BYD bringt den Tang nach Europa und verpasst dem großen Elektro-Crossover ein neues Fahrwerk. Die Optimierung ist spürbar, doch eine große Schwäche bleibt.
Schleppende Elektroautoverkäufe hin, drohende Schutzzölle her. BYD setzt seinen Tigersprung nach Europa unbeirrt fort. Vor allem in Deutschland will der Autobauer aus dem Reich der Mitte langfristig Fuß fassen. Schließlich lässt sich hier gutes Geld verdienen.
Allerdings ist das Heimatland von VW, BMW, Mercedes und Porsche auch der anspruchsvollste Markt. Das fängt bei der Fahrdynamik an und hört bei der Verarbeitungsqualität sowie der Sicherheit auf. Da haben die Autobauer aus dem Reich der Mitte große Fortschritte gemacht. Das Landwind-Desaster, als der CV 9 im Euro NCAP-Test lediglich zwei Sterne erhielt, erscheint heute wie eine Episode aus der automobilen Steinzeit, auch wenn dieses Ereignis erst 14 Jahre her ist.
Beim Tang braucht man keine Sorge haben, dass der Crossover bei Fremdkontakt zusammenfällt wie ein Pappkarton, denn er hat beim NCAP-Test fünf Sterne eingefahren. Das wird vor allem Eltern freuen, die mit ihrem Nachwuchs unterwegs sind. Denn der Tang soll vor allem Familien zu den BYD-Händlern locken. Bis zu sieben Personen finden in dem knapp fünf Meter langen SUV Platz. Ganz hinten geht es natürlich ziemlich eng zu, die letzte Reihe eignet sich nur für den Nachwuchs.
Im Fond schaut die Sache schon anders aus. Die Rückbank lässt sich in der Längsrichtung verschieben und die Rücklehnen in verschiedenen Winkeln einstellen. So lässt sich auch eine lange Reise entspannt überstehen. Allerdings wirkt sich das Sitzplatz-Tetris auf das Kofferraumvolumen aus. In der Grundkonfiguration mit drei Sitzreihen sind es 235 Liter, also sollte man als Großfamilie nicht zu viel Gepäck mitnehmen. Legt man die Lehnen der dritten Reihe um, wächst das Volumen auf 940 Liter. Kippt man die Sitzlehnen der zweiten Reihe nach vorne, werden 1655 Liter daraus.
Neben der Batterietechnik und der Reichweite spielt im Reich der Mitte auch das Infotainment eine wichtige Rolle. Deswegen legt der schwenkbare Touchscreen von 12,8 auf standesgemäße 15,6 Zoll zu. Die zwölf Lautsprecher des Dynaudio Audio-Systems sorgen für voluminösen Klang und das große Glasdach für angenehmes Licht. Praktisch: Das Öffnen und Schließen des Daches, die Einstellungen der Klimaanlage und das Entriegeln der Türen steuert man per Smartphone-App.
Wenn es in großer Runde zum Grillen oder Zelten geht, mutiert der Tang mit Vehicle-to-Load (V2L) zur mobilen Powerbank mit einer Leistung von 4 Kilowatt. Egal, ob Elektrogrill oder andere Geräte, einfach einstecken und dem Vergnügen steht nichts mehr im Weg. Den Strom liefert die LFP-Blade-Batterie mit einer Kapazität mit 108,8 Kilowattstunden (bisher 86 kWh). Das resultiert in einer Reichweite von 530 Kilometer (gemäß dem WLTP-Zyklus) und damit um 130 Kilometer mehr als beim Vorgänger.
Mit den größeren Akkus geht auch eine Verbesserung der Ladeleistung einher. An einem DC-Schnelllader sind bis zu 170 kW möglich. Damit sind die Speicher innerhalb einer halben Stunde von 30 auf 80 Prozent gefüllt. Auch beim Wechselstrom-Tanken legt der Tang zu und saugt jetzt mit dreiphasigen 11 kW statt bisher 7,3 kW Energie. Eine serienmäßige Wärmepumpe steigert die Effizienz.
In zweieinhalb Tonnen und fünf Sekunden auf 100
Der Allradantrieb des BYD Tang besteht aus zwei Elektromotoren (vorne 180 kW / 245 PS, hinten 200 kW / 272 PS) mit einer Gesamtleistung von 380 kW / 517 PS. Damit beschleunigt der Tang in 4,9 Sekunden aus dem Stand auf Landstraßentempo und ist bis zu 190 km/h schnell, also zehn km/h als bisher. Wird die Traktion des Allradantriebs nicht benötigt, meldet sich die Hinterachse ab und überlässt der Vorderachse das Kommando. Trotz des stattlichen Gewichts des Tang von 2630 Kilogramm reicht die Power aus, um mit dem 4,97 Meter langen Siebensitzer entspannt und flott unterwegs zu sein. Das liegt auch an dem verbesserten hydraulischen DiSus-Fahrwerk, das deutlich verbindlicher agiert, als das bei der chinesischen Variante des Tang der Fall ist.
Dass der Tang eher komfortabel abgestimmt ist, passt zur Auslegung des E-Crossovers. Allerdings sollten die chinesischen Ingenieure sich die Bremse noch einmal vornehmen, ehe der Tang im dritten Quartal nach Deutschland kommt. Der Pedalweg ist lang, das Gefühl weich und der Druckpunkt, an dem die Bremsbacken zupacken, kaum zu definieren, was eine exakte Dosierung extrem erschwert. Bei der Lenkung bevorzugen wir die Standard-Einstellung, wogegen die sportliche straffer eingestellt ist. Bei der Rekuperation fehlt ein Segel-Modus und auch hier setzen wir auf Standard.
Eine Verbrauchsangabe hat uns BYD bisher vorenthalten. Nach unserer Testfahrt meldete das System 24,2 kWh auf 100 km. Bleibt noch der Preis. Da will sich BYD noch nicht äußern. Angesicht der größeren Batterie gehen wir von rund 70.000 Euro aus.