Batterieexperte: Müssen uns von „lieb gewonnenen Stereotypen“ verabschieden

Batterieexperte: Müssen uns von „lieb gewonnenen Stereotypen“ verabschieden
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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
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Professor Dirk Uwe Sauer ist unseren treuen Lesern sicher ein Begriff. Er leitet an der RWTH Aachen den Lehrstuhl für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik am Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe und ist in diversen Funktionen an mehreren zukunftsgerichteten Energie- und Umweltprojekten beteiligt. Mit Battery News sprach Sauer unter anderem über die Bedeutung der Lithium-Ionen-Batterie sowie aktuelle technologische und wirtschaftliche Herausforderungen.

Die Herausforderungen liegen vor allem in weiteren Kostensenkungen, die weitere Verbesserung der Sicherheit ausgehend von einem bereits hohen Niveau, und der Ersatz der selteneren und entsprechend teuren Materialien“, so Sauer zu Beginn des Interviews. „Von zentraler Bedeutung“ sei auch, dass sich Deutschland und Europa „von der Abhängigkeit asiatischer Anbieter lösen können“. Bislang stammt der Löwenanteil von Batteriezellen aus China, Japan und Südkorea.

Über Zukunftstechnologien für die Zeit nach Lithium-Ionen-Akkus, wie etwa Magnesium-Ionen-, Metall-Luft- und Metall-Schwefel-Batterien, äußert sich Sauer zurückhaltend. Es seien zwar „wissenschaftlich interessante Technologien“, die allerdings in der Pkw-Mobilität „wahrscheinlich in den kommenden 15 Jahren keine wesentliche Rolle spielen“ werden. Lithium-Luft-Batterien seien „Objekt der Grundlagenforschung – interessant, aber weit weg von einem auch kommerziell erfolgreichen Produkt.“ Lithium-Schwefel-Batterien seien noch „am nächsten am Produkt und können aufgrund der besseren gravimetrischen Energiedichte im Bereich Flugobjekte schnell interessant werden“, findet der Experte.

Auch über die Festkörperbatterie, die als der Nachfolger der heute gängigen Lithium-Ionen-Batterien gilt, spricht Sauer nicht mit jenem Enthusiasmus, den man von vielen anderen Managern und Experten zu diesem Thema gewohnt ist. Die Festkörperbatterie sei lediglich „eine evolutionäre Weiterentwicklung“ der aktuellen Technologie. Sauer erwartet, „dass die Nutzer es kaum merken werden, wenn der Elektrolyt nicht mehr flüssig, sondern fest ist.“ Er sehe den Schritt „nicht als ‚game changer‘ in der Industrielandschaft und auch keine wesentlichen Performanceparameter, die die Anwendung von Batterien revolutionieren werden.“

„Recycling wird wichtige Materialquelle vor allem für Länder wie Deutschland“

Als wirksamstes Mittel gegen künftige Versorgungsengpässe bei wichtigen Batterie-Rohstoffen wie etwa Lithium sieht Sauer das Recycling: „Recycling von Batterien wird eine wichtige sekundäre Materialquelle vor allem für rohstoffarme Länder wie Deutschland werden“, sagte er in dem Interview. Tatsächlich allerdings sei es so, dass „aus aktueller Sicht keine Knappheiten an Materialien bestehen bzw. von den beteiligten Branchen erwartet werden“. Das zeige sich zum Beispiel in den Preisen für Kobalt und Lithium, die „in den letzten 18 Monaten wieder massiv gefallen“ sind, „obwohl in diesem Zeitraum die Ankündigungen und ernsthaften Investitionen gerade der Automobilindustrie massiv angestiegen sind.“ Die vorherigen, vorübergehenden Preisanstiege „waren eher auf Knappheiten bei der Verarbeitung zurückzuführen, nicht auf grundsätzliche Knappheiten an Rohstoffen.“

Über den Standort Deutschland für die Batterieproduktion sagt Sauer, dass „Bundesregierung und Bundesländer in den letzten zehn Jahren eine leistungsfähige Forschungslandschaft etabliert haben, die liefern wird, wo es notwendig ist.“ Der „eigentliche Rückstand liegt in der Erfahrung der Zellproduktion“, so der Experte. Den könne „man aber nur überwinden, wenn man ‚macht‘“, damit durch Skaleneffekte die Kosten sinken und der eine hiesige Zellproduktion finanziell sinnvoll wird. Dabei müsse „die ganze Wertschöpfungs- und Produktionskette adressiert werden“, mitsamt „energieoptimierter Produktion“, womit die Verwendung von Ökostrom in der Batterieherstellung gemeint ist, damit Elektroautos ohne schweren CO2 Rucksack auf die Straßen kommen.

Besonders wichtig sei es auch, sich von „lieb gewonnenen Stereotypen wie ‚in Deutschland sind Arbeitskraft und Energie zu teuer oder Umweltschutzstandards sind zu hoch’“ zu verabschieden, „wenn Unternehmen wie CATL in Deutschland große Zellfertigungen mit bis zu 100 GWh Kapazität pro Jahr aufbauen wollen. Die werden schon gerechnet haben, ob sich das lohnt.“

Quelle: Battery News — „Die Lithium-Ionen-Batterien ist eine wissenschaftliche und kommerzielle Erfolgsgeschichte“

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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