Eigentlich wollte die Bundesregierung bei der Elektromobilität eine Vorbildfunktion einnehmen und in ihre eigenen Fuhrparks mit 100 Millionen Euro an dafür bereitgestellten Mitteln tausende Elektroautos einflotten: „Der Anteil der durch die Bundesregierung zu beschaffenden Elektrofahrzeuge soll bis 2019 auf mindestens 20 Prozent erhöht werden“, lautete das Versprechen vor vier Jahren.
Einer aktuellen Regierungsantwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion zufolge (hier als vollständiges PDF zu finden), ist die Regierung von diesem Ziel kilometerweit entfernt. Bei einem Anteil von 20 Prozent müssten sich unter allen 25.275 Autos in den Bundesministerien und ihren nachgeordneten Behörden mittlerweile mehr als 5000 elektrifizierte Fahrzeuge befinden.
Tatsächlich sind es nur 968, ein magerer Anteil von 3,8 Prozent. Zudem sind nur 40 Prozent dieser Fahrzeuge rein Batterie-elektrisch unterwegs und elf Prozent werden mit Wasserstoff betrieben. Mit 49 Prozent fast die Hälfe der Elektrofahrzeuge sind allerdings Plug-in-Hybride, die neben dem Elektromotor auch einen Verbrenner an Bord haben und deshalb oft als „Grüne Mogelpackung“ kritisiert werden.
Nicht jedes Ressort jedoch schneidet gleich schlecht ab: Mit dem höchsten Anteil an Elektrofahrzeugen können sich mit je 87,5 Prozent das Entwicklungsministerium und das Bundespresseamt rühmen. Auch das Auswärtige Amt kommt auf lobenswerte 73,1 Prozent. Das für die Elektromobilität relevante Verkehrsministerium verzeichnet einen Anteil von nur 6,2 Prozent. Schlusslicht ist das Verteidigungsministerium mit nur 1,5 Prozent an E-Fahrzeugen im Fuhrpark.
Zuletzt ging das Engagement in Sachen Elektroantriebe sogar noch weiter zurück, wie der Antwort auf die Anfrage zu entnehmen ist: Im Jahr 2019 hat die Bundesregierung insgesamt 9618 neue Pkw beschafft, davon waren allerdings nur 247 elektrifiziert. Mit 2,6 Prozent lag der Anteil bei den Neuanschaffungen sogar noch unter dem Bestandsdurchschnitt.
„Umstieg scheitert nicht am fehlenden Geld, sondern am fehlenden Willen“
Der Grünen-Verkehrspolitiker Stephan Kühn, der die Anfrage gestellt hatte, kritisiert das Versäumnis: Der Modernisierungsbedarf sei „riesig“, betonte der Politiker. Er sieht diese Zahlen dem Handelsblatt zufolge mit Sorge – vor allem auch wegen der Auswirkungen der Coronakrise. Diese sorge „nicht nur für heftige konjunkturelle Verwerfungen in der Automobilwirtschaft, sondern droht auch den Umstieg auf die Elektromobilität erheblich zu verzögern“, sagte Kühn dem Handelsblatt. „Wenn es die Bundesregierung ernst meint mit ihrem Ziel, die Transformation der Autoindustrie gerade jetzt zu unterstützen, gehört dazu auch eine ökologische Beschaffungsoffensive für die eigene Flotte.“
Von den veranschlagten 100 Millionen Euro, die die Bundesregierung für die Beschaffung von Elektroautos eingeplant hatte, seien nur 6 Millionen abgerufen worden, so Kühn weiter. „Bei der Bundesregierung scheitert der Umstieg auf die Elektromobilität nicht am fehlenden Geld, sondern am fehlenden Willen“, lautet die Kritik des Grünen-Politikers.
Er finde es „unverständlich“, dass unter den fast zehntausend Autos, die die Bundesregierung im letzten Jahr angeschafft habe, nur eine Handvoll elektrisch fährt, kritisierte Kühn. „Angesichts der Coronakrise wäre es ein fatales Signal, wenn die Bundesregierung auch dieses Jahr den Aufbruch in die klimafreundliche Mobilität verpasst“, sagte er mit Blick auf die künftige wirtschaftliche Entwicklung.
„Politische Entscheidungsträger haben eine wichtige Vorbildfunktion“
Auch Verbraucherschützer sehen dem Handelsblatt zufolge Handlungsbedarf. „Politische Entscheidungsträger auf allen Ebenen haben eine wichtige Vorbildfunktion für Verbraucher“, sagte die Leiterin des Teams Mobilität und Reisen beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), Marion Jungbluth, der Wirtschaftszeitung. „Ein gesellschaftlicher Wandel zu klimaverträglicher Mobilität braucht vielfältige Impulse.“ Auch sie spricht sich für eine deutlich nachhaltigere Politik als Reaktion auf die Corona-Krise aus: „Um die Konjunktur nach der Coronavirus-Krise anzukurbeln, sollten klimaschädliche Dienstwagen durch Fahrzeuge ausgetauscht werden, die zur Erreichung des europäischen CO2-Flottengrenzwerts beitragen“, so die Mobilitätsexpertin.
Quelle: Handelsblatt — Verkehrswende: Bundesregierung verfehlt eigene Ziele beim Umstieg auf Elektroautos // Deutscher Bundestag — Drucksache 19/18335, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Lisa Badum, Matthias Gastel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN