Ein Kommentar von Sebastian Henßler
Niedersachsen bestellt neue Streifenwagen – und sorgt damit für Diskussionen. 208 Audi A6 Avant e-tron sollen in den kommenden Monaten in den Polizeidienst gehen. Ein Auftrag im Volumen von 26,4 Millionen Euro, vergeben nach einer europaweiten Ausschreibung. So weit, so formal korrekt. Doch der Deal wirft Fragen auf.
Denn das Land, Miteigentümer des VW-Konzerns, entscheidet sich gegen ein Modell aus eigener Produktion. Der VW ID.7 Tourer, der Elektro-Kombi aus dem Werk Emden der Marke aus Wolfsburg, wäre eine naheliegende Alternative gewesen. Doch offenbar hat Volkswagen im Ausschreibungsverfahren kein konkurrenzfähiges Angebot vorgelegt. Das Innenministerium verweist auf das Vergaberecht: Das wirtschaftlichste Angebot gewinnt, eine Bevorzugung des Standorts Niedersachsen sei unzulässig.
Aber wollte VW überhaupt gewinnen? Der Eindruck drängt sich auf, dass der Konzern den Auftrag eher als Pflichtübung verstanden hat. Schließlich kommt der ID.7 im Markt bestens an: Zwischen Januar und August legten die Neuzulassungen in Europa um über 370 Prozent zu – ein seltener Erfolg in einem insgesamt eher als stagnierenden verschrieenen Elektroautomarkt. Das Modell verkauft sich also auch ohne die symbolträchtige Flottenbestellung des eigenen Bundeslandes.
Anders bei Audi: Dort ist die Absatzlage durchwachsen. Der Q4 e-tron verlor im selben Zeitraum 14 Prozent, der neue Q6 e-tron kämpft noch um Marktanteile. Ein Großauftrag über mehr als 200 Fahrzeuge hilft nicht nur der Produktion, sondern auch den CO₂-Flottenwerten der Marke. In Zeiten enger EU-Vorgaben kann eine solche Maßnahme helfen, die Bilanz zu stabilisieren – und intern für etwas Entlastung zu sorgen.
So entsteht ein paradoxes Bild: Niedersachsen gibt sich rechtstreu, aber industriepolitisch blass. Während sich die IG Metall enttäuscht zeigt, weil das Land kein Signal für den eigenen Standort setzt, profitiert der Konzern – nur an anderer Stelle. Der Audi-Auftrag mag wirtschaftlich begründbar sein, doch er wirkt politisch ungeschickt. Statt den Produktionsstandort Emden zu stärken, fließen die Millionen nach Bayern.
Am Ende bleibt der Eindruck, dass dieser Beschaffungsvorgang mehr über den Zustand der deutschen Autoindustrie erzählt als über die Landespolizei: Viel Konzernpolitik, wenig Standortbewusstsein. Und die Frage, ob Volkswagen wirklich alles getan hat, um den Auftrag zu bekommen, bleibt offen. Vielleicht wollte man ihr auch gar nicht.
Quelle: NDR – Audi statt VW: Niedersachsen kauft neue Polizeiautos in Bayern / Schmidt Automotive Research – The European Electric Car Study