Europa konnte 2020 das grünste Stromjahr aller Zeiten verzeichnen: Zum ersten Mal übertraf die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien jene aus fossilen Brennstoffen. Erneuerbare Energien hatten 2020 einen Anteil von 38 Prozent am europäischen Strommix, wohingegen fossile Energieträger nur auf 37 Prozent kamen. Das zeigt eine gemeinsame Analyse von Agora Energiewende und dem britischen Thinktank Ember.
Vorangetrieben wurde der Wandel durch das rasante Wachstum der Wind- und Solarstromerzeugung; diese hat sich seit 2015 fast verdoppelt. Im Jahr 2020 stammte bereits ein Fünftel des EU-Stroms aus Wind- und Solarenergieanlagen. Die höchsten Anteile wurden in Dänemark (61 Prozent), Irland (35 Prozent), Deutschland (33 Prozent) und Spanien (29 Prozent) verzeichnet.
Umgekehrt zum Wachstum bei den erneuerbaren Energien hat sich die Kohleverstromung seit 2015 halbiert. Allein im Jahr 2020 sank sie um ein Fünftel. Kohlekraftwerke lieferten damit nur noch 13 Prozent des europäischen Stroms. Die Stromerzeugung aus Erdgas sank 2020 hingegen nur um 4 Prozent. Hintergrund dieser ungleichen Entwicklung ist der deutlich gestiegene Preis für Emissionszertifikate. Dadurch produzierten vergleichsweise klimafreundliche Gaskraftwerke vielfach den billigsten Strom unter den fossilen Kraftwerken. Sie unterboten in Deutschland, Polen und Tschechien sogar erstmals für einige Monate die Braunkohleverstromung.
„Europa hat zu Beginn eines Jahrzehnts globaler Klimaschutzmaßnahmen einen Meilenstein erreicht. Das rasante Wachstum von Wind- und Solarenergie hat die Kohle zum Niedergang gezwungen. Doch das ist erst der Anfang, denn Europa setzt auf Wind- und Solarenergie, um nicht nur den Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 sicherzustellen, sondern auch um die Verstromung von Gas auslaufen zu lassen, stillgelegte Kernkraftwerke zu ersetzen und den steigenden Strombedarf von Elektroautos, Wärmepumpen und Elektrolyseuren zu decken.“ – Dave Jones, leitender Stromanalyst bei Ember und Hauptautor des Berichts
Die europäische Stromnachfrage sank 2020 um vier Prozent und erreichte im April während der ersten Corona-Welle einen Tiefstand. Der Zuwachs bei den erneuerbaren Energien war trotz der Pandemie robust. Ein weiterer Rückgang bei den fossilen Energien wurde durch den Anstieg der Stromnachfrage später im Jahr sowie eine unterdurchschnittliche Erzeugung von Atomstrom gebremst.
Die Studie ergab auch, dass Europas Strom im Jahr 2020 um 29 Prozent weniger CO2-intensiv war als 2015. Die Kohlenstoffintensität der europäischen Stromerzeugung erreichte im Jahr 2020 ein Rekordtief von 226 Gramm CO2 pro Kilowattstunde. In Deutschland verursachte die Stromerzeugung in 2020 noch 301 Gramm CO2 je Kilowattstunde, verglichen mit 460 Gramm in 2015 ebenfalls ein deutlicher Rückgang um gut ein Drittel.
„Die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie darf den Klimaschutz nicht ausbremsen. Wir brauchen daher eine starke Klimapolitik – wie zum Beispiel den Green Deal -, um einen stetigen Fortschritt zu gewährleisten.“ – Dr. Patrick Graichen, Direktor Agora Energiewende
Der Zuwachs von Strom aus Wind- und Solarenergie liegt mit 51 Terawattstunden im Jahr 2020 über dem durchschnittlichen Wachstum der vergangenen zehn Jahre mit im Mittel 38 Terawattstunden. „Um die für die Klimaneutralität erforderlichen 100 Terawattstunden jährlichen Zubaus zu erreichen, ist jedoch eine Verdoppelung des Niveaus von 2020 notwendig“, erklärt Agora-Direktor Graichen. Die aktuellen Nationalen Energie- und Klimapläne (NECP) der EU-Mitgliedsstaaten würden diesen Wert bis 2030 nur auf 75 Terawattstunden pro Jahr erhöhen.
Die Studie „The European Power Sector in 2020“, hier als PDF im Volltext (englisch), enthält aktuelle Daten zur EU-27 sowie zu 19 einzelnen Ländern.
Quelle: Agora Eneriewende – Pressemitteilung vom 25.01.2021
„Doch das ist erst der Anfang, denn Europa setzt auf Wind- und Solarenergie, um nicht nur den Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 sicherzustellen, sondern auch um die Verstromung von Gas auslaufen zu lassen, stillgelegte Kernkraftwerke zu ersetzen und den steigenden Strombedarf von Elektroautos, Wärmepumpen und Elektrolyseuren zu decken.“ – Dave Jones, leitender Stromanalyst bei Ember und Hauptautor des Berichts“
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Ist ja alles schön und gut, wenn man erneuerbare Energien und am besten auch unabhängige (autarke) Stromversorgungen ausbaut. Aber dass so locker von Ausstieg aus Kohleverstromung UND Ausstieg von Gasverstromung die Rede ist, muss man wohl auch nicht verstehen. Ich dachte gerade, dass zukünftig gerade Gaskraftwerke (natürlich für beides: zur Wärme- UND Stromerzeugung) genutzt werden sollen, weil diese auch flexibler je nach Energiebedarf „hoch- und runtergefahren“ werden können. Wo sollte eine breitere Grundversorgung mit Strom und Wärme herkommen, wenn man beides (Kohle und Gas) auslaufen lassen wöllte.
In einigen Regionen scheint man ja u.a. noch gut auf Kernkraft zu setzen. Alles nett, solange keine „Unfälle“ passieren.
Unabhängig davon habe ich theoretische Fragen zu Kohlekraftwerken, die evtl. abgeschaltet sollen: Soll es erstens in der Zukunft „Notreserven“ dieser Kraftwerke weiterhin geben? Um zum Beispiel in sehr kalten Wintern oder bei bestimmten Energiemängeln eine Strom- und Wärmeversorgung zu gewährleisten?
Und außerdem: Gibt es die Möglichkeit, derartige Kohlekraftwerke auch flexibel mit anderen Brennstoffen zu betreiben, z.B. mit Müll (quasi dann Müllverbrennungskraftwerk) oder z.B. mit Abfallstoffen aus Biomasse etc.? Oder muss für jede Art der Energieerzeugung durch „Verbrennung bestimmter Stoffe“ eine separate Kraftwerksart gebaut werden?
Ohne die Lobbyisten um den Ökostrombremser Altmeier und die Stammtisch-Lauscher der CSU, die nahezu ganz Bayern zum windkraftanlagenfreien Gebiet gemacht haben, könnten wir bei über 40% sein.
Will man 38% wirklich feiern? – ich denke 2020 ist eher ein „Trauerjahr der verhinderten Möglichkeiten„.
In dem Artikel wurde einiges durcheinander gebracht. Ein Beschluß zum Kohleausstieg auf EU-Ebene gibt es nicht. Deutschland will bis 2038 oder früher aus der Kohleverstromung aussteigen. Bei den Energieträgern gibt es große Unterschiede. Polen hat einen großen Kohleanteil, Skandinavien viel Wasserkraft, Südeuropa viel Sonnenenergie und am Meer gibt es viel Windkraft. Insgesamt verfügt Europa über ein großes Potential an EE. Das Problem ist die Transformation von gewachsenen Strukturen zu anderen Technologien und vor allem Gewohnheiten. Die guten Zahlen in 2020 kommen auch von überdurchschnittlichen Windaufkommen und Sonnenstunden. In Deutschland war der Januar 2021 deutlich schlechter als vor einem Jahr. In Verbindung mit dem geringen Zubau von Windkraft in den letzten Jahren wird 2021 erstmals weniger Strom aus EE bereitstellen als im Jahr zuvor. Von daher meine Bitte: lesen Sie sich die Wahlprogramme der verschiedenen Parteuien, bei den anstehenden Landtags- und Bundestagswahl gut durch. Die Energiewende ist kein Selbstläufer, sie bedarf der Unterstützung der Menschen.