Wie Batterien von Elektro-Lkw optimal genutzt werden können

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
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Innerhalb von gut zwei Jahrzehnten soll die Umstellung des Lkw-Verkehrs in Europa auf emissionsfreie Fahrzeuge vollzogen sein. Einen größeren und tiefgreifenderen Umbruch hat die Transportbranche seit der Umstellung von Pferdekutschen auf dieselbetriebene Lastwagen noch nie erlebt. Aber nicht nur die Technologie ändert sich, auch bei der Nutzung der Lkw sind neue Ideen und Strategien gefragt. Schließlich lösen die Batterien den Dieselmotor als wertvollste Einzelkomponente eines Lkw ab.

Bei einer Sattelzugmaschine im Fernverkehr mit 600 kWh Batteriekapazität mache der Energiespeicher 60 Prozent der gesamten Produktkosten aus, so das auf die Automobilindustrie spezialisierte Beratungsunternehmen Berylls in einer aktuellen Mitteilung. Auch wenn dieser Anteil mit der Zeit sinken wird, haben die Batterien einen massiven Einfluss auf den Wert von Elektro-Lkw während ihres gesamten Lebenszyklus. Hier kommt ein tiefgreifender Unterschied zum Diesel-Lkw ins Spiel: Die Lebensdauer von Fahrzeugen und ihren wichtigen Komponenten, wie der Batterie, dürfte zukünftig nicht mehr synchron sein.

Diese Erkenntnis finde bislang zu wenig Beachtung, so Berylls. Dabei tue sich hier ein radikaler Bruch mit bisherigen Verhältnissen auf, denn der Restwert von Fahrzeug und Batterie müssen fortan getrennt betrachtet werden. Das gezielte Management des Batteriewerts über den Lebenszyklus sei deshalb ein Muss für die Zukunft und weiche fundamental vom gelernten Umgang mit gebrauchten Diesel-Lkw ab.

Schließlich ist der Energiespeicher die wertvollste Einzelkomponente eines batteriebetriebenen Lkw. Er bestimmt nicht nur den Wert des neuen Lkw, sondern auch in hohem Maß den Restwert des gebrauchten. Berylls Strategy Advisors Truck-Experte Steffen Stumpp erläutert: „Anders als bei dieselbetriebenen Fahrzeugen gibt es beim Verschleiß oder der Degradation keine Parallelität zwischen dem Fahrzeug und seiner wertvollsten Komponente. Während die Batterie nach acht oder spätestens zehn Jahren ihr Lebensende erreicht, hat der Lkw nach diesem Zeitraum noch einen Restwert zwischen 25 und 50 Prozent, je nach Anwendung und Spezifikation.“

Auch gebrauchte Lkw-Akkus sind wertvoll

Darüber hinaus gibt es keine direkte Verhältnismäßigkeit zwischen der Degradation und dem Wertverlust der Lkw-Batterie. Auch wenn ihr State of Health (SoH), also ihre maximale Kapazität, nach acht Jahren noch 80 Prozent beträgt, endet ihr erstes Leben womöglich, wenn sie ihren ursprünglichen Zweck – sprich: eine gewisse Reichweite zu garantieren – nicht mehr erfüllt.

Doch eine gebrauchte Lkw-Batterie ist alles andere als wertlos: Second-Life-Anwendungen bieten verschiedene Möglichkeiten, den potenziellen Zeitwert des Akkus durch einen weiteren Lebenszyklus in einen satten Gewinn umzumünzen. Bereits mit einem Second-Life-Akku eines E-Autos lassen sich Erlöse von mehr als 1000 Euro pro Jahr erzielen, bei einer Lebensdauer im First- und Second-Life von insgesamt wohl mehr als 20 Jahren, wie wissenschaftliche Studien in Aussicht stellen. Und schließlich lässt sich durch das Recycling der Batterie ihr Materialwert nutzen. Immer vorausgesetzt, die Rohstoffpreise sind zum Zeitpunkt des Recyclings hoch genug, um den Logistik- und Recyclingaufwand zu rechtfertigen.

Dazu Steffen Stumpp: „Es liegt auf der Hand, dass das Management des Batteriewerts über die Lebensdauer ein wesentlicher Erfolgsfaktor im Zeitalter der emissionsfreien Fahrzeuge ist. Darum müssen die Lkw-Hersteller sicherstellen, dass sie am Lebensende Zugriff auf die Akkus haben. Denn selbst ihr Recycling- oder Materialwert ist hoch.“ Eine Prognose, welche Lebenszyklusoptionen künftig die besten sein werden, ist derzeit jedoch noch nicht möglich, schließlich spielen hier verschiedene, nicht vorhersehbare Einflüsse eine Rolle.

Lkw-Hersteller müssen neue Geschäftsmodelle und Prozesse einrichten

Berylls empfiehlt jedoch, bereits jetzt über die zukünftigen Möglichkeiten nachzudenken und die erforderlichen Geschäftsmodelle und Prozesse baldmöglichst einzuführen. Zu ihnen gehören Methoden zur Messung und Steuerung des Batteriewerts über die Zeit oder die Fernüberwachung der Akkus inklusive einer permanenten Zustandsanalyse, um eine Transparenz über den Gesundheitszustand während des gesamten Lebenszyklus zu schaffen.

Eine wichtige Voraussetzung dafür sei die Änderung des bisherigen Geschäftsmodells und die Entwicklung und Einführung innovativer Vertriebsmodelle wie Battery-as-a-Service und/oder Truck-as-a-Service. Nur mit ihnen lasse sich die Kontrolle über diese wertvollen Komponenten über den kompletten Lebenszyklus behalten. Auch ein Angebot für Ersatzbatterien müsse geprüft werden, um gebrauchte Lkw mit hohem Restwert, wie beispielsweise Betonmischer, nach einem First-Life der Batterie im Verkehr halten zu können.

Schließlich haben sich die Hersteller mit der Entwicklung und Umsetzung von Recycling- und Aufbereitungsmöglichkeiten zu vertretbaren Kosten auseinanderzusetzen. Nur so werden sie ihren Anteil an den recycelten Rohstoffkosten der Lkw-Batterien bekommen.

Quelle: Berylls – Pressemitteilung vom 21.03.2023

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Daniel W.

27.3.2023

Preis der Akkupacks ca. 200 Euro netto pro kWh kosten, d.h. 600 kWh rund 120.000 Euro.

Ladezyklen der Akkupacks und und die Kosten pro 100 km: Rechnet mal 1.000 Ladezyklen zu 350 km, dann wären das 350.000 km bzw. rund 34,30 Euro/100 km. Bei mehr Ladezyklen wird es günstiger, bei 2.000 Ladezyklen 17,15 Euro pro 100 km. Bei 1.500 Ladezyklen sind es 525.000 km und 22,86 Euro auf 100 km.

Diesel-Lkw rund 34 Liter Diesel auf 100 km mal 1,70 Euro pro Liter gleich 57,80 Euro.

BEV-Lkw mit 160 kWh auf 100 km bei 30 Cent pro kWh wären 48 Euro, also müssten die Speditionen wohl mit eigenen PV- und/oder Windkraftanlagen arbeiten, evtl. im Verbund.

Vergleich: Bei 20 Cent pro kWh und 160 kWh auf 100 km wären es 32 Euro plus 22,86 Euro Akkukosten, also zusammen 54,86 Euro auf 100 km und damit günstiger als mit Diesel.

Akkupreise dürften sinken, während der CO2-Preis auf Diesel steigt – um wieviel? – das lässt sich heute noch nicht genau beziffern. Die Menschen profitieren auf jeden Fall davon, wenn Lkws in der Zukunft keine Abgase mehr ausstoßen und kaum noch Lärm machen.

Fazit: Bei BEV-Lkws dürften die Wartungkosten niedriger sein als bei Diesel-Lkws, allerdings habe ich dazu keine Zahlen. Alles in allem brauchen BEV-Lkws eine erfolgreiche EU-weite Energiewende, damit die Ladepreise für die Speditionen niedrig sind und somit der Gesamtpreis pro 100 km im Vergleich zu Diesel-Lkw, trotz hoher Akkukosten.

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