Wechselakkus oder Ladesäulen: Welche Technologie hat mehr Potenzial?

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 3 min

Elektromobilität ist der Megatrend im Fahrzeug- und Antriebsbereich und wird mit dem kürzlich von der EU beschlossenen Verbrenner-Verbot ab 2035 zum zentralen Baustein der Verkehrswende. Ein gemeinsames Forschungsprojekt des Instituts für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe (ISEA) der RWTH Aachen und des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) nimmt nun die für den Rohstoff- und Energieverbrauch kritischste Fahrzeugkomponente in den Blick: die Antriebsbatterie.

Im Projekt „KreislaufAkkus“ vergleichen die Wissenschaftler:innen Wechselakkusysteme mit vollintegrierten Batteriesystemen, also solchen mit fest eingebauten Akkus. Was ist besser für Umwelt und Akzeptanz? Ladesäulen, mit denen alle Elektroautos dezentral geladen werden, oder vielleicht doch Batteriewechsel-„Tankstellen“, wo leere gegen volle Akkus ausgetauscht werden? Die Forschenden bewerten in dem Projekt mit Förderung durch das Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministerium die ökologische Wirkung und Kreislaufeigenschaften sowie soziale und ökonomische Aspekte der verschiedenen Ladeinfrastrukturen.

Batterien werden aus wertvollen Ressourcen hergestellt. Daher ist es hochrelevant, die Ressourcen effizient einzusetzen, Komponenten lange im System zu halten und die Rohstoffe nach der Nutzung durch Recycling wieder in den Kreislauf zurückzuführen“, sagt der Energieexperte Jan Wiesenthal vom IÖW. Das heißt, dass in allen Phasen des Batterielebens eine Weiter- oder Wiederverwendung mitgedacht wird und Batterien schon bei der Herstellung entsprechend konzipiert werden. „Der Markt für Elektroautos wird in den nächsten Jahren stark wachsen“, sagt Wiesenthal. Daher brauche es am besten schon jetzt Antworten auf die Frage, welches Batteriesystem am besten zu den drängenden Zielen der Energie- und Ressourcenwende passt. „Denn daraus ergeben sich grundlegende Richtungsentscheidungen für den Aufbau der Ladeinfrastruktur.“

Derzeit liegt der Fokus bei der E-Mobilität auf vollintegrierten Batterien, die im Fahrzeug fest verbaut sind und extern an Ladesäulen geladen werden. Hierbei sind allerdings noch nicht alle Hemmnisse geklärt, die ein schnelles Wachstum des Markts für Elektroautos behindern. Wie lassen sich etwa wechselseitige Abhängigkeiten lösen zwischen der Wirtschaftlichkeit der Ladesäulenerrichtung und der Anzahl von E-Fahrzeugen im Straßenverkehr? Wie können hochverdichtete Städte mit knappen Flächen ein ausreichendes öffentliches Ladesäulenangebot gewährleisten, sodass auch Menschen ohne eigene Ladesäule bereit sind, auf ein E-Auto umzusteigen? Außerdem haben Autofahrer:innen weiterhin Bedenken hinsichtlich Reichweite und Ladegeschwindigkeit und es braucht Konzepte, um eine Überlastung des Stromnetzes durch gleichzeitiges und schnelles Laden zu verhindern.

Wechselakkus: Missing-Link der Mobilitätswende?

Als ein möglicher Lösungsbeitrag gelten seit einigen Jahren Wechselakkus. Diese können, anders als fest verbaute Batterien, in kurzer Zeit entnommen und durch vollgeladene Akkus getauscht werden. Für die Nutzenden hat dies vor allem den Vorteil, dass es schnell geht. Ladezeit und tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs können voneinander entkoppelt und das Stromnetz so entlastet werden. Tauschbare Akkus können auch für die Ressourceneffizienz einen positiven Effekt haben, denn ihre Lebensdauer ließe sich durch ein gesteuertes und schonenderes Laden erhöhen. Zudem wäre die Lebensdauer der Fahrzeuge unabhängig von der des Akkus.

Ungeklärt sind allerdings noch zentrale Fragen, wie etwa die benötigte Anzahl an Batterien, Anforderungen an die Fahrzeugkonstruktion und Notwendigkeiten bei der Standardisierung. Zudem werden bei diesem Ansatz im gesamten System mehr Fahrzeugbatterien benötigt, die für den Wechsel bereitstehen.

Damit Wirtschaft und Politik diese wegweisenden Richtungsentscheidungen treffen können, muss nun wissenschaftlich fundiertes Orientierungswissen geschaffen werden, das aufzeigt, wie die Rohstoffe von Akkus in einem Ressourcenkreislauf geführt werden können und wie die Systeme dafür designt sein müssen. Auch müssen mögliche Rahmenbedingungen für verschiedene Akkusysteme entwickelt werden, damit strategische Diskussionen über fest verbaute Akkus versus Tauschsysteme überhaupt erst ermöglicht werden.

Hierfür vergleicht und bewertet das Projekt „KreislaufAkkus“ mit enger Einbeziehung von Praxisakteuren und unter Berücksichtigung sozialer Aspekte vollintegrierte und Wechselakkusysteme hinsichtlich ihrer ökologischen Wirkungen, Ressourcenintensität und Kreislaufeigenschaften sowie technischer und ökonomischer Umsetzbarkeit.

Quelle: IÖW – Pressemitteilung vom 26.07.2022

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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matthias.geiger@t-online.de:

Wechselakkus wären effizienter, umweltschonender. Es wird hierzu in absehbarer Zeit flächendeckend nicht kommen, da sich die Automobilindustrie auf einen Standard einigen müsste und somit spezisches Know-How freigeben müsste. Siehe den Mobil-Telefonmarkt. Hier konnte man sich nach langem Hin- und Her auf Ladesteckerstandards einigen. Auch hier sind wir von Akkuaustauchstandards sogar innerhalb einer Marke weit entfernt. Selbst beim EU-Ladesteckerstandard werden immer wieder Wege gefunden diese zu umgehen, siehe IPhone, Android usw. Selbst innerhalb von IPhone und Android werden durch geschickte Manipulationen (z.B. Länge Schaft) Standards umgangen.

Ben:

Welche These ?
Die Aussage kam von NIO selbst, man braucht auf dem Heimatmarkt für eine Flotte von 1Mio. Fahrzeugen ca. 4Mio. Wecheselakkus.

rabo:

Noch mehr (Wechsel-)Akkus – mit fragwürdiger Förderung der begrenzten Rohstoffe – oder noch mehr Ladesäulen-KuddelMuddel? Beides finde ich langfristig nicht sehr gut. Ich lade mein geliebtes City BEV (Smart for2 Cabrio) seit 4 Jahren ausschließlich nachts ca. einmal/Woche an meiner (immerhin blauen) Schukodose. Für längere Fahrten/Reisen habe ich meine treue Diesel C-Klasse bis ich sie denn mal gegen ein FCEV – kein Nexo-SUV und kein Luxus-Mirai – eintauschen kann. H2 gibt es unbegrenzt und kann überall hergestellt werden. Derzeit leider wohl noch hauptsächlich mit Kohlestrom (mit dem ja auch die meisten Akkus geladen werden). Time will tell.

Groß:

Richtig.
Die deutsche Automobilindustrie liegt mittlerweile über 5 Jahre hinter der aktuellen Technik hinterher. Das Wechselsystem funktioniert reibungslos.
Der Israelische Erfinder hat es allen angeboten, aber nur Nio hat es weiter entwickelt.
Wenn man liest, dass zB. Audi in ca. 3 Jahren ein Auto heraus bringen will das schon jetzt schon hinter dem internationalen Strandart ist bevor es auf dem Markt kommt.
Da kann ich über das engstrinige Denken der Deutschen nur noch den Kopf schütteln und weinen.
Wer hat Deutschland in die Abhänigkiet gebracht?
Die deutsche profitgierige Wirtschaft und die wirtschafthörige Politik.
Und jetzt hier das Akkuwechseklsytem als weiter Abhänigkeit zu beschreiben ist genau die Disskusion mit der Deutschland international nur noch als schwach angesehen wird.

Groß:

Ich kann Ihnen genau sagen, dass Sie mit Ihrer Ansicht falsch liegen.

  1. Das Wechselsystem funktioniert. Auch auf der Autobahn auf langen Strecken.
  2. Wer hat die Produktion und die Technolgie aausgelagert um Gewinne zu steigern? Und jetzt schimpft man über seine eigene Strategie
  3. Keiner will eine Abhänigkeit aber die deutsche Wirtschaft hat sie sich selber geschafen.
  4. Die deutsche Politik hat sich die Abhänigkeit geschaffen
Hiker:

Das kann ich Ihnen ganz genau erklären. Kennen Sie den Begriff Abgängikeit? Wir wären wieder von Betterielieferanten abhängig die die Preise wie beim Erdöl nach belieben gestalten könnten. Laden auf Autobahnen wäre damit Geschichte. Daher der Druck der Chinesen Wechselakkus einzuführen. Oder denken Sie wirklich ohne diese Wechselgeschichte würden weniger Elektroautos verkauft? Dieses künstliche aufbkähen der Reichweitenangst begünstigt lediglich die Idee uns mittels Wechselakkus wieder in neue Abhängigkeiten zu drängen. Wollen Sie das wirklich?

Ralf Dunker:

Moin Andreas, schaun‘ wir mal, welche Wirkung der chinesische Markt, mit seinen 40 % der globalen Neuzulassungen, entfaltet. Es wäre natürlich bitter, wenn Europa (der Maschinenbau) auch hier keine technologische Führerschaft mehr spielte. Dabei konnten wir mal Airbus…

Rene:

90% Fantasie in Ihrem Artikel, bitte besser recherchieren auch was die Konstruktion des Autos betrifft. Ingenieure können sicher helfen.

Andreas:

Ich denke, dass such die Batteriewechsel Strategue in Europa und USA leuder erübrigt. Jeder Hersteller sieht die Chancen auf die Individualisierung der Fahrzeuge. Teilweise geht der Trend auch in Richtung Einbezug der Batterie in die Strukturen des Fahrzeugs.
Da müssten sich die konkurrierenden Hersteller auf einen Standard einigen – gute Nacht…

Ralf Dunker:

„Ungeklärt sind allerdings noch zentrale Fragen, wie etwa die benötigte Anzahl an Batterien“…

“Zudem werden bei diesem Ansatz im gesamten System mehr Fahrzeugbatterien benötigt, die für den Wechsel bereitstehen.“

Die erste „zentrale“ Frage ist relativ leicht zu beantworten, da wir bereits alle Variablen kennen: Wir kennen die Anzahl der KFZ, die es zu elektrifizieren gilt, wir wissen, wie viel Energie diese Flotten heute pro Jahr an Tankstellen nachfragen (also welche km-Leistung die Flotte absolviert) und wir wissen, wie viel Energie (Treibstoff/ KWh) ein KFZ benötigt, um eine Strecke zurück zu legen, bzw. wann/ wie häufig ein KFZ mit einer definierten Tank- bzw. Akkukapazität wieder eine Tankstelle anfahren wird.

Die naive Antwort ist: Ein BEV, das nur um das Haus seines Halters kreist, benötigt einen zusätzlichen Akku (100 Prozent). Wollte man damit schnell (also nicht mit 90 km/h) von Flensburg nach München reisen, benötigte man alle 200 km einen frisch geladenen Akku: sagen wir fünf ab Start. Doch ist das „System“ ausgerollt, benötigt die Flotte (in D.) lediglich einen Überhang von etwa 7-8 Prozent nach heutigem Stand, also etwa 3,5 Mio. Akkus, bzw. im Durchschnitt 300 Akkus pro Tankstelle (bei 14.000 in D.).

Viel interessanter ist aus Sicht wirtschaftlicher Akteure vermutlich die Frage, wie das „System“ wirtschaftlich ausgerollt werden soll.

Von viel größerer Bedeutung ist – angesichts der Folgen des Ukraine-Kriegs – die Frage, was denn „das System“ ist. Auch sie ist aber leicht zu beantworten: Es geht nicht mehr um das KFZ allein!!!

Es geht um Versorgungssicherheit und eine Erhöhung der Energie-Autonomie, ohne die „Rest-Risiken“ der AKW und ohne Kohle zu verfeuern. Es geht um die Einbindung der elektrifizierten Flotte in die Energiewende – das ist das System!

Dann ist der „Akku-Überhang“ plötzlich wurscht, weil das System enorme Speicherkapazitäten benötigt, um rein regenerativ zu funktionieren.

Da gepoolte Wechselakkus aus betriebswirtschaftlich-investiver Sicht viel besser genutzt werden können (dank Polyvalenz, Dual Use) als Antriebsakkus hier und stationäre Chemische Speicher dort, ist längst klar, dass der Akku getauscht werden sollte – von allen Vorteilen für den Halter einmal abgesehen.

„Damit Wirtschaft und Politik diese wegweisenden Richtungsentscheidungen treffen können“….

Bitter daher, dass die letzte Regierung den OEM blind gefolgt ist und mit Steuermitteln bereits eine Richtungsentscheidung getroffen hat (!), die ein viel zu enges „System“ mit prototypischem Charakter fördert. Es kann mittelfristig bestenfalls komplementär Sinn machen, BEV mit Steckdosen anzubieten.

Vieles erinnert an das Verbuddeln von Kupferkabeln, während diejenigen, die ihre Infrastruktur neu errichteten, selbstverständlich „den heißen Scheiß“, die Glasfaser, nutzten und heute deren systemische Vorteile nutzen können.

Aber nun kommen ja glücklicherweise chinesische Unternehmen und zeigen Frau Merkel, Herrn Altmaier und Herrn Scheuer, wie es gehen sollte, während wir gespannt auf das Ergebnis der Studie warten – die hoffentlich nicht nur deshalb beauftragt wurde, um die Förderung von Steckdosen am Straßenrand zu rechtfertigen.

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