbstbeantwortung seit Jahren wiederholt werden – man merkt die Absicht und man ist verstimmt – aber weil ich auf dem Standpunkt stehe, fürs Fragen sollte man nicht abgestraft werden, habe ich ein komplementäres + vergeben. Aber auch nur deswegen.

Philipp K:

Achso sry, ja die doofen Zitate überflieg ich immer, da eh nur das gleiche meist drinn steht.
Gut, richtig zittiert immernoch gelogen. mögen die Denktanker zuerst untergehn.

Kurt Werner:

sorry: nicht Anteil sondern Ausstieg!

Kurt Werner:

.. um nicht nur den Anteil aus der Kohleverstromung bis 2030 sicherzustellen…
Mit grünen Schrift und Balken gekennzeichnet!

Leser:

Ganz toll: Da hat man nun ein -1 stehen, ohne zu wissen, wofür man die Negativbewertung bekommen hat!

Philipp K:

Ich find den artikel sehr gut!? Ich sehe da keine angaben zum kohleausstieg.
Neben den gestiegenen preisen an der zapfsäule, find ichs jetzt doch bemerkennswert, wie viel die diese co2 steuer ausmachet^^ man meinte ja immer das sei sehr wenig. – aber ich finde wenn die auswirkungen so drastisch sind, und gas sogar billiger macht wie kohle, dann ist das ja schon ein drastischer schnitt.

Kurt Werner:

In dem Artikel wurde einiges durcheinander gebracht. Ein Beschluß zum Kohleausstieg auf EU-Ebene gibt es nicht. Deutschland will bis 2038 oder früher aus der Kohleverstromung aussteigen. Bei den Energieträgern gibt es große Unterschiede. Polen hat einen großen Kohleanteil, Skandinavien viel Wasserkraft, Südeuropa viel Sonnenenergie und am Meer gibt es viel Windkraft. Insgesamt verfügt Europa über ein großes Potential an EE. Das Problem ist die Transformation von gewachsenen Strukturen zu anderen Technologien und vor allem Gewohnheiten. Die guten Zahlen in 2020 kommen auch von überdurchschnittlichen Windaufkommen und Sonnenstunden. In Deutschland war der Januar 2021 deutlich schlechter als vor einem Jahr. In Verbindung mit dem geringen Zubau von Windkraft in den letzten Jahren wird 2021 erstmals weniger Strom aus EE bereitstellen als im Jahr zuvor. Von daher meine Bitte: lesen Sie sich die Wahlprogramme der verschiedenen Parteuien, bei den anstehenden Landtags- und Bundestagswahl gut durch. Die Energiewende ist kein Selbstläufer, sie bedarf der Unterstützung der Menschen.

Fabian Uecker:

Der PHEV ist nur so gut wie sein Nutzer…;)

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