Polnischer Traktorenhersteller Ursus will mit einem E-Lieferauto durchstarten

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Die meisten Polen verbinden die Traditionsmarke Ursus immer noch mit der Landwirtschaft. Das Unternehmen wurde im Jahr 1893 in Warszawa gegründet. In guter Erinnerung sind heute aber den meisten Polen die Traktoren, die aus den Ursus-Werken kamen. Die Landwirtschaftsmaschinen von Ursus waren unter den Bedingungen der sozialistischen Planwirtschaft begehrt und alternativlos. Ursus hatte keine Konkurrenz in diesem Wirtschaftszweig.

Umso tiefer war der Fall nach der Wende, als es möglich wurde gebrauchte Landmaschinen aus dem Westen zu importieren und viele Landwirte auf diese Möglichkeit zurückgriffen, statt auf heimische Hersteller zu setzen. Das ehemals staatliche Unternehmen Ursus wechselte mehrfach die Besitzer, bis schließlich vor zehn Jahren mit POL-MOT als Mehrheitseigentümer der Aktiengesellschaft ernsthaft an einer neuen Strategie für Ursus gearbeitet werden konnte. Heute ist die E-Mobilität ein wichtiges Geschäftsfeld für Ursus geworden. Das Unternehmen bietet inzwischen 10 Stadtbusmodelle mit elektrischen- und hybriden Antrieben an. Im letzten Jahr konnte das Unternehmen einige wichtige Ausschreibungen für E-Stadtbusse für sich entscheiden.

Nun soll das E-Lieferauto „ELVI“ den nächsten Schritt bei der Wiederbelebung der Traditionsmarke darstellen. Ursus will gemeinsam mit der koreanischen BFL Corporation „ELVI“ realisieren. Die BLF Corporation wird dabei für die Bereitstellung der Grundkomponenten für die Produktion und den technischen Support verantwortlich sein, während Ursus die Fahrzeuge bauen wird. Die Präsentation des ersten „ELVI” wird noch im laufenden Jahr erwartet.

„Die Vertragsparteien haben vereinbart, dass mindestens zwei Versionen des Fahrzeugs entstehen sollen, das eine mit dem Batteriesystem und das andere als Brennstoffzellenmodell,” hieß es in der Presseerklärung von Ursus. ELVI wird ein 3,5 Tonner mit einer Ladelast von 1500 kg. Die Reichweite von 150 km und die Höchstgeschwindigkeit von max. 100 km/h sind aber noch stark verbesserungsbedürftig.

Die Nachricht vom Engagement der Koreaner ließ die Anleger aufatmen, da sie bereits befürchtet hatten, dass die E-Lieferautopläne von Ursus nichts mehr als ein Investitionsgrab sein könnten. Schon 2018 sollte das Auto in die Serienproduktion gehen. Vorgestellt wurde der Prototyp des ELVI im November 2017. Die Polnische Post hatte sogar schon eine Vorbestellung angekündigt, aber dann wurde nichts daraus und das Postunternehmen griff stattdessen auf E-Modelle von Nissan und Renault zurück. Die Pressesprecherin der Polnischen Post Justyna Siwek rechtfertigte die Entscheidung in den polnischen Medien damit, dass zum Zeitpunkt 2019 ELVI nicht über eine Genehmigung für den Testbetrieb verfügte.

2019 schien es fast so, als hätte die Entwicklung des ELVI Ursus überfordert. Kommentatoren verwiesen darauf, dass die Kosten schwer auf dem Konzern lassen würden, der sich noch mitten in einer Umstrukturierung befand. Der Experte Rafał Orłowski von dem Fachportal AutomotiveSuppliers.pl vertrat aber die Meinung, dass die Strategie von Ursus weiter in die E-Mobilität zu investieren und neue Fahrzeuge in diesem Bereich zu entwickeln, nicht zwangsläufig zum Scheitern verurteilt ist. Trotz finanzieller Engpässe könnte Ursus immer noch eine Wende gelingen.

Ursus blieb trotz einiger Schwierigkeiten an dem Projekt ELVI dran und suchte aktiv nach möglichen Partnern. Kurze Zeit später wurde mit China Dongfeng Motor Industry ein Memorandum of Understanding unterschrieben. Doch Hoffnungen auf eine Zusammenarbeit zerschlugen sich. Der asiatische Partner stieg zeitnah aus dem Vertrag aus. Ob mit BLF der richtige Partner für Ursus gefunden wurde, bleibt abzuwarten. Die Finanzmärkte haben zumindest viel Vertrauen in diese Zusammenarbeit gezeigt. Die Aktien des Unternehmens stiegen nach der Bekanntgabe der Zusammenarbeit mit BLF um rund 30 %.


Aleksandra Fedorska ist polnisch-deutsche Politologin und Publizistin. Sie arbeitet als Korrespondentin für polnische und deutsche Medien in den Fachbereichen Energiepolitik und E-Mobilität. Fedorska lebt und arbeitet im schleswig-holsteinischen Jagel und in der polnischen Stadt Poznań.

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