Seit dem 1. Juli dieses Jahres hat Frank-Steffen Walliser bei Bentley das Ruder in der Hand. Im Interview erklärt der neue Chef der britischen Luxusmarke und Tochter von Volkswagen, warum er keine speziellen Autos für China baut, wie sich Bentley in Zukunft definiert und welche Technik das elektrische Modell nutzen wird, das 2026 erscheinen wird.
Die Bentley-Geschäftszahlen des ersten Halbjahres schauen ja nicht so rosig aus. Der Umsatz ist gegenüber dem Vorjahr um 17 Prozent zurückgegangen, das operative Ergebnis sogar um 33 Prozent. Was tun Sie, um diesen Trend zu stoppen?
Frank-Steffen Walliser: Ich kenne die Prognosen aus dem letzten Jahr und finde das Halbjahresergebnis gar nicht so schlecht. Allerdings bläst uns in den Märkten schon Gegenwind entgegen. Man könnte jetzt mit Incentivierungen beim Absatz gegensteuern. Aber das wäre ein kurzsichtiges Agieren und davon halte ich aber gar nichts.
China ist nach den USA der zweitstärkste Markt für Bentley. Wie geht es dort weiter?
China ist ein wichtiger Markt und wird es hoffentlich auch bleiben. Aber wir werden uns nicht nur auf China fokussieren oder gar Autos bauen, die ausschließlich auf chinesische Ansprüche zugeschnitten sind. Ein Bentley bleibt ein Weltauto aus Crewe. Wir laufen keinen kurzfristigen Trends hinterher. Ich setze in China auch nicht auf eine Wachstumsstrategie, sondern auf eine Konsolidierung, um die Abhängigkeit zu reduzieren. Deshalb bin ich schon zufrieden, wenn wir das Absatzvolumen dort halten können.
Sie halten ja an dem Plan fest, 2026 ein Elektroauto auf den Markt zu bringen, das ursprünglich auf der SSP-Plattform basieren sollte. Diese Architektur kommt deutlich später. Welche Technik bekommt das Fahrzeug?
Richtig. Die SSP-Architektur ist eine breit skalierbare Plattform, die bis in die oberen Segmente reicht. Die ist noch nicht fertig, da sie erst vor zweieinhalb Jahren aufgesetzt wurde. Also nutzen wir eine bestehende Plattform, aber das wird nicht die des Porsche Taycan sein.
Also die PPE-Plattform?
Ja, genau!
Was macht einen elektrischen Bentley aus?
Grundsätzlich müssen wir am Ende des Tages Autos bauen, die unseren Kunden gefallen. Fahrzeuge, die Spaß machen. Das steht für mich ganz oben auf der Prioritätenliste. Allerdings dauert der Weg zur Elektromobilität etwas länger, als wir uns das vor vier Jahren vorgestellt haben. Das ändert aber nichts am Ziel. Einen Trend kann man aber schon erkennen: Je hochwertiger das Produkt ist, desto länger dauert der Übergang zur Vollelektrifizierung.
Welche Kunden sollen dann dieses Auto kaufen?
Eine andere Klientel als bisher. Deshalb ist es auch ein weiteres Modell und kein Ersatz für ein bestehendes Auto. Ganz wichtig wird auch sein, wie das Auto klingt. Darf der Sound künstlich sein, soll er abstrakt sein oder kann er sogar ein Imitat von etwas sein. Ich glaube, dass der Klang ein Erlebnis sein muss. Da muss man als Hersteller seinen eigenen Weg finden.
Wo führt denn der Weg von Bentley hin?
Bentley wird immer aus Crewe kommen. Es wird kein externes Werk geben. Aber die Kapazität der Fabrik ist begrenzt. Deswegen setzen wir weiter auf Handwerkskunst und zunehmend auf Exklusivität. Da wird Mulliner natürlich immer wichtiger. Selbst wenn wir den Absatz verdoppeln, hat das meiner Ansicht nach keine Auswirkungen auf die Exklusivität.
“Ein Bentley ist und bleibt ein Fahrerauto”
Wie will sich Bentley bei der Elektromobilität von der Konkurrenz abheben, wenn die Autos sich technisch immer mehr gleichen?
Die Sozialisierung der Fahrleistung durch die Elektromobilität ist in der Tat ein Thema. Das war früher hohe Ingenieurskunst. Umso wichtiger ist es, zu definieren, wie ein Auto fährt und ein Bentley ist und bleibt ein Fahrerauto. Das halte ich für extrem wichtig. Da höre ich auch nicht auf, nachzufragen.
Um was geht es Ihnen da genau
Um ein Auto, das einfach zu fahren ist, mit dem man lange Strecken zurücklegen kann und dennoch schnell ist, wenn man es will. Also das, was man gerne als effortless, als mühelos bezeichnet. Ganz wichtig ist aber, dass eine weiche Fahrwerksabstimmung nicht immer mit Komfort gleichzusetzen ist. Komfort ist auch, wenn ein Auto bei der Lenkung immer eine präzise Rückmeldung gibt und man nicht dauernd nachjustieren muss. Alles was präzise geht und nicht anstrengend ist, macht das Autofahren entspannter und damit komfortabler.
Also wird Bentley porschiger?
So weit würde ich jetzt nicht gehen, dafür sind die beiden Marken zu weit auseinander. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass Bentley ausgeprägter und markanter wird. Bentley und Sportlichkeit schließen sich ja nicht aus. Im Gegenteil: Das ist eine gute Kombination.
Was kann denn Bentley sonst noch besonders gut?
Bentley beherrscht den Automobilbau richtig gut. Eine große Stärke ist das Interieur. Das machen wir besser als alle anderen. Das hat mich schon überrascht, wenn man sieht, wie 700 Menschen an Nähmaschinen sitzen oder Hölzer abschleifen. Echtes Handwerk, das exzellent ausgeführt wird.
Und wo gibt es noch Raum für Verbesserungen?
Beim Produktmanagement, beim Handhaben des Lebenszyklus eines Autos. Wie tariert man das aus, wann bringt man welche Modellpflegemaßnahmen ins Auto. Da entwickeln wir gerade mit einem kleinen Team eine Strategie.
Wie kommt da Ihre technische Expertise zum Tragen?
Die hilft, genauso wie die Vernetzung innerhalb des VW-Konzerns. Zu wissen, was geplant ist und wie man das am besten umsetzt. Aber das alleine hätte nicht gereicht, um diese Position bei Bentley zu übernehmen. Man muss das Marktsegment, in dem Bentley angesiedelt ist und die Kunden verstehen. Ich war in der Vergangenheit bei Porsche schon im oberen Marktsegment unterwegs. Zwar in der sportlichen Variante, aber einige Kunden treffe ich wieder. Die Garagen sind groß und da stehen offenbar mehrere Autos drin.
Das Interview führte Wolfgang Gomoll