Die Ladeinfrastruktur in Europa ist technisch interoperabel – kommerziell aber nach wie vor zersplittert. Protokolle wie OCPI oder OICP funktionieren, Roaming-Hubs stellen die Verbindung zwischen Ladepunktbetreibern (CPO) und Mobilitätsdiensten (EMP) her. Doch auf der kommerziellen Ebene dominiert noch immer das Reseller-Modell. Und genau das, so die Kritik aus der Branche, sorgt für intransparente Preise, falsche Anreize und hohe Risiken – für Betreiber wie für Fahrer.
Die Probleme liegen auf der Hand: Endkunden zahlen häufig deutlich mehr, wenn sie nicht direkt beim CPO laden, sondern über Drittanbieter. Roaming-Aufschläge von 25 Prozent sind in Deutschland keine Seltenheit, in Extremfällen variieren die Preise sogar um bis zu 70 Prozent – für denselben Ladepunkt. Das untergräbt Vertrauen und führt dazu, dass über 60 Prozent der Fahrer mehrere Apps vergleichen, bevor sie laden. Fast die Hälfte hat schon einmal eine Ladesession abgebrochen, weil die Konditionen unklar oder zu teuer waren.
Für CPO ist das Modell ebenso problematisch. Sie werden häufig gezwungen, hohe Rabatte einzuräumen, um überhaupt in Roaming-Netzwerken gelistet zu sein. Damit schrumpfen die Margen, während gleichzeitig die Auslastung hinter den Erwartungen zurückbleibt. Hinzu kommt: Viele Betreiber erhalten ihr Geld erst Wochen oder Monate später, abhängig vom Zahlungsfluss der Zwischenhändler – ein Risiko, das vor allem kleinere Unternehmen existenziell belastet. Fälle von Betrug über Scheinfirmen oder kopierte RFID-Karten verschärfen das Problem.
Auch Hersteller und Flottenbetreiber bekommen die Schwächen des Systems zu spüren: Hohe und uneinheitliche Preise treiben die Betriebskosten nach oben, machen Total-Cost-of-Ownership-Berechnungen unsicher und bremsen die Verbreitung von E-Autos gerade in preissensitiven Kundensegmenten.
Hinzu kommt: Regulierung macht das Reseller-Modell zunehmend angreifbar. Die europäische AFIR schreibt eine transparente und diskriminierungsfreie Preisgestaltung vor. Gleichzeitig setzt die PSD2 (Payment Services Directive 2; Zweite Zahlungsdiensterichtlinie) klare Grenzen, wer überhaupt Geld im Auftrag Dritter einsammeln darf. Geschäftsmodelle, die auf Weiterverkauf und verzögerten Zahlungsflüssen basieren, geraten damit schnell in Konflikt mit geltendem Recht.
Cariqa setzt auf Plattform statt Reseller
An dieser Stelle setzt Cariqa mit einem Plattformmodell an, das eine zusätzliche Schicht zur technischen Interoperabilität schafft: die kommerzielle Interoperabilität. CPO sollen damit die volle Preishoheit behalten, unabhängig davon, ob ein Ladevorgang über die eigene App, das In-Car-System eines Herstellers oder einen Drittanbieter gestartet wird. Jeder Kontaktpunkt zum Kunden spiegle die Tariflogik des Betreibers wider.
Im Gegensatz zum Reseller-Modell erfolgt die Abrechnung in Echtzeit und direkt zwischen Fahrer und CPO. Damit entfallen Liquiditätslücken und Ausfallrisiken, die Prozesse werden automatisiert und Betrug lässt sich frühzeitig verhindern.
Cariqa hat das Modell zunächst in einer eigenen App getestet – heute als Cariqa Drive bekannt. Dort steuern CPO ihre Preise über ein zentrales Command Center, die Fahrer sehen diese unmittelbar, zahlen direkt und erhalten eine transparente Abrechnung. Nach eigenen Angaben liefen die Tests mit null Betrugsfällen und vollständiger Preisauflösung.
Mit Cariqa Go wurde das Plattformmodell inzwischen auch ins Ad-hoc-Laden übertragen: Kunden scannen einen QR-Code am Ladepunkt und zahlen AFIR-konform, zum gleichen Tarif wie in digitalen Kanälen ohne versteckte Aufschläge. Kartenterminals sollen folgen.
Ab 2026 soll die Cariqa Connect API den nächsten Schritt ermöglichen: Autohersteller, Flotten oder Mobilitätsdienste sollen Ladefunktionen dann nahtlos in eigene Anwendungen integrieren können – ohne White-Label-Umwege oder Gatekeeper. Vergleichbar mit Stripe im Zahlungsverkehr oder Twilio in der Telekommunikation, soll die API Ladeprozesse standardisieren und vereinfachen.
Neutralität als Vertrauensbasis
Wichtig sei, so Cariqa, die Rolle als neutraler Orchestrator. Das Unternehmen ist weder Energieversorger noch Autohersteller, kein EMP und auch kein CPMS-Anbieter. Damit verfolge man keine Eigeninteressen im Vertrieb, sondern fokussiere sich ausschließlich darauf, technische und kommerzielle Interoperabilität zusammenzuführen.
Das Reseller-Modell erzeuge künstlich hohe Preise, verzerre Anreize und berge erhebliche Risiken, so Cariqa, das mit seinem Plattformansatz dagegen auf Transparenz, Echtzeitabrechnung und Preishoheit für die Betreiber setzt. Ziel ist ein „positiver Kreislauf“: höhere Auslastung, schnellere Amortisation für CPO, stabilere Kalkulationsgrundlagen für Autohersteller und Flotten – und vor allem mehr Vertrauen bei den Kunden.
Quelle: Cariqa – Das Ende des Reseller-Zeitalters: Ein Plattformmodell für das Laden von E-Autos