Volkswagens Konzern-Designchef Klaus Zyciora (vormals Bischoff) sprach in einem ziemlich langen aber auch ziemlich interessanten Interview mit dem österreichischen Standard neben einigen anderen Themen vor allem über die Designphilosophie des VW-Konzerns mit seinen vielen Tochtermarken, welche gestalterischen Vorteile der Elektro-Baukasten MEB bietet, was mit den ganzen Knöpfen und Schaltern eines Autos passieren wird und warum er sich schon jetzt auf rein elektrisches Cabrio-Fahren freut.
Bei den Massenmarken des Volkswagen-Konzerns, also Volkswagen selbst, Skoda und Seat falle auf, dass die Differenzierung über das Design deutlich geringer ausfalle als beispielsweise bei PSA mit Peugeot, Citroën und Opel. „Das hat ein bisschen einen geschichtlichen Kontext“, erklärt Zyciora. In der „Ära der Präzision und der Wertigkeit, aus der wir kommen, haben eben alle Konzernfahrzeuge ein extrem hohes Maß an Qualitätsanmutung und Schärfe entwickelt“, was „eine gewisse Grundähnlichkeit“ mit sich bringe. Künftig sollen jedoch „die Markenidentitäten stärker ausgeprägt werden“.
Zu den neuen gestalterischen Möglichkeiten der Elektroauto-Plattform MEB sagt Zyciora, dass sie eine zuvor nicht möglich gewesene „Reproportionierung“ erlaube. Man komme aus einer mehr als 100 Jahre andauernden Zeit, in der „der Motor in seiner Blockgröße, seiner Dimension“ quasi eine Art „Diktator der Form“ war. Nun spiele die aufwändig konstruierte Verbrennerkraftmaschine „keine Rolle mehr“ fürs Design. Der dadurch freiwerdende Raum kommt den Insassen zu Gute, welche dadurch einen echten Mehrwert erhalten: Mehr Bewegungsfreiheit zum Beispiel. Durch den Wegfall des Verbrenners nämlich konnten zuvor im Innenraum verbaute Teile, wie etwa die Klimaanlage oder wesentliche Computer-Aggregate „aus der Fahrgastzelle raus in den Motorraum“ wandern. Der Wegfall des Getriebetunnels erhöhe den neuen Gestaltungsraum zusätzlich. Dort, wo bei Verbrennern der Schalthebel sitzt, erlaubt der MEB beispielsweise viel Platz für die Dinge, die Menschen eben so mit sich rumtragen: Kaffee, Handy, Handtasche.
Der MEB erlaube bei Fahrzeugen auch, bei gleicher Außenlänge die Räder weit an die Ecken schieben zu können. Elektromotoren seien so kompakt, dass sie „bei der Gestaltung keine Rolle mehr“ spielen. Auch dies sei maßgeblich für die Vergrößerung des Innenraums, etwa auch mehr Beinfreiheit für die Fondpassagiere.
„Wir werden ganz unterschiedliche Formen und Konzepte auftauchen sehen“
In Sachen Software der ID-Modelle, wo es zuletzt immer wieder Probleme gab, sei VW „auf dem Weg“. Volkswagen verzeihe man es „nicht so ohne weiteres“, wenn die Software nicht stabil läuft, wie es beim ID.3 der Fall ist (bzw. war). „Da erwartet man Perfektion“, auf die VW nun hinarbeite. Volkswagen will wichtige Erkenntnisse gewinnen aus dem, „was die Kunden mit den Fahrzeugen machen. Aus diesem Bedienverhalten lernen wir und können es laufend verbessern.“ VW sei in dieser Sache „noch im Aufbau der Fähigkeiten“ und am stetigen dazulernen, etwa der Gestaltung und Programmierung des zentralen Info- und Steuerdisplays, mit dem sich MEB-Stromer von etlichen Knöpfen und Schaltern verabschiedet. Es sei „für Volkswagen ein Quantensprung, den Mut zu haben, das Liebgewonnene, Gewohnte loszulassen.“
Zwar fallen aktuell dem SUV-Boom viele Karosserievarianten – wie etwa Kombis oder Vans – mehr und mehr zum Opfer. Das findet der Designer nicht weiter schlimm: Es sei eine Zeit, um auszuprobieren, und mutige Dinge zu wagen: „Da werden wir ganz unterschiedliche Formen und Konzepte auftauchen sehen“, so VWs-Chefgestalter. Das Cabrio allerdings will er nicht komplett abschreiben, es erhalte mit einem Elektroantrieb schließlich eine ganz andere Qualität: „Wenn man mit einem Elektroauto offen fährt, ist das Naturgenuss pur, weil ich hab’ ja kein Fahrgeräusch“, erklärt Zyciora. Einen konkreten Hinweis auf ein mögliches Elektro-Cabrio aus dem VW-Konzern gab der Designer allerdings nicht.
Quelle: Standard – VW-Designchef Zyciora: „Die Elektromobilität ist für mich der Schlüssel zu einer neuen Welt“