15-Prozent-Zoll auf EU-Autoexporte: Handelsdeal zwischen EU und USA mit Licht und Schatten

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Michael Neißendorfer
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Nach wochenlangen, zähen Verhandlungen mit mehreren unvorhersehbaren Wendungen haben sich die Europäische Union und die USA auf ein neues Handelsabkommen geeinigt. Damit wurde eine weitere Eskalation zwar abgewendet – doch die Einigung hat ihren Preis: Ab dem 1. August gelten 15 Prozent Zoll auf den Großteil der EU-Exporte in die USA, darunter auch auf Autos, Halbleiter und Pharmaprodukte. Besonders die exportstarke deutsche Industrie warnt bereits vor den Folgen.

„Auch ein Zollsatz von 15 Prozent wird immense negative Auswirkungen auf die exportorientierte deutsche Industrie haben“, warnt Wolfgang Niedermark vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Der Handelskompromiss sende ein „fatales Signal“, da sich die EU zu schmerzhaften Zugeständnissen habe drängen lassen.

Präsentiert wurde die Einigung am 27. Juli von US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Turnberry, Schottland – Trumps schottischem Golfclub. „It’s the biggest of all the deals“, sagte Trump bei der Ankündigung. Von der Leyen sprach von „Stabilität“ und „Vorhersehbarkeit“, die der Deal bringen werde.

Doch selbst bei der Verkündung offenbarten sich unterschiedliche Lesarten: Trump betonte, die 15-Prozent-Zölle würden „automobiles and everything else“ betreffen – mit Ausnahme von Pharmazeutika und Metallen. Von der Leyen hingegen sagte auf einer anschließenden Pressekonferenz: Die 15 Prozent seien „all inclusive“, würden also auch Medikamente, Chips und Autos umfassen. Die Metallzölle sollen laut ihr „gesenkt und durch ein Quotensystem ersetzt“ werden. Aktuell liegt der US-Zoll auf Stahl und Aluminium bei 50 Prozent.

Automobilbranche besonders betroffen

Besonders hart trifft der Deal die europäische Automobilindustrie, die 2024 Autos im Wert von 45 Milliarden US-Dollar (38,5 Milliarden Euro) in die USA importiert hatte. Hätte es darauf bereits Zölle gegeben, wären fast 6 Milliarden Euro fällig geworden. Zwar sind die nun ausgehandelten 15 Prozent ein Entgegenkommen gegenüber den ursprünglichen US-Forderungen, doch weit entfernt von dem, was sich viele in Europa erhofft hatten: eine Null-für-Null-Zollregelung für Industrieprodukte.

Bundeskanzler Friedrich Merz begrüßte den Deal dennoch: Mit der Einigung sei es gelungen, einen Handelskonflikt abzuwenden, der die exportorientierte deutsche Wirtschaft hart getroffen hätte. Auf X schrieb er: „Wir haben unsere Kerninteressen wahren können. Von stabilen und planbaren Handelsbeziehungen mit Marktzugang für beide Seiten profitieren alle, diesseits wie jenseits des Atlantiks.“

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) kommentiert den Deal etwas differenzierter. Zwar sei die Einigung „erstmal gut“ und ihre Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeitsplätze in Deutschland müssten nun in der Bundesregierung erstmal ausgewertet werden, so der Vizekanzler. Klingbeil betonte aber auch: „Grundsätzlich bleibt meine Überzeugung: Zölle schaden der Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks. Wir brauchen niedrige Zölle und offene Märkte. Wir setzen weiter auf gute Handelsbeziehungen. Dafür werden wir neben den USA auch neue weltweite Partnerschaften aufbauen.“

Ein zentraler Bestandteil des Deals birgt weiteren Konfliktstoff: Die EU verpflichtet sich, 750 Milliarden Dollar an vorrangig fossilen US-Energieprodukten zu kaufen, also Gas und Öl sowie auch Kernbrennstoffe, und zusätzliche 600 Milliarden Dollar in den USA zu investieren – on top zu bereits bestehenden Verpflichtungen. Trump kündigte zudem „vast amounts“ an Rüstungsimporten aus den USA an.

Im Gegenzug sollen auf beiden Seiten Zölle für strategisch wichtige Produkte entfallen – darunter Flugzeuge und -teile, ausgewählte Chemikalien, bestimmte Agrargüter, einige generische Medikamente sowie Halbleiteranlagen und einige kritische Rohstoffe. „Wir werden weiter daran arbeiten, diese Liste zu erweitern“, so von der Leyen. Über Alkoholprodukte werde noch verhandelt.

Deutsche Industrie warnt vor Wettbewerbsverlust

Der deutsche Außenhandelsverband BGA kritisierte die Vereinbarung als „schmerzhaften Kompromiss“. Präsident Dirk Jandura erklärte: „Der Zollaufschlag bedeutet für viele unserer Händler eine existenzielle Bedrohung.“ Auch wenn jetzt zunächst mehr Planungssicherheit herrsche, dürften sich Lieferketten verändern und Preise steigen. „Die Einigung mit den USA wird hier im Land spürbare Auswirkungen haben. Sie wird Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze kosten.“

Auch der Verband der Chemischen Industrie (VCI) äußerte sich skeptisch. „Wer mit einem Hurrikan rechnet, ist für ein Unwetter dankbar“, sagte Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup. Doch auch die 15 Prozent seien zu hoch: „Europas Exporte verlieren an Wettbewerbsfähigkeit.“

Die deutsche Wirtschaft könne „vorerst durchatmen“, kommentiert Helena Melnikov, Hauptgeschäftsführerin der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), da Gefahr einer Eskalation im Handelsstreit mit den USA zunächst abgewendet sei, „eine dringend benötigte Atempause“, wie sie sagt. „Die Einigung schafft kurzfristig Stabilität, mehr nicht. Es ist nur ein erster Schritt“, so Melnikov. Die EU müsse nun mit den USA weiter verhandeln „und an einem umfassenden, fairen und zukunftsgerichteten Handelsabkommen arbeiten“.

VDA-Präsidentin Hildegard Müller bezeichnet die Rahmenvereinbarung als „grundsätzlich gut.“ Von „großer Bedeutung“ sei, „dass die durch den Zollstreit verzerrten und eingeschränkten automobilen Lieferketten wieder funktionieren“. Müller warnt aber ebenfalls vor den wirtschaftlichen Folgen: „Der Zollsatz der USA in Höhe von 15 Prozent auch für automobile Produkte wird die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie jährlich Milliarden kosten und belastet sie inmitten der Transformation“. Auch angesichts der „weitreichenden Zusagen für zusätzliche Investitionen in den USA“, deren Ausgestaltung noch offen ist, sei die EU „jetzt umso mehr und dringend aufgefordert, die Rahmenbedingungen in Europa für Investoren wie Unternehmen international wettbewerbsfähig auszugestalten, um als Investitionsstandort wieder interessanter und relevanter zu werden.“

Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, zeigte sich ebenfalls zurückhaltend und glaubt dem Frieden noch nicht: „Darauf vertrauen, dass nun Ruhe herrscht, kann man nicht.“ Trump nehme „die Zolldrohung nie vollends vom Tisch“, ist er sich sicher. Die EU hätte mit einer kraftvolleren Verhandlungsstrategie gegenhalten müssen.

Die US-Regierung sicherte sich bereits die Möglichkeit, die Zölle künftig wieder zu erhöhen, sollten die europäischen Investitionszusagen nicht eingehalten werden. Trump selbst begründete die Zölle erneut mit dem US-Handelsdefizit – insbesondere gegenüber China, Japan und der EU – und betonte, dass die Einnahmen helfen würden, seine Steuersenkungsprogramme zu finanzieren. Die 15-Prozent-Zölle könnten Milliardeneinnahmen für die USA generieren. Im Jahr 2023 lagen die Zolleinnahmen aus EU-Importen bei insgesamt rund sieben Milliarden Euro – nun dürfte sich dieser Betrag vervielfachen.

Quelle: Automotive News – EU, U.S. trade deal will see 15% tariff on auto exports / Tagesschau.de – EU und USA einigen sich auf Kompromiss im Zollstreit / Süddeutsche Zeitung – Deutsche Wirtschaft: Handelsdeal wird Wohlstand und Arbeitsplätze kosten / VDA – Pressemitteilung vom 28.07.2025

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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