Alpitronic hat mit seinem neuen Megawatt-Lader HYC1000 eine zentrale Rolle bei der Rekordfahrt von Mercedes-AMG in Süditalien gespielt. Das Projekt, das in enger Zusammenarbeit mit dem Hersteller entstand, zeigte Ladeleistungen von über 850 kW – ein Wert, der bisher in Europa für Pkw nicht erreicht wurde. „Es war ein wesentlicher Beitrag, den wir hier leisten durften, zusammen mit Mercedes und AMG, um diese Rekordfahrt zu ermöglichen“, erklärt Philipp Senoner, CEO und Mitgründer von Alpitronic dem Herausgeber von Elektroauto-News (EAN) Sebastian Henßler vor Ort.
Die Kooperation mit Mercedes-AMG hat für Alpitronic eine lange Vorgeschichte. Schon 2014/15 arbeitete das damals noch als Ingenieursdienstleister auftretende Unternehmen für Mercedes an Prototypen der Antriebselektronik. Daraus habe sich eine enge Zusammenarbeit entwickelt, die nun in die Rekordfahrt mündete.
Anders als bei herkömmlichen Schnellladesäulen musste hier ein komplett neues System für Kabel und Kühlung konzipiert werden, das dauerhaft Leistungen von über 850 kW standhalten kann. Dabei ging es nicht nur um die reine Übertragung der Energie, sondern auch um das sichere Handling durch den Nutzer und die Stabilität unter Extrembedingungen.
Alpitronic spricht von Härtetest unter Extrembedingungen
„Das Produkt ist kein Standardprodukt, insbesondere wenn es um den Dispenser geht, um die Ladekabel und die Kühlung dafür“, erklärt Senoner. Über eineinhalb Jahre sei gemeinsam mit Mercedes-AMG getestet worden, ob Elektroauto und Ladeinfrastruktur wirklich so harmonieren, dass eine Rekordfahrt machbar wird. Entscheidend war dabei, dass die Technologie nicht nur im Labor, sondern auch auf der Rennstrecke zuverlässig funktioniert.
Die Belastung war enorm: Hunderte Ladevorgänge bei Temperaturen bis zu 40 Grad Celsius auf und abseits der Strecke. Jede Komponente – vom Siliziumkarbid-Modul über das Kabel bis hin zum Kühlkreislauf – musste so ausgelegt werden, dass sie dieser Beanspruchung dauerhaft standhält. „Es war spannend zu sehen, ob Fahrzeug und Ladeinfrastruktur unter realen Bedingungen so zusammenspielen, dass beide Seiten glücklich sind“, fasst Senoner zusammen. Für Alpitronic sei das Projekt daher nicht nur ein Rekord, sondern auch ein Beweis, dass neue Technologien zuverlässig und praxisnah umgesetzt werden können.
Im Zentrum steht für den Alpitronic-Chef die Erkenntnis, dass Ladeerfolge nur durch eine enge Abstimmung von Auto und Infrastruktur möglich sind. „Es bringt nichts, ein tolles Fahrzeug zu haben, das 850 kW im Durchschnitt lädt, wenn es von der Ladeseite nicht realisiert werden kann – und umgekehrt.“ Deshalb investiert das Unternehmen stark in die Abstimmung mit Autoherstellern. Rund 200 Entwickler arbeiten daran, künftige Produkte so auszulegen, dass sie den Anforderungen der nächsten und übernächsten Fahrzeuggenerationen entsprechen.

Gleichzeitig betont Senoner, dass extreme Ladeleistungen nicht die neue Norm werden. 400 kW seien bereits ein solides Niveau, das in naher Zukunft für die Mehrheit der E-Autos ausreiche. Nur bestimmte Premium-Modelle oder Sonderanwendungen würden darüber hinausgehen. „Ich gehe davon aus, dass 400 kW locker ausreichen. 850 kW sind Sonder-Use-Cases.“ Dabei spielen auch unterschiedliche Ladekurven eine Rolle: Manche Hersteller wie Porsche setzen auf stabile Ladeverläufe, andere wie Mercedes auf eine sehr hohe Spitzenleistung in den ersten Minuten, um schnell weiterfahren zu können.
Die Rekordfahrt bot nicht nur eine Bühne für neue Technologie, sondern auch eine Belastungsprobe für Zuverlässigkeit und Langlebigkeit. Die Rekordfahrt mit entsprechenden Ladevorgängen hat gezeigt, dass das System stabil läuft. „Laden muss immer funktionieren“ – dieser Satz sei mittlerweile die zentrale Strategie bei Alpitronic und fiel im Verlauf des Gesprächs mehr als einmal. Langlebigkeit bedeute zudem, die Komponenten so auszulegen, dass sie über zehn Jahre hinweg zuverlässig arbeiten können.
Marktentwicklung und Sättigungstendenzen im Bereich der Ladeinfrastruktur
Senoner ordnet im Verlauf des Gesprächs mit EAN die aktuelle Marktlage nüchtern ein. Während die vergangenen Jahre von starkem Wachstum geprägt waren, hat sich der Trend – auch wenn immer noch positiv – zuletzt abgeschwächt. Alpitronic konnte 2023 seine Produktion noch erheblich steigern, doch inzwischen sei in vielen Ländern eine solide Grundversorgung erreicht. „In manchen oder sogar vielen Märkten ist die Ladeinfrastruktur heute schon so gut ausgebaut, dass sie den bestehenden Fahrzeugbestand problemlos bedienen kann“, so der Alpitronic-CEO. Der nächste Schritt müsse daher von der Automobilindustrie kommen: mehr Elektroautos, die die vorhandene Infrastruktur nutzen und wirtschaftlich auslasten.
Für Ladeparkbetreiber sei diese Entwicklung entscheidend. Erst mit steigenden Fahrzeugzahlen lasse sich das Geschäftsmodell nachhaltig betreiben, denn nur so könnten positive Ergebnisse erzielt werden. Senoner sieht Deutschland dabei im internationalen Vergleich gut aufgestellt. Der Engpass liegt seiner Ansicht nach nicht mehr primär bei der Infrastruktur, sondern bei den Zulassungen neuer Stromer.

Ein weiterer Punkt betrifft die wachsende Zahl chinesischer Hersteller, die auf den europäischen Markt drängen. Alpitronic ist auch mit diesen Marken im Austausch, allerdings in deutlich geringerem Umfang als mit europäischen Herstellern. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Interoperabilität: Fahrzeuge sollen zuverlässig an europäischen Ladesäulen laden können, ohne dass es zu Protokollproblemen oder Ladeabbrüchen kommt. „Es ist wichtig, dass der Kunde ein positives Ladeerlebnis hat – unabhängig davon, aus welchem Land das Auto stammt“, betont er. Dazu werden Testsessions mit den Herstellern vereinbart, häufig auch unter Nutzung realer Infrastruktur in Laborumgebungen.
Für Alpitronic bedeutet dies, dass die technologische Weiterentwicklung nicht nur in Richtung höherer Ladeleistung, sondern auch in Richtung Zuverlässigkeit und Kompatibilität geht. Denn ein Ausfall oder eine Fehlfunktion falle schnell auf die Ladeinfrastruktur zurück – selbst wenn die Ursache im Auto liegt.
Nutzererlebnis und der Blick in die Glaskugel auf den Lademarkt 2030
Senoner macht deutlich, dass sich die Ansprüche der Kundschaft stark verändern. Während frühe Nutzer von E-Autos noch technikaffin waren und kleinere Hürden in Kauf nahmen, erwartet die breite Masse heute ein Erlebnis, das so reibungslos wie möglich funktioniert. „Der normale Autofahrer möchte nicht fünfmal probieren, bis die Karte funktioniert – das Laden muss sofort und ohne Umwege starten.“ Für Alpitronic heißt das, Ladeinfrastruktur künftig stärker mit digitalen Diensten zu verknüpfen. Dazu gehört eine intuitive Benutzerführung ebenso wie die Einbindung in Navigationssysteme oder Fahrzeugsoftware. Fahrer sollen jederzeit wissen, wie viel Reichweite sie benötigen und wo sie mit minimalem Aufwand nachladen können.

Hinter diesem Ansatz steckt die bereits erwähnte strategische Leitlinie „Laden muss immer funktionieren“. Sie durchzieht alle Abteilungen von Alpitronic und bestimmt, wie neue Produkte entwickelt werden. Von der Hardware über die Software bis hin zur Schnittstelle zum Betreiber setzt das Unternehmen auf absolute Zuverlässigkeit. Ein Ausfall oder eine komplizierte Bedienung sei für den Nutzer nicht akzeptabel und gefährde die Akzeptanz der Elektromobilität insgesamt. Deshalb rückt neben der reinen Ladeleistung die digitale Unterstützung des Fahrers immer stärker in den Vordergrund.
Mit Blick in die Glaskugel und damit auf den Lademarkt in 2030 bleibt Senoner vorsichtig, aber entschlossen. Alpitronic will seine Position als Marktführer in Europa verteidigen und strebt zugleich an, in den USA denselben Status zu erreichen. Die technologische Aufgabe sieht er darin, Ladeinfrastruktur vollständig in den Alltag der Menschen zu integrieren – so selbstverständlich wie heute das Tanken an einer klassischen Tankstelle. Für Senoner ist das eine Grundvoraussetzung, ohne die Elektromobilität im Massenmarkt nicht funktionieren wird. Dabei geht es nicht um Rekorde allein, sondern um einen verlässlichen Standard, der Elektromobilität für die breite Masse alltagstauglich macht.