Thomas Stierle, Vorstand E-Mobility bei Schaeffler, sieht in der Fusion mit Vitesco einen klaren Schub für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. „Wir konzipieren unsere Produkte für den globalen Markt“, erklärt er im Gespräch mit der Automobilwoche. Der erste gemeinsame elektrische Achsantrieb sei dabei nur der Anfang. Einen konkreten Kunden gebe es bereits, den Namen könne er jedoch nicht nennen.
Der E-Achsantrieb sei schon vor dem Zusammenschluss entwickelt worden. „Eine E-Achse besteht vereinfacht aus einem E-Motor, der Leistungselektronik und einem Getriebe“, erläutert Stierle. Vitesco habe E-Motor und Leistungselektronik beigesteuert, Schaeffler das Getriebe. Durch den Merger habe sich die Kooperation nun deutlich vertieft: „Mit dem Zusammenschluss hat die Thematik noch einmal einen Schub erhalten.“
Stierle betont die enge Zusammenarbeit mit Vorstandskollege Matthias Zink: „Es gibt nicht eine Schaeffler- und eine Vitesco-Welt, sondern es ist wirklich sehr stark gemischt.“ Das Ziel sei eine vollständig integrierte Organisation, die mechanische Präzision mit Elektronik und Software kombiniert. Diese Kombination eröffne neue Kostenvorteile: „Wir können unsere E-Motoren 20 Prozent günstiger am Markt anbieten.“ Auch die Leistungselektronik werde nun intern gefertigt, wodurch Schaeffler unabhängiger und effizienter agiere.
Als Beispiel für die neuen Möglichkeiten nennt Stierle die Integration der Batteriezellenverpackung: „Dank der Schaeffler-Kompetenz können wir nun Verpackungen für Batteriezellen anbieten.“ Der Unterschied zur früheren Zeit bei Continental sei deutlich: „Es ist ein Unterschied, ob es sich um zwei Firmen handelt oder ein gemeinsames Unternehmen. Die Teams sind jetzt integriert – das bringt uns eine ganz neue Durchschlagskraft.“
Ein weiteres zentrales Thema ist das software-definierte Fahrzeug (SDV). Stierle räumt ein, dass Europa im internationalen Vergleich zurückliegt: „Europa ist auf dem Gebiet leider nicht führend, sondern das sind China und Amerika.“ Um aufzuholen, sei eine stärkere branchenübergreifende Zusammenarbeit notwendig. Zulieferer wie Schaeffler profitierten besonders von Standardisierung, während viele europäische Hersteller weiterhin auf individuelle Lösungen setzten – ein Hindernis für Tempo und Effizienz.
Chinas hohe Entwicklungsgeschwindigkeit sei eine lösbare Herausforderung
Die hohe Entwicklungsgeschwindigkeit in China hält Stierle für herausfordernd, aber nicht unerreichbar. „Keines unserer Projekte mit chinesischen Kunden läuft über einen längeren Zeitraum als zwölf Monate“, sagt er. Das Tempo lasse sich zwar nicht direkt auf Europa übertragen, doch Schaeffler könne „China-Speed kombiniert mit deutscher Gründlichkeit“ bieten. Mit Blick auf die Märkte sieht Stierle keine Krise in Europa, sondern eine „Transformation“. Schaeffler profitiere davon, dass die Wertschöpfung bei E-Autos, Plug-in-Hybriden und Range-Extendern deutlich höher sei als früher. Besonders im Fokus steht China: „Wir wollen mit den chinesischen Kunden global in der Welt wachsen.“
Auch Indien rückt für Schaeffler stärker in den Fokus. Dort entfielen laut Stierle bereits rund 15 Prozent der Neuzulassungen auf batterieelektrische oder hybride Autos. „Indien ist ähnlich wie China auch ein interessanter Markt, um von dort andere Märkte bedienen zu können.“ Die E-Mobility-Sparte laufe besser als im Vorjahr, der Break-even sei für 2028 geplant. „Besonders werthaltige Produkte sind E-Achsen, Hybride und Leistungselektronik“, sagt Stierle. Eine Querfinanzierung lehnt er ab, erwartet aber Wachstum in allen Geschäftsfeldern.
Angesprochen auf die wachsende Präsenz chinesischer Hersteller in Europa, zeigt sich Stierle gelassen: „Ich mache mir diesbezüglich im Hinblick auf Schaeffler keine Sorgen.“ Der Erfolg in China beruhe gerade darauf, dass man Kunden auch bei ihrer internationalen Expansion unterstütze – ein Angebot, das zunehmend an Bedeutung gewinne.
Quelle: Automobilwoche – Schaeffler-Vorstand Stierle: „China-Speed kombiniert mit deutscher Gründlichkeit“