Gewerbekunden bleiben aus: Eigenzulassungen stützen den E-Automarkt

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Tobias Stahl
Tobias Stahl
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Der deutsche Pkw-Markt ist im ersten Halbjahr um 4,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum geschrumpft. Somit wurden in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres insgesamt rund 70.000 Pkw weniger zugelassen als im ersten Halbjahr 2024. Der Gesamtmarkt bewegt sich somit auf 1,4 Millionen Pkw kumuliert, rechnet der Datendienstleister Dataforce auf Basis der Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts vor.

Die größten Verluste kamen dabei bis dato aus dem Flottenmarkt, also den gewerblichen Zulassungen. Diese können mit der hohen Zahl gewerblicher Zulassungen im vergangenen Jahr nicht mithalten: Im Flottenmarkt wurden rund 60.000 Pkw weniger zugelassen, was einem Rückgang von 12,2 Prozent entspricht und damit dem stärksten Rückgang aller Segmente. Der Privatmarkt hielt sich dagegen vergleichsweise stabil, verzeichnete aber dennoch ein Minus von 1,0 Prozent oder rund 5.000 Einheiten.

Die Rückgänge im ersten Halbjahr wurden durch den Monat Juni verstärkt, der auf dem Papier besonders negativ auffällt: Im Juni 2025 gingen die Neuzulassungen um 13,8 Prozent zurück, was laut Dataforce auf einen Sondereffekt im Vorjahr zurückzuführen sei. Damals kam es kurz vor dem Inkrafttreten der EU-Cybersicherheitsverordnung zu einem massiven Anstieg taktischer Zulassungen, da viele nicht-konforme Modelle wie der Fiat 500 oder der VW Transporter vor Inkrafttreten noch schnell auf den Markt gebracht wurden. Trotz des Rückgangs verzeichnete der Markt mit 256.193 Neuzulassungen weiterhin ein hohes Volumen.

Hersteller stützen mit taktischen Eigenzulassungen den Elektro-Markt

Autovermieter und der Fahrzeughandel ließen weniger Neufahrzeuge zu und verzeichnen ein Minus von 7,5 und 8,6 Prozent. Die Aufschlüsselung nach Marktsegmenten macht jedoch deutlich, dass die Autohersteller sich auch im laufenden Jahr taktische Zulassungen zunutze machen: Die sinkenden Zulassungszahlen werden Dataforce zufolge zumindest teilweise durch die Hersteller ausgeglichen. So schnellte der Marktanteil des Fahrzeughandels im Juni 2024 sprunghaft von 15 auf 20 Prozent zum Vormonat in die Höhe. Die Zahl der Eigenzulassungen des Fahrzeugbaus, der Hersteller und Importeure stieg um 29,4 Prozent. Insgesamt ließen die genannten Akteure somit rund 29.000 Pkw mehr zu als im Vorjahreszeitraum. Dadurch werden die Absatzprobleme angesichts der unsicheren Konjunktur deutlich: „Ein hohes Maß an Eigenzulassungen ist ein Indiz für die schwache Marktlage“, erklärt Dataforce in seiner Mitteilung.

Dadurch sei es auch nicht verwunderlich, dass in diesem Juni vor allem Benziner und Diesel stark an Volumen verloren. Benziner büßten 32 Prozent ein, während dieselbetriebene Pkw 34 Prozent verloren. Zu diesen Kategorien gehören aber auch die im Rahmen der EU-Cybersicherheitsverordnung abgeschafften Modelle. Auch neue Modelle seien jedoch von der hohen Quote an Eigenzulassungen betroffen: So zeigen die hohen Anteile an Elektroautos im Segment Fahrzeugbau laut Dataforce Auffälligkeiten. 27 Prozent E-Anteil im Juni seien weit über Marktniveau und ein Zeichen dafür, dass Hersteller selbst ihre E-Autos zulassen, wenn der Markt sie noch nicht genug abnimmt.

Die fehlende Nachfrage dürfte einerseits auf die unklare gesamtwirtschaftliche Entwicklung, andererseits auf die nach wie vor vergleichsweise hohen Kaufpreise von Elektroautos zurückzuführen sein. Fahrzeuge, die über Eigenzulassungen in den Markt gelangen, werden beim Weiterverkauf in der Regel mit beachtlichen Rabatten angeboten.

„Ein durch Sondereffekte beeinflusstes starkes Minus im Juni lässt das erste Halbjahr noch schlechter aussehen“, erklärt Julian Litzinger, Automotive Analyst bei Dataforce. „Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Nachfrage momentan schlecht ist. Um den Markt zu stabilisieren, drücken Hersteller besonders E-Fahrzeuge in den Markt und das als Eigenzulassungen. Ohne diese wären die Zahlen noch einmal schlechter.“

„Es ist ganz wichtig, dass die Politik die Rahmenbedingungen stabil hält“

Automobil-Analyst Frank Schwope von der Fachhochschule des Mittelstands erklärt im Gespräch mit der Berliner Zeitung, dass Eigenzulassungen zwar kein neues Instrument der Hersteller seien. „Allerdings ist das Niveau gegenwärtig sehr hoch, was insbesondere mit den hohen Preisen für Elektroautos zusammenhängt, die den Kunden oft zu teuer sind“, so Schwope. „Mit Eigenzulassungen lassen sich Zulassungsstatistiken schönen und Neuwagen als Gebrauchte billiger in den Markt geben.“ Die Hersteller könnten sich solche Tricks jedoch auch leisten, da sie in den letzten Jahren „satt verdient“ hätten.

„Es ist ganz wichtig, dass die Politik die Rahmenbedingungen stabil hält und kein Hü-und-Hott wie in der Vergangenheit macht“, warnt der Auto-Experte. Andernfalls würden sowohl die Autoindustrie als auch die Autokäufer massiv verunsichert und die Menschen vom Kauf eines Autos abgehalten werden. „Wenn die Politik nicht wieder massiv in den sich entwickelnden Elektroautomarkt eingreift, wird sich dieser von alleine positiv entwickeln“.

Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research (CAR) in Bochum ordnet die Zahlen laut Berliner Zeitung allerdings anders ein. Dudenhöffer ist der Ansicht, dass die Eigenzulassungs-Taktik der Autobauer in der Dataforce-Analyse „ein bisschen überbetont“ werde. Es seien viele neue Elektro-Modelle neu auf den Markt gekommen und jeder Händler brauche Vorführexemplare. „Der Händler nutzt das Auto ein paar Tage als Vorführwagen, mit dem die Kunden fahren können, und kann es im Anschluss preisgünstiger verkaufen“, so Dudenhöffer. Der wichtigste Grund für die steigenden E-Auto-Zulassungen seien vielmehr „die fallenden Preise“, da der Preisunterschied zwischen Stromern und Verbrennern inzwischen bei unter 4000 Euro liege. Im letzten Jahr habe die Differenz noch 6000 Euro betragen.

Quellen: Dataforce – Pressemitteilung vom 14.07.2025 / Berliner Zeitung – Inszenierter Elektroauto-Boom? So tricksen VW, BMW und Co.

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